NEXUS Magazin: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/wandernde-weltachse-als-die-aurora-um-den-globus-spazierte
Es ist wissenschaftlich unbestritten, dass die geomagnetischen Pole der Erde wandern und sogar komplett die Position wechseln. Doch geschah das alles, noch bevor der Mensch die Weltbühne betrat – oder gibt es Belege, dass unsere Spezies einige dieser Ereignisse bezeugte? Eine Spurensuche in bisher kaum beachteten Quellen.
Die Erde verfügt über ein eigenes Magnetfeld – dominiert von zwei Magnetpolen, die sich gewöhnlich in nicht allzu großer Entfernung von den beiden Polen der Rotationsachse befinden. Dieses Feld, die sogenannte Magnetosphäre, wirkt wie eine Blase, die die Erde vor Strahlungen von der Sonne und aus dem Weltraum jenseits des Sonnensystems schützt. Was geschieht, wenn dieses Feld an Stärke verliert? Die Magnetosphäre zieht sich zusammen und die beiden Pole wandern über den Äquator, um ihre Plätze zu tauschen, was man als geomagnetische Umkehrung bezeichnet. Das Feld enthält aber auch eine Reihe von untergeordneten Polen, die kurzzeitig die Oberhand gewinnen und ebenfalls umherwandern können. Die dann unvermeidlich vermehrt einströmende kosmische Strahlung kann die Wolkenbildung stimulieren und sich so auf das Klima auswirken. Erhöhte ultraviolette Strahlung und verstärkter Niederschlag von radioaktiven Elementen können sich nachteilig auf das Leben auswirken. Die veränderten magnetischen Verhältnisse können auch biologische und psychologische Systeme – günstig oder ungünstig – beeinflussen. Darüber wurde bereits viel geschrieben.
Die geomagnetische Feldstruktur bestimmt die Form der polaren Aurora. Wie würde sich ein abgeschwächtes geomagnetisches Feld auf die Aurora auswirken? Wissenschaftler vernachlässigen diese Frage in der Regel wohl deshalb, weil ihre Beantwortung ohne Konsequenz bleibt, wenngleich die Aurora natürlich ein großartiges Schauspiel liefert. Die Nordlichter und Südlichter hinterlassen keine unmittelbaren Spuren auf der Erdoberfläche und haben keine nachweisbaren Auswirkungen auf Wetter oder Klima. Doch was geschieht, wenn eine magnetische Umkehrung den Weg von Menschen kreuzt? Seit jeher siedelten sich die Menschen vermehrt an Orten an, an denen es selten oder niemals eine Aurora zu sehen gab. Drastische Veränderungen der geografischen Lichtverteilungen und Lichterscheinungen könnten daher das Interesse der Menschen geweckt und Spuren in deren Kultur hinterlassen haben. Einige der aufsehenerregendsten Szenarien fanden vielleicht Eingang in Kunstwerke oder hatten Auswirkungen auf die Anordnung von Gebäuden. Möglicherweise wurden sie in Ritualen oder mündlich überlieferten Geschichten weitergegeben, ausgeschmückt mit fantasievollen Hinzufügungen und üppigen Bildern, wie sie für Mythen typisch sind. Auf Auroralichter spezialisierte Physiker und Anthropologen könnten hier eine Fülle von Informationen über Auroraerscheinungen finden und sie mit ihren eigenen Unterlagen vergleichen.
Die letzte geomagnetische Umkehrung, die auf jeden Fall lange vor der Zeit stattstand, als Homo sapiens die Bühne betrat, liegt nunmehr 773.000 Jahre zurück. Unvollständige Umkehrungen, die man auch als geomagnetische Wanderbewegungen bezeichnet, kommen jedoch weit häufiger vor und ereignen sich etwa alle 10.000 Jahre. Bei solchen Gelegenheiten versuchen die beiden magnetischen Hauptpole, ihre Plätze zu tauschen, schaffen es aber nicht, die hohen Breitengrade der gegenüberliegenden Hemisphäre zu erreichen oder sich dort zu verankern, weshalb sie schließlich wieder in ihre eigene Hemisphäre zurückkehren. Auch dabei schwächt sich das Magnetfeld ab, aber längst nicht in dem Maße wie bei vollständigen Umkehrungen. Weder vollständige Umkehrungen noch Wanderbewegungen – deren Vorkommen zweifelsfrei feststeht – haben innerhalb des Zeitraums unserer geschichtlichen Aufzeichnungen stattgefunden, sodass unsere Kenntnisse darüber rein theoretischer Natur sind. Es ist allerdings gut vorstellbar, dass die prähistorische Menschheit ein paar solcher Wanderbewegungen durchlebt und in ihren Überlieferungen festgehalten hat.