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Mit seiner vorliegenden Veröffentlichung möchte der Ex-Präsident des Bundesnachrichtendienstes Gerhard Schindler eine Debatte anstoßen. Im Mittelpunkt stehen zum einen die Fragen nach den sicherheitspolitischen Interessen Deutschlands, die Schindlers Meinung nach von der Politik nur zaghaft formuliert werden, und zum anderen die zeitgemäße Justierung der Kompetenzen der Geheimdienste. Die Dienste, so Schindler, würden aufgrund bürokratischer Vorgaben und institutioneller Überschneidungen in ihrer Arbeit behindert werden.
Zu den drängenden Gefahren unserer Zeit zählt der Autor nicht nur den islamistischen Terrorismus, sondern auch das Erstarken Russlands und vor allem Chinas. So verwundert es nicht, dass der Transatlantiker die Beteiligung des chinesischen Konzerns Huawei am deutschen 5G-Netzausbau kritisiert und davor warnt, in eine Abhängigkeitsfalle zu tappen. Aufschlussreich ist der Hinweis auf Seite 228, dass 5G die Überwachung der Kommunikation aus technischen Gründen für deutsche Behörden erschwere.
Gerhard Schindler teilt Einblicke, die er im Zuge seiner Karriere an hohen Orten sammeln konnte: zunächst im Bundesinnenministerium, beim Bundesgrenzschutz und beim Verfassungsschutz, später als Ministerialdirektor für Öffentliche Sicherheit – ein Amt, das ihm die Fachaufsicht über das Bundeskriminalamt und das Bundesamt für Verfassungsschutz einbrachte.
Von Januar 2012 bis Juni 2016 war Schindler Präsident des Bundesnachrichtendienstes. In diese Zeit fiel auch die NSA-Affäre, die der Geheimdienstler zu bagatellisieren versucht. Seine konkreten Vorschläge für die Zukunft – etwa die Zentralisierung des Verfassungsschutzes, das Weisungsrecht im Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrum GTZA, die Schaffung eines neuen technischen Nachrichtendienstes sowie die Zusammenführung von Bundespolizei und Bundeskriminalamt – laufen auf eine massive Stärkung des Staatssicherheitsapparates hinaus. Insbesondere die geforderte Unterstellung des BND unter das Bundesverteidigungsministerium würde die Militarisierung des deutschen Auslandsgeheimdienstes vorantreiben und die Behörde der zivilen Kontrolle durch das Bundeskanzleramt entziehen.
Auf berechtigte Kritik an staatlicher Überwachung kontert Schindler mit dem Verweis auf die Datensammlung durch globale Privatunternehmen wie Facebook und formuliert das schale Argument, die (vorgeblich) breite Zustimmung der Bevölkerung für die staatlichen Sicherheitsmaßnahmen während der Coronakrise würde überwachungsstaatliche Bestrebungen irgendwie legitimieren. Auch sein Plädoyer für ein offenes Engagement des türkischen Staates zum Aufbau türkischer Schulen und Fernsehsender in Deutschland erscheint fragwürdig.
Schindlers Streitschrift erschien im Oktober letzten Jahres und hat nichts an Aktualität verloren. Seine Prognose bezüglich des gescheiterten Afghanistan-Einsatzes hat sich mit der Wiedereroberung Kabuls durch die Taliban im August 2021 bestätigt, nachdem die USA und ihre Verbündeten sämtliche Streitkräfte am Hindukusch abgezogen hatten.
„Wer hat Angst vorm BND?“ offenbart zwar keine brisanten Geheimnisse. Wer aber einen Überblick gewinnen möchte über die Arbeitsweise des Auslandsnachrichtendienstes und die Struktur der Sicherheitsbehörden in unserem Land, und wer Einblick sucht in die Denkweise führender Geheimdienstler, sollte sich – wohlgemerkt kritisch – mit diesem Buch auseinandersetzen.
Gerhard Schindler
Econ
256 Seiten
ISBN: 978-3-430210-38-6
€ 22,–