In einer beispiellosen PR-Kampagne lenkte die US-amerikanische Zuckerindustrie in den 1960er Jahren von den Gesundheitsgefahren durch Zucker ab und präsentierte einen neuen Schuldigen: gesättigte Fette. Ein Lehrstück der Industriepropaganda.NEXUS Magazin: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/wie-die-welt-verzuckert-wurde-eine-kurze-geschichte-der-zuckerpropaganda
In einer beispiellosen PR-Kampagne lenkte die US-amerikanische Zuckerindustrie in den 1960er Jahren von den Gesundheitsgefahren durch Zucker ab und präsentierte einen neuen Schuldigen: gesättigte Fette. Ein Lehrstück der Industriepropaganda.
Aus Tausenden von Studien, die im Lauf von Jahrzehnten durchgeführt wurden, geht hervor, dass ein Übermaß an Zucker der Gesundheit schadet.1 Die Zuckerindustrie jedoch ließ die Beweise dafür verschwinden und führte die Öffentlichkeit mit manipulierter Wissenschaft in die Irre. Glaubt man der Zuckerindustrie, dann ist der Zucker eine harmlose Energiequelle, ja vielleicht sogar ein wichtiger Bestandteil einer gesunden, „ausgewogenen“ Ernährung.
Dr. Cristin Kearns, eine Zahnärztin und Kollegin an der University of California, machte im Jahr 2016 Schlagzeilen. Sie zeigte in einer Arbeit2 detailliert auf, welchen Einfluss die Zuckerindustrie im Lauf der Zeit auf die Ernährungsempfehlungen genommen hat. Es lässt sich auch beweisen, wie die Zuckerindustrie die inhaltliche Ausrichtung der Forschungsarbeit der US-Gesundheitsbehörde für Zahngesundheit NIDR (heute: NIDCR) beeinflusste. Dieses Institut entwarf 1971 ein landesweites Kariesprogramm – und dabei wurden alle Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Zuckerkonsum und Zahnkaries3 heruntergespielt.
Die Dokumentation „Sugar Coated“ – sie zeigt Kearns, den investigativen Journalisten Gary Taubes, Autor des Buchs „The Case Against Sugar“, sowie Dr. Robert Lustig, einen führenden Fachmann für den Zuckerstoffwechsel und Fettleibigkeit – geht der einst geheimen PR-Kampagne der Zuckerindustrie nach. Sie weist nach, wie die Industrie übermäßigen Zuckerkonsum als normal darstellte: Indem sie von den Belegen dafür ablenkte, dass Zucker krank macht. In der Inhaltsangabe zum Film wird angemerkt:
„Um die Nahrungsmittel für die ganze Welt weiterhin süßen zu können – und so andauernden Profit zu sichern –, wandte die Zuckerindustrie Täuschungsmanöver und Taktiken an, die sie von der Tabakindustrie abgeschaut hatte. ‚Sugar Coated‘ enthüllt anhand interner Dokumente der großen Zuckerhersteller die gut funktionierenden Tricks der Branche, mit deren Hilfe sie die Öffentlichkeit darüber im Unklaren hält, was die weltweite Pandemie von Fettleibigkeit, Diabetes und Herzerkrankungen wirklich verursacht.“4
Während der vergangenen drei Jahrzehnte hat sich die Fettleibigkeitsrate verdoppelt und die Rate für Typ-2-Diabetes verdreifacht. Wie kam es dazu? Es gibt immer mehr Erkenntnisse, dass Zucker dafür verantwortlich zu machen ist, aber der endgültige Beweis ist schwer zu erbringen, wie Taubes anmerkt. Und weil es keinen unbestreitbaren Beweis gibt – und außerdem der Dissens in dieser Frage geschürt wurde –, konnte die Zuckerindustrie gute Geschäfte machen: Sie konnte von jedem Verdacht gegen den Zucker ablenken, indem sie auf die widersprüchliche Beweislage hinwies.
Die Hauptverteidigungsstrategie der Zuckerindustrie bestand darin, für Unsicherheit zu sorgen. Sie hat es ihr ermöglicht zu florieren, während die Gesundheitsstatistiken abstürzten. „Falls die Beweise unumstößlich werden, ist es aus mit ihnen“, sagt Taubes. Der pädiatrische Endokrinologe Lustig weist darauf hin, dass im Übermaß verzehrter Zucker als Stoffwechselgift wirkt – und wir konsumieren heutzutage zu viel Zucker.