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Russische Propaganda im Ukrainekrieg: Was die Alternativmedien gern verschweigen

russpropSonnenklar: Die NATO hat den russischen Bären gereizt, bis er die Pranke auspacken musste – Osterweiterung, heimliche Aufrüstung der Ukraine, Maidan-Putsch. Wer seine Informationen zum Großteil aus den alternativen Medien bezieht, kennt sie aus dem Effeff, die Sticheleien und Lügen des Wertewestens.

Was vor lauter Mainstream-Aversion aber zuweilen zu kurz kommt, ist der kritische Blick auf die Propaganda-Schachzüge der Russen. Wo kamen sie eigentlich her, die Separatisten im Donbas? Ist es plausibel, dass die Ukrainer das Massaker in Butscha selbst veranstaltet haben? Und was geschah wirklich beim Brand des Gewerkschaftshauses in Odessa? Ein Perspektivwechsel.


Anmerkung der Redaktion: Dem Autor ist daran gelegen, seine hier gekürzt vorgestellten Überlegungen gerade in alternativen Medien zur Debatte zu stellen. Die vollständigen Texte finden Sie auf dem Substack von Christian Stolle; einen Schlagabtausch mit Autor Felix Feistel finden Sie auf Manova.news.

Wenn Sie sich an der Debatte beteiligen wollen, können Sie das in den Kommentaren – wir freuen uns auf eine rege und sachliche Diskussion.

Was die Alternativmedien gern verschweigen

Kritik an der NATO ist berechtigt und für Leser der alternativen Medien wohlbekannt. Kritische Analysen der russischen Politik sind jedoch eine Seltenheit. Dieser Artikel soll für Balance sorgen.

In diesem Artikel entlarve ich Propaganda der russischen Regierung. Meine Kritik darf jedoch nicht als Gutheißung der NATO, der Regierungen des Westens oder der Ukraine missverstanden werden. In meinem Buch „Generation Mensch“ kritisiere ich auf 580 Seiten vor allem den Westen und die NATO, weil sie weltweit die meisten großen Kriege der jüngeren Geschichte vom Zaun gebrochen haben.

Der Grund, warum ich hier vorwiegend die russische Regierung kritisiere, ist, weil Russland in der Ukraine trotz aller Mitschuld der anderen involvierten Parteien der Hauptaggressor ist und weil die Verbrechen der russischen Regierung in den alternativen Medien oft ignoriert, verharmlost oder entschuldigt werden, nicht selten unter Berufung auf nachweisliche Falschinformationen.

Ich präsentiere hier eine gekürzte und aufbereitete Auswahl meiner Recherchen, die Sie in voller Länge auf meinem Substack-Kanal „Generation Mensch“ nachlesen können.

Postsowjetischer Imperialismus: die Vorgeschichte

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 verblieb die Ukraine weitgehend im Einflussbereich Russlands, wobei sie ein Militärbündnis mit dem Westen anstrebte, um eine erneute russische Vorherrschaft zu verhindern. 1994 trat die Ukraine dem NATO-Programm „Partnerschaft für den Frieden“ bei, das die Zusammenarbeit zwischen der NATO und potenziellen neuen Mitgliedern stärken soll. Russland versuchte seinerseits, mithilfe des 1996 gegründeten Instituts für Diaspora und Integration (später umbenannt in Institut der GUS-Staaten) seinen Einfluss auf die Ukraine und andere postsowjetische Staaten auszubauen. Die ukrainischen Behörden untersagten dem Gründer des Instituts, Konstantin Zatulin, wiederholt die Einreise in die Ukraine aufgrund seiner Versuche, die ukrainische Souveränität zu untergraben.

1997 unterzeichnete der ukrainische Präsident Leonid Kutschma zum einen die NATO-Ukraine-Charta über eine besondere Partnerschaft und zum anderen den russisch-ukrainischen Freundschaftsvertrag, in dem die Präsidenten Russlands und der Ukraine ihr Bekenntnis zu einer strategischen Partnerschaft und zur Achtung der gegenseitigen territorialen Integrität bekräftigten. Für Russland bedeutete eine strategische Partnerschaft mit der Ukraine offenbar russische Dominanz, wie Russlands Präsident Boris Jelzin 1999 klarstellte. Gegenüber US-Präsident Bill Clinton verkündete Jelzin, Russland wolle die USA als dominierende Macht in Europa ablösen. Jelzin sagte: „Ich bitte Sie um eine Sache. Geben Sie Europa einfach an Russland.“ Clinton wandte ein: „Ich glaube nicht, dass dies den Europäern besonders gut gefallen würde.“ Jelzin antwortete: „Nicht allen. Aber ich bin Europäer. Ich lebe in Moskau. Moskau liegt in Europa und ich mag es. Sie können alle anderen Staaten nehmen und ihnen Sicherheit verschaffen. Ich werde Europa nehmen und ihm Sicherheit verschaffen. Nun, nicht ich. Russland wird das tun.“ 1 Kutschma hatte jedoch offensichtlich andere Pläne, als er auf einem NATO-Gipfel im Jahr 2002 die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine zum strategischen Ziel seines Landes erklärte.

Bei den ukrainischen Präsidentschaftswahlen 2004 setzte sich Wiktor Janukowitsch von der prorussischen Partei der Regionen in einer hart umkämpften Stichwahl gegen den prowestlichen Kandidaten Wiktor Juschtschenko durch, der nur wenige Monate vor der Wahl knapp einen Giftanschlag überlebt hatte. Janukowitschs Sieg war mutmaßlich das Ergebnis von Wahlbetrug, was eine Reihe von Protesten auslöste, die Orangene Revolution. Die vom Westen geförderten Proteste führten zu Neuwahlen, die Janukowitsch verlor.

Als Reaktion darauf begann Russland, den Separatismus in russischsprachigen Regionen der Ukraine wie dem Donbas zu fördern, einem wichtigen Industriezentrum an der Grenze zu Russland. Konstantin Skorkin von der in Lettland ansässigen russischen (aber in Russland verbotenen) Nachrichtenseite Meduza führt das, was damals geschah, wie folgt aus:

„Die russischen Behörden reagierten zweifellos hart auf die Orangene Revolution und waren offenbar überrascht, dass die Ukraine, die viele als ‚brüderliche Nation‘ betrachteten, wirklich einen von Russland unabhängigen Staat wollte. […]

Als nach der Orangenen Revolution radikale Separatistenorganisationen im Donbas auftauchten, waren ihre Unterstützungsquellen immer häufiger in Moskau zu finden. Der Forscher Wladimir Peschkow schrieb: ‚Mehrere Zeitungen und Zeitschriften tauchten aus dem Nichts auf, aber jeder wusste, dass sie von Moskau finanziert wurden. Etwa zur gleichen Zeit nahmen neue Nichtregierungsorganisationen mit unklarem Ursprung ihre Tätigkeit auf. Diese wurden von Russland aus von der Internationalen Eurasischen Bewegung unter der Leitung des Chefideologen Alexander Dugin geführt.‘ Zu dieser Zeit entstanden auch Ausbildungslager, in denen separatistische Aktivisten im Umgang mit Waffen geschult wurden.

Neben der Förderung radikaler Gruppierungen fand eine eher ‚seriöse‘ Indoktrination der lokalen Bevölkerung statt. In [den Donbas-Hauptstädten] Luhansk und Donezk gab es ständig runde Tische und Konferenzen über die Bedrohung durch den ‚ukrainischen Faschismus‘, die Aussichten auf eine Föderalisierung des Landes und den Schutz der russischsprachigen Bevölkerung. Die lokalen Medien berichteten aktiv über all diese Themen. Das vom russischen Staat geförderte Institut der GUS-Staaten spielte bei der Organisation dieser Veranstaltungen eine wichtige Rolle. Das Institut, das sich selbst als Denkfabrik positionierte, arbeitete daran, die Idee zu verbreiten, dass Russland den postsowjetischen Raum dominieren sollte.“ 2

2007 nahmen Präsident Juschtschenko und die EU Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen auf. Auf einem NATO-Gipfel im Jahr 2008 ersuchte Juschtschenko offiziell um einen Aktionsplan zur Mitgliedschaft. Die NATO begrüßte den Antrag der Ukraine, ohne einen konkreten Zeitrahmen für den Beitritt festzulegen. Russlands Präsident Wladimir Putin reagierte trotzig auf die ukrainischen NATO-Bestrebungen. Schon damals stellte er die nationale Einheit der Ukraine infrage und drohte mit der Annexion erheblicher Teile des ukrainischen Territoriums.

Die russische Tageszeitung Kommersant berichtete übereinstimmend mit anderen Quellen, wie deutlich Putin beim NATO-Gipfel wurde und zitiert einen Informanten aus der Delegation eines der NATO-Länder:

„Aber als es um die Ukraine ging, ist Putin ausgerastet. An [US-Präsident] Bush gewandt, sagte er: ‚Sie wissen, George, dass die Ukraine nicht mal ein Land ist! Was ist die Ukraine? Ein Teil ihres Territoriums gehört zu Osteuropa, und ein Teil davon, ein großer Teil davon, war ein Geschenk von uns!‘ Und dann deutete er ganz offen an, dass, wenn die Ukraine in die NATO aufgenommen würde, das Land einfach aufhören würde zu existieren. […] [Putin] drohte damit, dass Russland damit beginnen könnte, der Ukraine die Krim und die Ost­ukraine wegzunehmen.“ 3

Vor diesem Hintergrund und aus Sicht der aktuellen Geschehnisse ist interessant, dass 2012 die soziale Bewegung „Donezker Republik“ eine Botschaft in der Zentrale der Eurasischen Jugendunion in Moskau eröffnete. Die „Donezker Republik“ hatte zu dieser Zeit kaum Unterstützung in der Ukraine und wollte eine russische Annexion aller südöstlichen Provinzen der Ukraine, also fast die Hälfte des Landes – deutlich mehr als die aktuell von Russland besetzten Gebiete. Die Jugendunion erklärte, die Eröffnung der Botschaft werde „zur Stärkung der Beziehungen zwischen den Bewohnern der Donezker Republik und dem übrigen Russland sowie zur Wiedervereinigung der 1991 künstlich getrennten Gebiete des historischen Russlands beitragen“.4 Bei der Jugendunion handelt es sich um den Jugendflügel der Eurasien-Partei des radikalen Nationalisten Aleksandr Dugin, eines bedeutenden Ideologen des postsowjetischen russischen Imperialismus.

Während in Russland Pläne zur Annexion der Südostukraine geschmiedet wurden, äußerte der EU-Rat für Auswärtige Angelegenheiten die Hoffnung, dass auf dem EU-Gipfel zur östlichen Partnerschaft im November 2013 ein Assoziierungsabkommen mit der Ukraine unterzeichnet wird, sofern die Ukraine Wahl-, Justiz- und Verfassungsreformen durchführt. Im Februar 2013 verpflichtete sich die Ukraine zur Umsetzung dieser Reformen. EU-Präsident Barroso erklärte jedoch, dass die Ukraine nicht gleichzeitig einer Zollunion mit Russland beitreten und engere Beziehungen zur EU aufbauen könne. Ein Assoziierungsabkommen mit der EU hätte der Ukraine somit den Beitritt zur Eurasischen Zollunion verwehrt, die 2010 von Russland, Belarus und Kasachstan gegründet wurde.

Als sich die Ukraine im Sommer 2013 auf die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU vorbereitete, griff Russland die ukrainische Wirtschaft mit Handelsbeschränkungen an, die auch die wichtigsten Exportgüter der Ukraine – Stahl und landwirtschaftliche Erzeugnisse – betrafen.5 Russland war der größte Handelspartner der Ukraine, doch der wirtschaftliche Druck hielt die ukrainischen Gesetzgeber nicht davon ab, den Entwurf des Assoziierungsabkommens zu genehmigen.

Putins Berater Sergej Glasjew erklärte, dass ein ukrainisches Assoziierungsabkommen mit der EU den russisch-ukrainischen Freundschaftsvertrag von 1997 verletzen würde und deutete an, dass Russland im Falle einer Unterzeichnung militärisch eingreifen könnte, falls sich prorussische Regionen des Landes direkt an Moskau wenden.6 Im September 2013 – einen Monat vor Beginn der Maidanaufstände – ernannte Putin seinen Chefideologen Wladislaw Surkow zum Leiter des russischen Programms für hybride Kriegsführung zur Russifizierung der Ukraine.7 Surkows Aktivitäten wurden später durch russische Kräfte in der Ukraine, durch offensichtliche Entwicklungen vor Ort sowie durch Surkows interne E-Mails offengelegt.

Alya Shandra und Robert Seely vom britischen Royal United Services Institute schrieben hierzu:

„Russlands Aktivitäten in der Ukraine sind eine Neuerfindung der ‚aktiven Maßnahmen‘, einer Form der politischen Kriegsführung, bei der die Sowjetunion Pionierarbeit geleistet hat. Die Strategie für diese aktiven Maßnahmen ist eng mit einem Konzept verknüpft, das als ‚reflexive Kontrolle‘ bekannt ist, einer sowjetischen streng geheimen Technik zur Manipulation eines Gegners, damit dieser Entscheidungen trifft, die zu seiner eigenen Niederlage führen. […] Der Kreml erforschte akribisch die Feinheiten des ukrainischen Alltags, um die ukrainische Weltanschauung zu verstehen und Schwachstellen zu identifizieren, die ausgenutzt werden können. Dann schuf er mithilfe von Medien, Tarnorganisationen, Provokateuren und bezahlten Kundgebungen eine virtuelle Realität, um die Ukraine zu Entscheidungen zu zwingen, die russischen Zielen dienen. […]

Die E-Mails enthüllen die Details der täglichen Operationen Russlands zur Destabilisierung der Ukraine. Sie beschreiben insbesondere, wie der Kreml die Schwächen der Ukraine erforschte, ‚Insider‘ suchte, die dabei helfen konnten, solche Schwächen sowie lokale Gruppen zu identifizieren, die dabei helfen würden, diese Schwächen auszunutzen, und heimlich Programme finanzierte, die darauf abzielten, die Ukraine zu spalten. Er unterstützte lokale Gruppen, die im Wesentlichen Zuschussanträge für Aktivitäten eingereicht hatten, die bestehende Konflikte verschärfen und neue hervorrufen, Proteste anregen, Angst, Verwirrung und Misstrauen verbreiten und unter dem Deckmantel vorgetäuschter zivilgesellschaftlicher Aktivitäten die Illusion einer Unterstützung der ukrainischen Bevölkerung für den Föderalismus und/oder Russland erzeugen sollten. Die E-Mails deuten darauf hin, dass der Kreml und seine Agenten eng mit den ‚Zuschuss-
empfängern‘ zusammenarbeiteten, den Erfolg der einzelnen Maßnahmen analysierten und künftige Pläne je nach Entwicklung der Situation änderten.“ 8

Viele in Janukowitschs Partei der Regionen unterhielten wirtschaftliche und politische Beziehungen zu Russland. Im November 2013 trafen Janukowitsch und weitere führende Mitglieder seiner Partei mit Vertretern der russischen Regierung zusammen. Daraufhin erklärte Janukowitsch, dass er die Vorbereitungen für die Unterzeichnung des Assoziierungsabkommens mit der EU aufgrund von Bedenken hinsichtlich des Handels mit Russland aussetzen werde. Er schlug außerdem trilaterale Gespräche zwischen der Ukraine, Russland und der EU vor. Am selben Tag, dem 21. November 2013, begannen vom Westen unterstützte Aktivisten die Euromaidan-Proteste.

Finanzierung des Euromaidan von außen

Viele in den alternativen Medien behaupten, die USA hätten laut Aussagen von Victoria Nuland fünf Milliarden US-Dollar in die Maidanaufstände investiert. Bemerkenswerterweise betrug das gesamte Militärbudget der Ukraine 2014 lediglich drei Milliarden Dollar. Wie plausibel ist es, dass die USA fast das Doppelte allein in die dreimonatigen Maidanaufstände investierten?

Tatsächlich handelte es sich bei den fünf Milliarden laut Nuland um breit gefächerte Investitionen der USA, die zwischen 1991 und 2014 getätigt wurden. Sie betrafen politische, wirtschaftliche, infrastrukturelle und kulturelle Projekte, die auf eine Verwestlichung der Ukraine abzielten. Nuland leugnete, dass US-Gelder in die Finanzierung der Maidanaufstände flossen, was nicht glaubwürdig ist. Richtig groß wurde der Euromaidan jedoch nicht aufgrund westlicher Finanzierung, sondern weil der ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch im November 2013 die wenigen verbliebenen Aktivisten der bis dahin eher überschaubaren Maidandemonstrationen mit unverhältnismäßiger Polizeigewalt räumen ließ. Erst danach strömten Hunderttausende auf den Maidan, was schließlich die Revolution im Februar 2014 ermöglichte.

Eine ausführliche Analyse der Maidanaufstände und des Massakers vom 20. Februar 2014, bei dem es sich um einen vom Westen unterstützten Anschlag unter falscher Flagge handelte, finden Sie auf meinem Substack.9

Auch Russland investierte nach dem Fall der Sowjetunion Milliarden in die Ukraine, ebenfalls mit dem Ziel, den eigenen Einfluss auf die Ukraine auszubauen. Hervorzuheben sind die Aktivitäten von Wladislaw Surkow und des Instituts der GUS-Staaten, der Freundschaftsvertrag zwischen Putins Partei Einiges Russland und Wiktor Janukowitschs Partei der Regionen sowie milliardenschwere russische Gassubventionen. Allein während der Maidanaufstände investierte Russland drei Milliarden Dollar in die Ukraine, um die Janukowitsch-Regierung zu stabilisieren.10

Machtergreifung unter falscher Flagge

Es ist korrekt, aber heuchlerisch, wenn Putin das Maidanmassaker als Anschlag unter falscher Flagge verurteilt, denn auch sein eigener politischer Aufstieg wurde durch Anschläge unter falscher Flagge begünstigt, in die Putin als ehemaliger sowjetischer Geheimdienstoffizier und russischer Geheimdienstchef aller Wahrscheinlichkeit nach involviert war.

Bei einer Serie von Sprengstoffanschlägen auf Wohnhäuser in Russland kamen im September 1999 mindestens 299 Menschen ums Leben – deutlich mehr als beim Maidanmassaker in der Ukraine. In der Folge der Anschläge profilierte sich Putin als effektiver Führer, der mit harter Hand die Ordnung und Sicherheit im Land wiederherstellte, indem er die politische Macht zentralisierte, bürgerliche Freiheiten im Namen der Sicherheit einschränkte und die separatistische Kaukasusrepublik Tschetschenien, die seit 1996 faktisch unabhängig von Russland war, mit extremer militärischer Gewalt und um den Preis Zehntausender ziviler Opfer wieder unter russische Kontrolle brachte.

Hinweise darauf, dass es sich bei den Bombenanschlägen von 1999 um Angriffe unter falscher Flagge handelte, finden sich im Buch „Blowing Up Russia“ 11 sowie im Dokumentarfilm „Assassination of Russia“ 12. Beide erschienen 2002. Sowohl das Buch als auch der Dokumentarfilm sind in Russland verboten. Der Autor des Buches, Alexander Litwinenko, sowie der Finanzier des Films, Boris Beresowski, wurden allem Anschein nach vom russischen Geheimdienst ermordet.

Auch Alexander Lebed, der 1996 als Sekretär des russischen Sicherheitsrates den ersten Tschetschenienkrieg mit einem Friedensabkommen beendete, das Putin als Betrug an Russland bezeichnete, mutmaßte, dass die russische Regierung hinter den Anschlägen steckte. Lebed starb kurz darauf bei einem Hubschrauberabsturz, bei dem viele Sabotage vermuteten.

Sergei Juschenkow war Leiter der 2002 gegründeten Kowaljow-Kommission, die eine unabhängige Untersuchung der Bombenanschläge von 1999 durchführte. Er wurde im April 2003 vor seiner Wohnung erschossen. Juri Schtschekotschichin war ebenfalls Mitglied der Kommission. Er wurde im Juli 2003 allem Anschein nach vergiftet. Ein weiteres Mitglied der Kommission, Michail Trepaschkin, wurde im Oktober 2003 unter fadenscheinigen Gründen verhaftet. Seine Verhaftung erfolgte eine Woche vor einem Gerichtstermin, bei dem er als Anwalt der Familie eines Opfers der Bombenanschläge die von ihm gesammelten Beweise für eine Täterschaft des russischen Geheimdienstes FSB vorlegen wollte.

Der Brand im Gewerkschaftshaus von Odesa

Eine in Alternativmedien häufig kolportierte Geschichte ist die der ukrainischen Faschisten, die am 2. Mai 2014 prorussische Demonstranten in das Gewerkschaftshaus von Odesa trieben, um sie dort bei lebendigem Leib zu verbrennen. Tatsächlich waren die Ereignisse dieses Tages weitaus komplexer.

Anhänger der Fußballvereine Metalist Charkiw und Tschornomorez Odesa organisierten einen „Marsch der Einheit der Ukraine“ in Odesa, an dem rund 2.000 Fans und proukrainische Aktivisten teilnahmen, darunter auch Mitglieder des Rechten Sektors.

Zu jener Zeit bestand auf dem Kulikowo-Platz in Odesa bereits seit fast zwei Monaten ein prorussisches Protestcamp. Zu den dort vertretenen Gruppen gehörten die marxistisch-leninistische Borotba sowie die neonazistisch inspirierten Schwarzhunderter, die Slawische Einheit und die Odesa Druschina, deren militanter Flügel, die Odesa Brigade, auch im Donbas gegen die Ukraine kämpfte.

In der Regel hielten sich mindestens mehrere Hundert Personen im Camp auf. Laut Serhiy Rudyk, einem Mitglied der Odesa Druschina, erhielten die Aktivisten pro Person und Nacht 150 Hrywnja (2014 etwa 10 Euro), wobei dieser Betrag später auf 50 Hrywnja reduziert wurde. Die Finanzierung kam angeblich aus Russland.13

Der russische Neonazi Anton Rajewski von den Schwarzhundertern kam im März auf dem Kulikowo-Platz an. Neben einem Hakenkreuz zieren Tätowierungen der Naziparolen „Jedem das Seine“ und „Blut und Boden“ seinen Körper. Am 19. März berichtete Rajewski auf VKontakte:

„Ich wurde von Kämpfern der Odesa Brigade abgeholt und zum Kulikowo-Platz gebracht, wo sich ein patriotisches Militärlager befindet. Mir wurden sofort ein Schild, ein Schlagstock und eine kugelsichere Weste ausgehändigt. Alles war so, wie ich es erwartet hatte.“14

Knapp zwei Wochen später wurde Rajewski von den ukrainischen Behörden des Landes verwiesen. Zurück in Russland erklärte Rajewski in einer Videobotschaft:

„Wir sind bereit, Blut zu vergießen, und wir werden es vergießen – das Blut unserer Feinde. […] Ich habe gezeigt, dass russische Nationalisten, russische Freiwillige, bereit sind, in die Ukraine zu gehen, und dass sie gehen, um die Interessen nicht nur der russischsprachigen Bevölkerung zu verteidigen, sondern auch – lasst uns die Dinge beim korrekten Namen nennen – des russischen Volkes.“15

Russlands Präsident Putin behauptet regelmäßig, Odesa sei eine „russische Stadt“. Tatsächlich hatte Odesa seit Mitte des 20. Jahrhunderts stets eine ethnisch ukrainische Bevölkerungsmehrheit. Odesa ist überwiegend russischsprachig, gilt aber seit jeher als kosmopolitisch und ist definitiv keine Hochburg prorussischer Kräfte. 1991 stimmten 85 Prozent der Einwohner für die Unabhängigkeit der Ukraine von Russland.

Am 2. Mai 2014 griffen etwa 300 prorussische Aktivisten etwa 2.000 proukrainische Aktivisten beim „Marsch der Einheit der Ukraine“ an. Der Angriff der prorussischen Aktivisten auf eine zahlenmäßig weit überlegene Gruppe von Fußballfans und Mitgliedern des Rechten Sektors erscheint nur plausibel bei waffentechnischer und/oder taktischer Überlegenheit.

Laut einem Bericht von Human Rights Without Frontiers waren die prorussischen Aktivisten mit Schusswaffen, Schlagstöcken, Messern, Helmen und kugelsicheren Westen ausgerüstet.16 Sechs Personen wurden mutmaßlich von prorussischen Aktivisten erschossen, mehr als hundert Personen wurden bei den Zusammenstößen verletzt. Videos belegen, dass einige Polizisten prorussische Aktivisten schützten, als sie auf proukrainische Aktivisten schossen.17

Nachdem die proukrainischen Aktivisten ein Feuerwehrauto unter ihre Kontrolle gebracht hatten, gelang es ihnen, die prorussischen Aktivisten unter Einsatz des Autos und des Wasserwerfers zu vertreiben. Die langsame Reaktion der Feuerwehr beim späteren Brand des Gewerkschaftshauses kann nicht mit der Entwendung des Feuerwehrautos erklärt werden, da es in der Millionenstadt Odesa selbstverständlich mehr als ein Feuerwehrauto gab.

Gegen 19 Uhr räumten die prorussischen Aktivisten ihr Protestcamp auf dem Kulikowo-Platz.18 Sie wurden nicht, wie oft zu lesen ist, „in das Gewerkschaftshaus getrieben“, sondern zogen sich mit Schusswaffen und Molotowcocktails bewaffnet in Erwartung der Ankunft der proukrainischen Aktivisten auf dem Kulikowo-Platz in und vor das angrenzende Gewerkschaftshaus zurück, was bereits im Vorfeld geplant wurde:

„[Sie hatten] bewusst Menschen versammelt, um das Gebäude zu besetzen und zu verteidigen, mit Aufrufen nicht nur auf dem Platz vor dem Gebäude, sondern auch früher, zum Beispiel in sozialen Netzwerken. […]

Schon nach den ersten Zusammenstößen im Stadtzentrum wurden Menschen angerufen und gebeten, mit medizinischer Hilfe und anderen Gegenständen zu kommen. Zeugen haben auch berichtet, dass einigen Fahrgästen der Endhaltestelle der Straßenbahnlinie 18 gesagt wurde, dass sich eine Bombe in der Straßenbahn befinde und sie sich im Gewerkschaftshaus verstecken sollten.“19

Was nun geschah, wird in einer Chronologie der Ereignisse wie folgt festgehalten: 20 Nachdem einer der Anführer der prorussischen Aktivisten, Artem (in manchen Quellen auch Anton) Dawydtschenko, ca. 400 Personen in das Gewerkschaftshaus gelockt hatte, flüchtete er. Kurz darauf erreichten die proukrainischen Aktivisten den Kulikowo-Platz und zerstörten das verlassene Protestcamp.

Laut einer Untersuchung von Beteiligten beider Konfliktparteien bewarfen sich beide Seiten nun gegenseitig mit Molotowcocktails, aus dem Gewerkschaftshaus wurde auf die proukrainischen Aktivisten geschossen und ein Teil von ihnen drang durch einen Seiteneingang in das Gebäude ein. Dort warfen offenbar prorussische Aktivisten einen Molotowcocktail innerhalb des Gebäudes und vertrieben damit die Angreifer. Die prorussischen Verteidiger an der Vorderseite zogen sich nun vollständig in das Gebäude zurück und verbarrikadierten den Eingangsbereich mit Holzpaletten.

Eine Untersuchung des Forschungs- und Forensikzentrums des Innenministeriums in Mykolajiw ergab, dass das Feuer im Gewerkschaftshaus an fünf Stellen ausgebrochen war: im Eingangsbereich, in den beiden Treppenhäusern zwischen dem Erdgeschoss und dem ersten Stock, in einem Raum im ersten Stock sowie auf dem Treppenabsatz zwischen dem zweiten und dritten Stock. Laut der Untersuchung konnten die Brände – mit Ausnahme des Feuers im Eingangsbereich – nur durch Personen innerhalb des Gebäudes verursacht worden sein.21

Häufig wird behauptet, dass Personen, die aus dem brennenden Gebäude flüchten wollten, von den pro­ukrainischen Aktivisten getötet wurden. Tatsächlich haben über 300 Personen den Brand im Gewerkschaftshaus sowie die anschließende Evakuierung überlebt. 32 Personen starben aufgrund des Feuers bzw. aufgrund der Rauchentwicklung im Gebäude, sieben beim Sprung aus dem Fenster und drei erlagen im Krankenhaus ihren Verletzungen.22

Zahlreiche Personen, die aus dem Gebäude flüchteten, wurden in der Tat verprügelt.23 Es ist jedoch nicht belegt, dass Personen bei diesen Angriffen zu Tode kamen. Die Polizei schützte flüchtende prorussische Aktivisten mit einer Menschenkette.24 Darüber hinaus halfen proukrainische Aktivisten den prorussischen Aktivisten mit einem Gerüst und einer Leiter, sicher aus dem brennenden Gebäude zu entkommen, was auf Video dokumentiert ist.25

Die Tragödie von Odesa ereignete sich nach der russischen Annexion der Krim im März und nach dem Beginn der russischen Invasion im Donbas im April. Es liegt auf der Hand, dass die monatelange Eskalation der russischen Aggression gegen die Ukraine Ressentiments schürte und die Wahrscheinlichkeit von Gewalt gegen prorussische Demonstranten erhöhte.

Das Protestcamp militanter prorussischer Aktivisten, die am 2. Mai 2014 Gewalt gegen proukrainische Aktivisten initiiert und dabei mutmaßlich sechs Menschen erschossen hatten, bevor es zur Tragödie im Gewerkschaftshaus kam, war ein typisches Beispiel für Russlands hybriden Krieg gegen die Ukraine, insbesondere im Süden und Osten des Landes.

Separatismus im Donbas

Parallel zur Annexion der Krim finanzierte Russland prorussische Aktivisten, um Aufstände in der Südostukraine anzuzetteln. Dies geht aus abgehörten Gesprächen zwischen Putins Berater Sergej Glasjew, dem Gründer des Moskauer Instituts der GUS-Staaten, Konstantin Zatulin, und dem stellvertretenden Direktor des Instituts, Kirill Frolow, hervor. Zatulin bestätigte die Echtheit der Aufnahmen, sagte aber, sie seien aus dem Zusammenhang gerissen.

Halya Coynash von der Kharkiv Human Rights Protection Group schrieb zu den Aufnahmen:

„Glasjew sagt eindeutig […], dass alle Aufstände den Anschein erwecken müssen, von den Einheimischen auszugehen, wobei es besonders wünschenswert ist, dass Kommunen usw. an Russland appellieren zu intervenieren. Eines der Gespräche ist mit dem russischen Politiker Konstantin Zatulin, der davon spricht, verschiedenen Gruppen ‚wie versprochen‘ Geldbeträge zu zahlen. […]

Aus den Aufnahmen geht eindeutig hervor, dass die Aktionen von Putins Berater Glasjew finanziert und koordiniert werden, gemeinsam mit Zatulin und Frolow [ein russischer Staatsangehöriger einer prorussischen Gruppe, die sich Union der orthodoxen Bürger der Ukraine nennt].“26

Die Donbasrepubliken waren von Beginn an russische Satellitenstaaten. Ihre Gründung erfolgte zwei Monate nach den Maidanaufständen im Zuge einer russischen Invasion des Donbas, was von den Separatisten selbst bezeugt und aufgrund der Faktenlage evident ist, wie Halya Coynash berichtete:

„Anfang März 2014 versuchte Pawel Gubarew, ein Ukrainer aus Do­nezk mit einer Vergangenheit in der neonazistischen Partei Russische Nationale Einheit, einen ‚Volksaufstand‘ in Donezk anzuzetteln und erklärte sich selbst zum ‚Bürgermeister des Volkes‘. Der besagte Aufstand und die Idee, dass es einen ‚Volksbürgermeister‘ geben müsse, lehnten sich eng […] an das Szenario an, das von Putins Berater Sergej Glasjew vorangetrieben und üppig finanziert wurde.

Gubarews Aufstand scheiterte, und auch das Auftauchen sogenannter ‚Touristen‘ – stämmige Russen, die geholt wurden, um die Unterstützung zu leisten, die sie von den einheimischen Ukrainern nicht bekommen konnten – konnte nichts daran ändern, dass Moskaus Ziel verfehlt wurde. Erst als Igor Girkin [Codename Strelkow], ein russischer ‚ehemaliger‘ FSB-Offizier, und seine schwer bewaffneten und ausgebildeten Männer […] in Slawjansk eintrafen, fielen Teile des Donbas in die Hände der russischen bzw. russisch kontrollierten Kämpfer.

Erwähnenswert ist, dass sich Gubarew auch einer immer größer werdenden Zahl von Russen – oder, wie er, prorussischen ukrainischen Bürgern – angeschlossen hat, die […] jede Vorspiegelung eines ‚Bürgerkriegs‘ im Donbas fallen gelassen haben […]. In einem Interview […] erklärte Gubarew ganz klar, dass es ohne die russische Beteiligung keine selbst ernannte Donezker Volksrepublik gegeben hätte […]. Es war Girkin (und seinen schwer bewaffneten Männern) gelungen, ‚aus einem gewöhnlichen, unbewaffneten und zahnlosen Straßenprotest einen Aufstand zu machen‘.“27

Alexander Schuchkowski, ein Russe der neonazistischen Russischen Reichsbewegung, schrieb in seinem Buch „85 Days in Slavyansk“:

„Strelkow [Igor Girkin] und seine Krim-Kompanie waren die erste Gruppe von Freiwilligen, die die russische Grenze zum Donbas überquerte. Sie bildeten den Kern der Slawjansker Garnison und später der Streitkräfte der Donezker Volksrepublik.“28

Girkin gab zu, „dass die ersten Schüsse und damit die Gewalt im Donbas tatsächlich von seinen Männern provoziert wurden“.29 Wörtlich sagte er: „Ich bin derjenige, der den Krieg ausgelöst hat.“ 30

Schuchkowski kämpfte an der Seite von Girkin und organisierte laut eigener Aussage „den Zustrom russischer Freiwilliger in den Donbas“, darunter zahlreiche Neonazi-Verbände.31 Ukrainische Neonazis waren die Ersten, die auf die russische Invasion reagierten, offenbar weil die offiziellen ukrainischen Sicherheitskräfte aus Angst vor einer russischen Großoffensive zunächst untätig blieben.

Es dauerte eine Weile, bis das ukrainische Militär gegen die Separatisten vorging, aber bis August 2014 hatte die Ukraine einen Großteil der Separatistengebiete zurückerobert. Dann griff die russische Armee mehrmals auf ukrainischem Territorium ein, was den Separatisten zu entscheidenden Siegen im August 2014 bei Ilowajsk sowie im Februar 2015 bei Debalzewe verhalf, mit denen die ukrainische Regierung zur Unterzeichnung der Minsker Verträge gezwungen wurde.32

Die direkte russische Militärintervention „nahm die Form von Vorstößen mehrerer bataillonsgroßer Einheiten an“ und ist belegt durch „Berichte von Separatisten, Videos von russischen Militärkonvois, Videos von gefangen genommenen russischen Soldaten und Ausrüstungsgegenständen, Berichte aus erster Hand von […] Augenzeugen sowie veröffentlichte Satellitenbilder von russischen Militärfahrzeugen auf der ukrainischen Seite der Grenze“.33 Zudem starben zu jener Zeit laut offiziellen russischen Angaben viele Soldaten im Rahmen einer nicht näher bezeichneten Sondermission „an einem Ort der vorübergehenden Versetzung“.34

Fakt ist: Die Abspaltung der Donbasrepubliken von der Ukraine erfolgte von Beginn an mit russischer Hilfe. Russland hat den Krieg im Donbas begonnen und die russische Armee hat auf ukrainischem Territorium aufseiten der Separatisten interveniert. Der Krieg im Donbas war somit eine russische Invasion, ein hybrider Krieg, der in verschiedenen Phasen erfolgte.

Ausschließlich die von russisch kontrollierten Militärdiktaturen durchgeführten „Volksabstimmungen“ zeigten eine Zustimmung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten des Donbas zur Abspaltung von der Ukraine. In Donezk lag die Zustimmung im Mai 2014 angeblich bei 89 Prozent, in Luhansk bei 96 Prozent.

Alle wissenschaftlichen Untersuchungen über das Meinungsbild im Donbas widersprechen diesen Zahlen. Laut einer Umfrage des Donezker Instituts für Sozialstudien und politische Analysen vom März 2014 lehnten 77 Prozent der Bürger von Donezk, der größten Stadt im Donbas, die separatistische Übernahme von Verwaltungsgebäuden ab. Nur 26,5 Prozent befürworteten prorussische Demonstrationen.35

Einer Umfrage des US-amerikanischen Pew Research Center vom April 2014 zufolge wollten 70 Prozent der Ostukrainer sowie 58 Prozent der russischsprachigen Ostukrainer die territoriale Integrität der Ukraine bewahren.36 Diese Umfrage kann nicht als westliche Propaganda abgetan werden, da sie auch ergab, dass 91 Prozent der Krimbewohner die Abstimmung über die Abspaltung der Krim für frei und fair hielten und 88 Prozent sich dafür aussprachen, dass die Regierung in Kyjiw das Ergebnis respektieren solle.37

Das Internationale Soziologieinstitut in Kyjiw führte zwischen April und Mai 2014 eine weitere Umfrage durch. Demnach befürworteten 30,9 Prozent der Menschen im Donbas eine Abspaltung der Region von der Ukraine oder einen Anschluss an Russland. 58,5 Prozent wollten, dass die Ukraine geeint bleibt, wobei die Mehrheit innerhalb dieser Gruppe mehr Autonomierechte für den Donbas innerhalb einer geeinten Ukraine befürwortete.38

Kritiker mögen hinter der Umfrage des Internationalen Soziologieinstituts in Kyjiw ukrainische Propaganda vermuten, aber die Umfrage wurde von Iwan Katschanowski durchgeführt, der das Maidanmassaker als ukrainischen Anschlag unter falscher Flagge entlarvte und daher sicher kein Propagandist der ukrainischen Regierung ist.

Auch andere Untersuchungen, etwa die des Internationalen Republikanischen Instituts 39 von 2017 oder des Berliner Zentrums für Osteuropa- und internationale Studien 40 von 2019, ergaben ein Bild, das man wie folgt zusammenfassen kann: Im ukrainisch kontrollierten Donbas lag die Zustimmung für eine Abspaltung der Separatistengebiete unter zehn Prozent; selbst in den Separatistengebieten war keine Mehrheit (ca. 45 Prozent) für eine Abspaltung. Die Bewohner der Separatistengebiete sprachen sich zwar klar für eine Dezentralisierung der politischen Macht innerhalb der Ukraine und mehr Autonomie für den Donbas aus, wollten sich aber in der Mehrheit nicht von der Ukraine abspalten oder Teil Russlands werden – ganz im Gegensatz zu dem, was die von Russland kontrollierten Separatistenführer anstrebten.

Kritiker mögen hinter solchen Untersuchungen westliche Propaganda vermuten, aber sie bestätigten auch Dinge, die nicht im Sinne ukrainischer oder westlicher Propaganda sind: etwa, dass die Selbstidentifikation der Menschen im ukrainischen Donbas als ukrainische Staatsbürger zwischen 2016 und 2019 deutlich abnahm oder dass die Bewohner der Separatistengebiete sich ethnisch und sprachlich eher als russisch denn als ukrainisch sahen.

Wenn man argumentieren will, dass all diese Umfragen parteiisch sind, müsste man erklären, warum sie dem westlichen Narrativ in vielen Punkten widersprechen. Wie plausibel ist es, dass all diese verschiedenen Quellen sich allein bei der ganz speziellen Frage nach der Haltung der Donbasbevölkerung zum Separatismus verschworen haben, in anderen Fragen aber nicht?

Tatsächlich spiegeln die Untersuchungsergebnisse der verschiedenen Institute die beobachtbaren Fakten wider. Russische Paramilitärs, reguläre Soldaten sowie Militär- und Politikberater waren die treibenden Kräfte des Separatismus im Donbas. Ohne russische Hilfe wären die Separatistenrepubliken weder entstanden noch hätten sie überlebt.

Die Argumentation zur NATO-Osterweiterung

Putins Argument, die NATO habe Russland mit ihrer Osterweiterung betrogen, ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Richtig ist, dass US-Außenminister James Baker dem sowjetischen Staatschef Michail Gorbatschow 1990 sagte, die NATO werde sich nicht nach Osten ausdehnen, wenn Gorbatschow der deutschen Wiedervereinigung zustimmt. Im Gegensatz zur Wiedervereinigung wurde die Frage einer NATO-Osterweiterung letztlich jedoch nicht vertraglich geregelt. Offensichtlich bestand die russische Regierung nicht darauf, den Verzicht auf eine NATO-Osterweiterung in einem verbindlichen Vertrag festzuhalten. Im Gegenteil: In der NATO-Russland-Grundakte von 1997 verpflichtete sich Russland zur „Achtung der Souveränität, Unabhängigkeit und territorialen Unversehrtheit aller Staaten sowie ihres naturgegebenen Rechtes, die Mittel zur Gewährleistung ihrer eigenen Sicherheit […] selbst zu wählen“. 1999 bekräftigte Russland im Istanbuler Dokument „das jedem Teilnehmerstaat [der OSZE] innewohnende Recht, seine Sicherheitsvereinbarungen einschließlich von Bündnisverträgen frei zu wählen oder diese im Laufe ihrer Entwicklung zu verändern“. Die NATO-Russland-Grundakte und das Istanbuler Dokument sind zwar keine Verträge im Sinne des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge, dennoch haben diese Dokumente mehr Gewicht als eine mündliche Aussage, die Jahre vor der Unterzeichnung dieser Dokumente getätigt wurde. Russlands explizite Ablehnung einer NATO-Mitgliedschaft der Ukraine kam erst nach der Machtübernahme Putins.

Bereits unmittelbar nach dem Fall der Sowjetunion intervenierte Russland militärisch in den ehemaligen Sowjetrepubliken Moldawien und Georgien, was zur Etablierung von prorussischen Separatistenregionen führte. Dies trieb ehemalige Sowjetrepubliken in die Arme der NATO, um sich vor russischen Aggressionen zu schützen. Noch während der 1990er-Jahre folgten die NATO-Übungen Cooperative Nugget, Peace Shield, Exercise Cooperative Partner und Strong Resolve, die teilweise in den USA und teilweise in Europa stattfanden, auch in der Ukraine.

Die russische Regierung sah die NATO-Aktivitäten als Bedrohung und drehte weiter an der Eskalationsschraube. 2007 setzte Russland die Umsetzung des Vertrags über konventionelle Streitkräfte in Europa aus, der Grenzen für die Aufrüstung in Europa bestimmt. Russland stellte sich damit einen Blankoscheck für eine militärische Aufrüstung aus. Bei der Sapad-Übung 2009 simulierte das russische Militär einen Angriff auf das NATO-Mitglied Polen. Sapad ist das russische Wort für Westen. Weitere Sapad-Übungen folgten 2013 und 2017, wobei Russland die Zahl der teilnehmenden Soldaten anscheinend zu niedrig angab, um keine ausländischen Beobachter einladen zu müssen, wie es das Wiener Dokument der OSZE vorsieht. Bei allen Sapad-Übungen wurden Angriffe auf Osteuropa geprobt.

Lügen im Krieg gegen die Ukraine

Der Gesetzentwurf zur Anerkennung der Donbasrepubliken wurde am 15. Februar 2022 von der Kommunistischen Partei Russlands ins russische Parlament eingebracht. In den folgenden Tagen eskalierten die Ereignisse. Es war klar, sollte Putin das Gesetz unterschreiben, würde er damit offiziell die russische Nichtachtung der territorialen Integrität der Ukraine im Donbas verkünden. Westliche Würdenträger spekulierten daher zu Recht über einen bevorstehenden russischen Angriff.

Putin unterzeichnete das Gesetz am 21. Februar. Darauf folgte die Ankündigung der Entsendung russischer Truppen in die Donbasrepubliken gemäß den mit den Separatisten unterzeichneten Verträgen über Freundschaft und gegenseitigen Beistand, die das russische Parlament am 22. Februar ratifizierte. Putin legitimierte die Eroberung ukrainischer Gebiete mit der Anerkennung der russischen Satellitenstaaten im Donbas und der Unterzeichnung der Beistandsverpflichtungen. Wörtlich sagte er am Morgen des 24. Februar 2022:

„In Ausführung der Verträge über Freundschaft und gegenseitigen Beistand mit der Volksrepublik Donezk und der Volksrepublik Luhansk, die […] am 22. Februar ratifiziert wurden, habe ich beschlossen, eine spezielle Militäroperation durchzuführen.“

Er rechtfertigte die russische Großoffensive mit Artikel 51 der UN-Charta, der sich auf das Recht auf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung bezieht. Der Artikel gilt explizit nur „im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen“. Die Donbasrepubliken waren jedoch keine UN-Mitgliedstaaten – im Gegensatz zur Ukraine. Nach der UN-Charta hätte Russland, wenn überhaupt, die Ukraine bei der Verteidigung gegen die Separatisten unterstützen müssen, die nur dank russischer Hilfe ukrainisches Territorium besetzen konnten.

Ebenso opportunistisch wie die westlichen NATO-Imperialisten unterstützt oder bekämpft Putin Separatisten, je nachdem, ob es seinen politischen Interessen dient. Im Jahr 2013 kriminalisierte Putin sogar friedliche Aufrufe zum Separatismus innerhalb Russlands,41 obwohl Russland ein Vielvölkerstaat mit zahlreichen Minderheiten ist, die ein legitimes Interesse an politischer Unabhängigkeit haben, insbesondere in den Grenzregionen. Und so wie westliche Regierungschefs ihre Feinde in übertriebener Manier als Erzschurken darstellen, sind auch Putins ständige Hinweise auf Nazis in der Ukraine übertrieben – was nicht heißt, dass es in der Ukraine keine Neonazis gibt. Es gibt sie sehr wohl. Sie spielten eine wichtige Rolle beim Staatsstreich von 2014 und bei der Verteidigung gegen die anschließende russische Invasion.

Es gibt jedoch auch in Russland Neonazis, wobei „Russlands Einsatz von Rechtsradikalen auf der Seite der Separatisten in den [Donbas-]Provinzen Donezk und Luhansk größere militärische und politische Auswirkungen hatte als die Beteiligung rechtsextremer ukrainischer Gruppen“, so der russische Politologe Wjatscheslaw Lichatschow.42 Besonders hervorzuheben sind Russitsch, die Russische Reichsbewegung und die Russische Nationale Einheit.

Lichatschow kann kaum als Verharmloser ukrainischer Neonazis bezeichnet werden. 2018 schrieb er:

„Rechtsextreme politische Kräfte stellen eine echte Bedrohung für die demokratische Entwicklung der ukrainischen Gesellschaft dar. […] Ihre Aktivitäten stellen die Legitimität des Staates infrage, untergraben seine demokratischen Institutionen und bringen die Strafverfolgungsbehörden des Landes in Misskredit.“43

Im Kampf gegen den Kremlkritiker Alexei Nawalny setzte Moskau auf die Neonazi-Gruppe Russki Obraz.44 Kremlfunktionär Alexei Petrow, der in den sozialen Medien über Jahre Neonazipropaganda verbreitete, darunter Verweise auf Adolf Hitler und den Hitlergruß,45 war während des russisch-ukrainischen Krieges gemeinsam mit der russischen Präsidialkommissarin für Kinderrechte an der Entführung ukrainischer Kinder nach Russland beteiligt. Dmitri Utkin, Gründer der russischen paramilitärischen Gruppe Wagner, trug eine Tätowierung der Waffen-SS am Hals und einen Reichsadler auf der Brust.46 Denis Puschilin, der vor seiner politischen Karriere als Separatist im Donbas als Finanzbetrüger 47 unzählige Russen und Ukrainer um ihr Vermögen brachte, verlieh 2022 einen Orden an einen Separatisten, der neonazistische Abzeichen an seiner Uniform trug.48

Die Zwangsrekrutierung für den russischen Krieg gegen die Ukraine betrifft überproportional ethnische Minderheiten, was eindeutig rassistisch ist.49 Viele ländliche Gemeinschaften ethnischer Minderheiten wurden praktisch entvölkert.50 Die Zahl der russischen Todesopfer unter den ethnischen Minderheiten ist im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung weitaus höher als die Zahl der gefallenen Soldaten aus Moskau.51

Eine Untersuchung von Richard Arnold von der Muskingum-Universität aus dem Jahr 2015 stellte zudem fest, „dass Russland für ethnische Minderheiten in der Tat das gefährlichste Land in Europa ist“, was rassistisch motivierte Morde und Gewaltverbrechen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung angeht.

2016 setzte Putin seine Unterschrift unter das Jaro­waja-Gesetz, das religiöse Minderheiten diskriminiert. 2018 folgte ein Sprachengesetz, das Minderheitensprachen herabstuft. Die russischen Behörden weigerten sich konsequent, Genehmigungen für Demonstrationen gegen das Gesetz zu erteilen, und die Polizei nahm selbst Personen fest, die vermeintlich legale Ein-Personen-Mahnwachen abhielten.52

In den seit 2014 von Russland besetzten Gebieten der Ukraine findet eine fanatische Entukrainisierung und Russifizierung statt.53 Bei der Analyse diskriminierender antirussischer Maßnahmen seitens der Ukraine muss dieser Kontext berücksichtigt werden.

Das Massaker in Butscha – westliche Propaganda?

Das Massaker in Butscha, einem Vorort von Kyjiw mit knapp 40.000 Einwohnern, führte zu vielen Spekulationen in den alternativen Medien, obwohl die wesentlichen Fakten klar sind. Es gibt eindeutige Videobeweise für die Morde an ukrainischen Zivilisten durch russische Besatzungstruppen.

In einem Video sieht man Irina Filkina. Sie war zu Beginn der russischen Invasion zunächst an ihrer Arbeitsstelle geblieben. Am 5. März 2022 fuhr sie mit dem Fahrrad nach Hause. An einer Kreuzung wurde sie aus etwa 50 Metern Entfernung am helllichten Tag auf ansonsten menschleerer Straße von einem gepanzerten Fahrzeug aus erschossen, obwohl sie unbewaffnet war.54

In einem weiteren Video vom 19. März 2022 sieht man russische Soldaten, die sich dem Firmengelände eines Campingausstatters nähern. Nur der Eigentümer und ein unbewaffneter Wachmann befanden sich zu diesem Zeitpunkt auf dem Gelände. Nach einer kurzen Unterhaltung und einer vermeintlichen Verabschiedung schossen die russischen Soldaten den unbewaffneten Männern in den Rücken. Danach plünderten die russischen Soldaten das Firmengelände und stahlen dabei Alkohol und ein Fahrrad.55

Nur wenige in den alternativen Medien erwähnen diese Videobeweise. Stattdessen argumentieren sie, es sei unrealistisch, dass der Bürgermeister von Butscha nicht umgehend nach dem Abzug der russischen Truppen vom Massaker berichtete, sondern erst drei Tage später, was auf eine Inszenierung hindeute.

Dieses Argument ist absurd. Die Morde an ukrainischen Zivilisten fanden vereinzelt und dezentral statt. Die meisten Einwohner von Butscha versteckten sich über Wochen in ihren Häusern und Wohnungen. Der Bürgermeister hatte während der Besatzung keine Möglichkeit, die über die Stadt verteilten Morde zu registrieren oder zu untersuchen.

Die russischen Truppen hatten Butscha am Ende des 30. März 2022 verlassen. Ukrainische Truppen erreichten Butscha am 31. März und verbrachten den Rest des Tages damit, die Stadt auf Landminen und sonstige potenzielle Bedrohungen zu untersuchen. Am 1. April erklärte die ukrainische Armee, dass die Stadt gesichert ist. Erst dann verließen die Einwohner ihre Häuser, und Journalisten begannen, die Situation vor Ort zu untersuchen.

Nach einer eintägigen Untersuchung einschließlich Gesprächen mit Einwohnern begannen die Medien am Morgen des 2. April mit der Berichterstattung über die Funde Hunderter über das Stadtgebiet verteilter Leichen, die auf Straßen, in Kellern, Hinterhöfen und Massengräbern gefunden wurden. Die zeitliche Abfolge der Ereignisse ist somit absolut realistisch.

Der russische UN-Gesandte Wassili Nebensja behauptete am 5. April vor dem UN-Sicherheitsrat, eine Stadträtin von Butscha habe in einem Interview mit Meduza gesagt, „dass sie nicht gesehen hat, wie die russischen Streitkräfte Zivilisten exekutiert haben, und dass die ukrainischen Streitkräfte an den meisten Verstößen schuld sind“.56

Bei der zitierten Frau kann es sich nur um Katerina Ukrainzewa handeln, deren Interview mit Meduza einen Tag zuvor erschienen war. Tatsächlich bestätigte die Stadträtin, die sich bis zum 11. März in Butscha aufhielt, keine Tötungen gesehen zu haben. Sie berichtete jedoch nicht von Verstößen durch ukrainische, sondern durch russische Truppen. Sie sagte:

„Bis zum 8. oder 9. März durfte niemand nach draußen gehen. […] Es war derselbe Tag, an dem die ersten Berichte über zivile Leichen auf den Straßen auftauchten. […] Einer von ihnen war mit dem Fahrrad unterwegs gewesen, ein Paar war zusammen spazieren gegangen. Sie lagen einfach da, alle in unterschiedlichen Positionen.“57

Oft wird in den alternativen Medien kolportiert, weiße Armbinden bei einigen Opfern würden zeigen, dass es sich bei ihnen um prorussische Kollaborateure handelte, die von den ukrainischen Truppen ermordet wurden. Grundsätzlich sind solche Morde natürlich möglich. Ein weißes Armband ist jedoch kein eindeutiges Indiz für eine prorussische Gesinnung. Unzählige Bewohner von Butscha berichteten, von den russischen Truppen gezwungen worden zu sein, ein weißes Armband zu tragen. Laut der Genfer Konvention sind Zivilisten jedoch geschützt, es darf kein Zwang gegen sie ausgeübt werden. Beim Zwang zum Tragen eines weißen Armbands handelt es sich somit um ein Kriegsverbrechen.

Am 17. März fuhren der 47-jährige Ruslan Netschipurenko und sein 14-jähriger Sohn Juri mit ihren Fahrrädern ins Stadtzentrum von Butscha, um Medikamente und Lebensmittel zu besorgen. Beide trugen weiße Armbänder, um sich als Zivilisten auszuweisen. Auf ihrem Weg wurden sie von einem russischen Soldaten angehalten und beschossen, obwohl sie sich eindeutig als unbewaffnete Zivilisten zu erkennen gaben. Diese Geschichte ist nur deshalb bekannt, weil Juri Netschipurenko verletzt überlebte.58

Tatjana Nedaschkiwskij berichtete ebenfalls, dass russische Soldaten ihre Familie gezwungen hatten, weiße Armbinden zu tragen. Am 18. März entführten russische Soldaten zudem ihren Ehemann Wassilij und ihren Nachbarn, Igor Litwinenko. Offenbar hatte ein Informant den russischen Soldaten verraten, dass Igor und Wassilij vor der Ankunft der russischen Truppen geholfen hatten, Schützengräben für die Verteidiger von Butscha auszuheben. Tatjana fand die Leichen ihres Mannes und ihres Nachbarn nach dem Abzug der russischen Truppen in einem Keller, in dem beide offenbar vor ihrem Tod gefoltert wurden.59

Ähnliche Szenen spielten sich auch in weiteren ukrainischen Städten ab. Allein in Borodjanka, 60 Kilometer nordwestlich von Kyjiw, berichteten 200 Personen von willkürlichen Tötungen von Zivilisten durch russische Soldaten.60

Viele in den alternativen Medien, darunter Thomas Röper von Anti-Spiegel.ru und Florian Rötzer von Overton-Magazin.de, verweisen auf die Geschichte des tschechischen Söldners Filip Siman und behaupten, Siman habe ukrainische Kriegsverbrechen in Butscha bezeugt. Sie erwähnen, dass Siman Vergewaltigungen sah und seine Einheit als Erschießungskommando bezeichnete. Simans vollständige Aussage vor Gericht offenbart jedoch mehr Kontext, als in den alternativen Medien bisher erwähnt wurde:

„In seiner Zeugenaussage beschrieb Siman seine Zeit in der Ukraine sehr detailliert, einschließlich der Schrecken des Krieges, die er erlebte. So wurde beispielsweise auf dem Handy eines der festgenommenen russischen Soldaten ein Video gefunden, in dem sechs russische Soldaten eine Mutter zweier Kinder vergewaltigen, die gezwungen wurden, dabei zuzusehen.

Auf die Frage des Richters, ob die festgenommenen Russen erschossen wurden, antwortete Siman: ‚Ihr Schicksal war das Ergebnis des Schicksals, das sie ihren Opfern bereitet haben. […] Wir waren die Polizei, wir waren das Gericht, wir waren das Erschießungskommando, als es darauf ankam.‘ Er sagte auch, dass er mehrere Leben gerettet hat, worauf er stolz ist.“61

Siman gab zu, Wertgegenstände aus verlassenen Häusern gestohlen zu haben. Laut Zeugenaussagen soll er außerdem Leichen, die er in Butscha gefunden hatte, ihrer Wertsachen beraubt haben. Weder Siman noch andere Zeugen in seinem Prozess sprachen jedoch von Vergewaltigungen oder Morden an Zivilisten durch ukrainische Truppen oder proukrainische Söldner.

Zensurgesetze: Repressionen in Russland

Zwei Wochen nach Beginn der Großoffensive gegen die Ukraine im Februar 2022 erließ die russische Regierung drakonische Zensurgesetze, um Kritik am Vorgehen der Regierung und der Armee zu kriminalisieren, sowohl was öffentliche Demonstrationen als auch was individuelle Meinungsäußerungen betrifft. Insbesondere bekannte Regierungskritiker erhielten auf der Grundlage dieser Gesetze langjährige Haftstrafen.

Alexei Gorinow, ein Mitglied der oppositionellen russischen Solidarnost-Bewegung, wurde zu sieben Jahren in einem Straflager verurteilt, weil er den Krieg einen Krieg nannte und von getöteten Kindern berichtete. Wörtlich sagte Gorinow:

„Fast 100 Kinder sind bereits in der Ukraine gestorben, und jeden Tag werden weitere Kinder zu Waisen. […] Ich glaube, dass alle Bemühungen unserer Zivilgesellschaft ausschließlich darauf gerichtet sein sollten, den Krieg zu beenden und die russischen Truppen aus der Ukraine abzuziehen.“62

Bei der Verurteilung Gorinows berief sich das Gericht auf „aufgezeichnete Aussagen […] mit wissentlich falschen Informationen […] über die Durchführung militärischer Angriffsaktionen durch die Russische Föderation auf dem Territorium eines anderen souveränen Staates, wobei diese nicht als spezielle Militäroperation, sondern als Krieg bezeichnet wurden, […] [und] über den täglichen Tod von Kindern auf dem Territorium der Ukraine infolge der Durchführung von Militäroperationen durch die Russische Föderation“.63

Gorinow machte seine Aussage drei Wochen nach Beginn der russischen Großoffensive. Zu jener Zeit wurden laut UN-Angaben mehr als drei Kinder pro Tag getötet.64 Das bedeutet, Gorinow lag mit seinen Zahlen über durch den Krieg getötete Kinder richtig. Insofern war seine Verurteilung eine doppelte Realitätsverweigerung der russischen Justiz. Laut UN-Angaben wird Gorinow unter folterähnlichen Bedingungen inhaftiert.65

Weitere prominente Regierungskritiker wie Veronika Belotzerkowskaja, Oleg Orlow, Dmitri Iwanow, Maria Ponomarenko, Ilja Jaschin und Wladimir Kara-Mursa wurden gemäß der 2022 erlassenen Zensurgesetze zu Haftstrafen zwischen 6 und 25 Jahren verurteilt, weil sie angeblich Falschnachrichten verbreiteten oder das russische Militär diskreditierten. Zudem wurden allein im ersten Monat nach der russischen Großoffensive 15.000 russische Kriegsgegner wegen Meinungsverbrechen vorübergehend festgenommen, teilweise einfach nur dafür, dass sie „Nein zum Krieg“ sagten.66

Halbwahrheiten zu Friedensverhandlungen

Entgegen der landläufigen Meinung in den alternativen Medien war es nicht allein der britische Premierminister Boris Johnson, der 2022 ein Friedensabkommen zwischen Russland und der Ukraine verhinderte. Johnson mag solche Absichten gehabt haben, aber gescheitert ist der Friedensprozess auch an der russischen Reaktion auf das Istanbuler Kommuniqué, das die ukrainischen Vorschläge für einen sofortigen Frieden enthielt und weitgehend die bekannten russischen Forderungen erfüllte. Als Johnson wieder aus der Ukraine abgereist und die russische Armee aus dem Norden der Ukraine abgezogen war, reagierte Russland mit einer zusätzlichen Forderung. Unmittelbar vor der russischen Großoffensive im Donbas forderte Russland das Recht, im Falle eines erneuten Angriffs auf die Ukraine internationale Hilfe für die Ukraine mit einem Veto verbieten zu können.67 Diese Forderung war für die Ukraine verständlicherweise inakzeptabel, was ein Friedensabkommen effektiv verhinderte.

Als Grundlage für Friedensverhandlungen fordert Russland heute die Annexion von ukrainischen Provinzen, die aktuell nur teilweise von der russischen Armee besetzt sind, wohingegen die Ukraine einen vollständigen Abzug der russischen Armee aus der gesamten Ukraine fordert. Beide potenzielle Lösungen würde die Zahl der weiteren Todesopfer im Krieg aller Voraussicht nach minimieren, jedoch will sich keine Seite auf die Forderungen der anderen Seite einlassen. Das Recht steht dabei eindeutig auf der Seite der Ukraine, da es sich beim Krieg um eine seit 2014 andauernde russische Invasion handelt. „Die russische Regierung behauptet zwar, Opfer einer ukrainischen Aggression zu sein, doch selbst auf der letztjährigen Raisina-Konferenz im BRICS-Staat Indien erntete Russlands Außenminister Sergei Lawrow für diese Behauptung nur schallendes Gelächter.“ 68

Fazit

Gegenwärtig scheinen die Ukrainer gefangen in einem Revierkampf zwischen rivalisierenden Banden. Diese missliche Lage steht beispielhaft für den Versuch politischer Gruppierungen, allen Menschen die gleichen Präferenzen aufzuzwingen. Massenbewegungen wie der Euromaidan, die mehrheitlich von gutwilligen und politisch gemäßigten Bürgern getragen werden, können keine Abhilfe schaffen, wenn sie ihre Hoffnungen abermals auf politischen Zwang zur allgemeinen Durchsetzung von Partikularinteressen setzen und sich nicht vor Agents Provocateurs schützen. Um nicht im Konflikt der politischen Machtblöcke zerrieben oder von ihnen vereinnahmt zu werden, bedarf es echter Souveränität und Unabhängigkeit.

Ich will, dass jeder Mensch in Freiheit leben kann, ohne von einer kriminellen Bande behelligt zu werden. Deshalb decke ich Lügen und Verbrechen krimineller Regierungen auf, egal um welche Regierung es sich handelt oder welcher zwischenstaatlichen Allianz sie angehört. Ich finde es schade, dass dies für Journalisten in den alternativen Medien, die sich als regierungskritisch geben und zu Recht die Einseitigkeit der Establishmentmedien anprangern, nicht selbstverständlich ist, wenn es um Lügen und Verbrechen der russischen Regierung geht.

Endnoten

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  23. Balinskii et al., a. a. O.
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  60. Stewart, A.: „Propaganda or providence: one Ukrainian’s wild story of survival“, GlobalNews.ca, 20.06.2022, tiny.cc/fimlzz
  61. Bádal, M.: „Čecha soudí za rabování na Ukrajině. Sám si ho měl natáčet na telefon“ [dt.: „Tschechischer Mann wegen Plünderung in der Ukraine vor Gericht. Er soll es selbst mit seinem Handy gefilmt haben“], Novinky.cz, 03.07.2024, tiny.cc/nimlzz
  62. Safonova, K.: „‚Holding people liable for stating the facts‘: Condemning the Kremlin’s war against Ukraine is a criminal offense in Russia. Here’s how investigators are building their cases“, Meduza.io, 26.05.2022, t.ly/8HHZF
  63. „Приговор Горинов А.А.“ [dt.: „Urteil Gorinov A. A.“], Telegram, 11.07.2022, t.me/alexei_gorinov_2022/195
  64. „Ukraine: civilian casualty update“, UN.org, 02.05.2022, tiny.cc/ejmlzz
  65. „Russia: Pattern of enforced disappearances of imprisoned dissident voices must end, says UN expert“, UN.org, 21.12.2023; tiny.cc/jjmlzz
  66. „More than 15,000 Russians have been arrested in anti-war protests“, The Economist, 22.03.2022, archive.is/G6fMu
  67. Troianovski, A. et al.: „Ukraine-Russia Peace Is as Elusive as Ever. But in 2022 They Were Talking“, The New York Times, 15.06.2024, archive.is/b17Hs
  68.  Siehe z.B. „Lawrow blamiert sich bei Raisina-Konferenz in Indien | DW #Shorts“, YouTube.com, 04.03.2023, tinyurl.com/73dc5yte

Kommentare

Kommentar von Daniel (11. Oktober 2024, 10:43 Uhr)

Der Artikel regt zum Nachdenken an und hat mich dazu veranlasst, noch einmal zwei Interviews mit Jacques Baud herauszukramen, um sie hinsichtlich der hier gelieferten Informationen abzuklopfen. Die Frage ist tatsächlich, was zuerst war: Huhn oder Ei? Waren erst die russischen Undercover-Separatisten (s. Dugin & Co.) im Donbas, oder haben die Ukro-Faschos zuerst Stress gemacht? Dann die Sache mit der Krim - das ist schon alles sehr verstrickt.

Interview 1: t1p.de/y55rq

Interview 2: t1p.de/7bi4j

Allerdings hat mir der Artikel auch klargemacht: In den globalen Führungsebenen sind immer noch zig machiavellistische Paviane am Werkeln, die sich gegenseitig ihr "Territorium" streitig machen. Und bist du nicht willig ...

Wichtig und neu war für mich unter anderem der Fakt, was Russland im Nachgang der Friedensverhandlungen beim Istanbuler Kommuniqué forderte, wo die Ukraine ja fast sämtlichen Forderungen der Russen entsprochen hatte:

"Als Johnson wieder aus der Ukraine abgereist und die russische Armee aus dem Norden der Ukraine abgezogen war, reagierte Russland mit einer zusätzlichen Forderung. Unmittelbar vor der russischen Großoffensive im Donbas forderte Russland das Recht, im Falle eines erneuten Angriffs auf die Ukraine internationale Hilfe für die Ukraine mit einem Veto verbieten zu können."

Wie vereinbart sich das Ziel der "Entmilitarisierung und Entnazifizierung" - also quasi das Recht des Stärkeren - mit dem Recht einer Nation, ihren Weg selbst zu wählen? Wenn sich die Ukraine gen Westen orientieren will und territoriale Integrität fordert ... so what?


Kommentar von Jo (12. Oktober 2024, 15:29 Uhr)

"Wenn sich die Ukraine gen Westen orientieren will und territoriale Integrität fordert ... so what?"
Dieser Satz birgt die westlichen Sofafur...kultur in Reinform, sadistisch, aggressiv, kalt, Maschinenwesen. So what. Vlt sind die meisten Menschen auf der Erde mittlerweile so, so what? Immer nach dem Motto "mal sehen wie weit sie mich machen lassen". So what.
Mehr lohnt sich nicht dazu zu sagen. Auch nicht zum eigentlichen Artikel. Keinen Atemzug wäre es wert.
Und ja, I'm not a robot musste ich erklären um diese wenigen Zeilen zu schreiben.


Kommentar von Chris (15. Oktober 2024, 00:04 Uhr)

Russland kann doch Russland bleiben, auch wenn die Ukraine sich gen Westen orientiert. Inwiefern eine Orientierung gen Westen den Ukrainern gefällt oder nicht, ist eine innerukrainische Angelegenheit, dennoch hat Russland da mit militärischer Gewalt reingefunkt. Natürlich hat der Westen beim Maidanmassaker auch reingefunkt, was kriminell war, aber natürlich ist der russische Krieg verheerender als das Maidanmassaker und daher mehr zu verurteilen.

Unterm Strich ist festzuhalten, dass weder die Ukraine noch die NATO ihre Soldaten nach Russland geschickt haben, dennoch hat Russland seine Soldaten in die Ukraine geschickt. Später wird man im Geschichtsunterricht lernen: "Russland hat die Ukraine angegriffen und einen Teil des Landes erobert." Die vermeintlichen Gründe sind Schall und Rauch. Entscheidend ist auf dem Platz, wie es beim Fußball so schön heißt. Und auf dem Platz wurde Russland nicht angegriffen, hat sich also nicht gegen einen konkreten Angriff auf russisches Territorium verteidigt, sondern initiativ ukrainisches Territorium angegriffen, militärisch ab 2014.

Wenn man den russischen Angriff gutheißen oder rechtfertigen will, müsste man argumentieren, dass er mehr Nutzen als Schaden brachte. Man müsste argumentieren, dass ohne den Angriff noch mehr Menschen getötet worden wären und noch mehr zerstört worden wäre. Wie wahrscheinlich ist das? Letztlich ist Putins Argumentation, er musste angreifen, um mehr Schaden abzuwenden, genauso fadenscheinig wie die Argumentationen bei CoViD und CO2, wo komplett überzogene Maßnahmen mehr Schaden als Nutzen brachten, genau wie Putins Angriff auf die Ukraine.

Der Westen und die NATO werden in den alternativen Medien ständig und zurecht verurteilt, aber wo ist die Verurteilung eines Angriffskrieges, der zehntausende – wenn nicht noch mehr – Todesopfer forderte? In der Ukraine hassen die meisten Russland wegen des Krieges, dennoch will Russland noch mehr Territorium erobern und noch mehr Menschen russifizieren, die das offensichtlich nicht wollen. Was soll das?

Die Kriege gegen den Irak und Afghanistan haben alle zurecht verurteilt. Nicht weil die Regierungen dort so toll waren, im Gegenteil, das waren Tyranneien. Dennoch haben alle die Kriege gegen den Irak und gegen Afghanistan verurteilt, einfach weil Angriffskriege falsch sind. Beim Irak und in Afghanistan wussten das alle, in der Ukraine vergessen es alle. Da heißt es plötzlich "ja aber die Regierung da ist korrupt" und so weiter, als ob das einen Angriffskrieg rechtfertigen würde.