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Was würdest du tun? Wie uns das Bedingungslose Grundeinkommen verändert

Seit Mai 2019 gibt es an der Universität Freiburg den ersten Lehrstuhl für Forschung zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE), gefördert von dm-Gründer Götz Werner. Damit wird sich jetzt auch hochoffiziell wissenschaftlich an ein Thema herangetastet, das in der Politik schon seit einigen Jahren für heiße Debatten sorgt und Michael Bohmeyer im Jahr 2014 dazu brachte, den Verein Mein Grundeinkommen ins Leben zu rufen.


Auf Basis freiwilliger Spenden wird durch ein Losverfahren ausgewählten Menschen über den Zeitraum von einem Jahr ein BGE von 1.000 Euro im Monat ausgezahlt: Das „erste und einzige Grundeinkommens-Experiment weltweit, das nicht auf staatliche Initiative durchgeführt, sondern aus der Mitte der Gesellschaft getragen wird.“ (S. 24) Das Experiment erzielte breite mediale Aufmerksamkeit, und als Bohmeyer und seine Kollegin und Co-Autorin Claudia Cornelsen ihre Arbeit an „Was würdest du tun?“ begannen, hatten schon 100 Menschen ihr Grundeinkommensjahr abgeschlossen. In ihrem Buch beschreiben die zwei Autoren Begegnungen mit 24 Grundeinkommensbeziehern und suchen Antworten auf die Frage nach den Auswirkungen des BGE. Was machen die Gewinner mit dem zusätzlichen Geld? Ausgeben? Sparen? Investieren? Ändern sich ihre Bedürfnisse, Wünsche und Wertvorstellungen? Und vor allem: Was macht die plötzliche bedingungslose Sicherheit mit den Gewinnern selbst?

Bohmeyer und Cornelsen erzählen mitreißende, spannende, traurige und skurrile Geschichten, vom Obdachlosen, der sich mit dem Grundeinkommen in der Hinterhand dazu entscheidet, dem Alkohol abzuschwören und sich um eine Wohnung zu bemühen, über die alleinerziehende Mutter, die das Geld in ihre Familie investiert, bis zum Student aus reichem Elternhaus, der durch das BGE seine Sparsamkeit entdeckt und beginnt, seine Privilegien zu erkennen und das Geld bedingungslos weiter zu verleihen. Ihnen allen ist vor allem eines gemein: Durch das Grundeinkommen fühlen sie sich geschätzt. Bei den einkommensschwachen Gewinnern vollzieht sich die größte Änderung in dem plötzlichen Gefühl der Sicherheit: Ohne permanente Existenzängste stehen sie ihrer Arbeit sehr viel gelassener gegenüber, und kaum ein Gewinner entscheidet sich dazu, seinen Job zu kündigen – und wenn, dann um zu neuen Ufern aufzubrechen, in Bildung zu investieren, sich eine neue Arbeitsstelle zu suchen, sich ehrenamtlich oder politisch zu engagieren.

Das Fazit der Autoren: „Das Bedingungslose Grundeinkommen ist ein Beschleuniger für die Verbesserung unserer Gesellschaft, weil es den Hebel nicht im Außen ansetzt, sondern im Kern der Menschen etwas verändert.“ (S. 282)

Klar ist: Mit einem auf Freiwilligkeit beruhenden Finanzierungskonzept, wie vom Verein Mein Grundeinkommen angewandt, wird ein BGE für jedermann kaum realisierbar sein. Dieser Problematik sind sich die Autoren durchaus bewusst. Gleich zu Anfang nennen sie vier grundsätzliche Probleme ihres Experiments:

Mit Lösungsansätzen, wie ein BGE in der gesamten Gesellschaft umgesetzt werden kann, beschäftigen sich Bohmeyer und Cornelsen allerdings nur am Rande: Modelle verschiedener politischer Parteien, die sich alle insofern ähneln, dass das Geld über Steuern eingetrieben werden soll, werden kurz erwähnt, aber nicht weiter ausgeführt. Informationen zu diesen Modellen hätten die interessanten und persönlichen Erfahrungsberichte gut ergänzt und das Buch abgerundet – dafür hätte auf ein paar Berichte und politische Stellungnahmen der Autoren verzichtet werden können.

Nichtsdestotrotz bietet „Was würdest du tun?“ einen interessanten Einblick in das Leben echter Menschen, denen sich durch das BGE neue Wege geöffnet haben. Wer befürchtet, dass mit dem Grundeinkommen das Ende unserer Gesellschaft naht, der kann sich hier vom Gegenteil überzeugen. Antworten auf die Frage, wie sich das Projekt letzten Endes realisieren lässt, werden in Zukunft wohl andere geben – aber die Weichen dafür sind gestellt.

Michael Bohmeyer, Claudia Cornelsen
Ullstein Econ
288 Seiten
ISBN: 978-3-430210-07-2
€ 16,-