NEXUS Magazin: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/permanent-record
2013 wurde der Öffentlichkeit bekannt, was bis dahin als Verschwörungstheorie abgetan wurde: Der US-Geheimdienst NSA konnte praktisch jede Person auf der Welt vollumfänglich überwachen. Sogar die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde abgehört. Aufgedeckt wurde dieses perfide Überwachungssystem von dem US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden, der seitdem von den USA per Haftbefehl gesucht wird.
Im diesem Buch legt Snowden seine persönliche Sicht dar. Snowdens Vorliebe für Wortspiele spiegelt sich schon im Buchtitel wider: „Permanent Record“ bedeutet nicht nur dauerhafte Aufzeichnung, was beim Hintergrund des Buchs naheliegt, sondern auch die Pflicht zur persönlichen Bestleistung, wie ein Schwank aus der frustrierenden Schulzeit Snowdens enthüllt.
Die Autobiografie liest sich stellenweise wie eine Rechtfertigungsschrift für die amerikanische Gesellschaft, was an den weiten Passagen über die patriotische Gesinnung und den soldatischen Hintergrund seiner Familie deutlich wird. Strukturiert schildert der ambitionierte Computernerd seinen Werdegang aus einer glücklichen Mittelschichtfamilie im Umfeld des NSA-Hauptquartiers in Fort Meade im Ostküstenstaat Maryland. Begeistert von Technik und Computern, begreift Snowden in jungen Jahren das Internet als „alternatives Leben“ und taucht in die Hackerszene ein. Die Anschläge des 11. September wühlen den jungen Snowden dann so auf, dass er sich für den Dienst bei CIA und NSA entscheidet. Aufgrund seiner Expertise und Flexibilität steigt Snowden im Netzwerk von Geheimdiensten und privaten Firmen zügig auf. Seine Arbeitsaufträge lassen ihn nicht nur in den USA weit herumziehen, sondern führen ihn ebenso in die Schweiz und nach Japan.
Die Einblicke in den Alltag der US-Geheimdienste sind jedoch für den idealistisch gesinnten Administratoren ernüchternd, denn der Systemingenieur erkennt im Laufe der Jahre die politisch-moralische Tragweite der rechtswidrigen Überwachungsarbeit der US-Geheimdienste. Trotz eines guten Jahresgehalts und eines harmonischen Privatlebens plagen den Datenspezialisten in der geheimen Schaltzentrale auf Hawaii zunehmend Gewissensbisse. Schließlich fühlt sich Snowden den freiheitlichen Werten der US-Verfassung und vor allem seinem eigenen Gewissen stärker verpflichtet als den zynischen Machtspielen der im Hintergrund agierenden Geheimdienste.
Snowden schildert seine inneren Konflikte und die technische Überlistung des allwissenden Geheimdienstapparates auch für Laien verständlich. Er setzte viel aufs Spiel, als er die Weltöffentlichkeit über das klandestine System der Massenüberwachung durch die US-Regierung mithilfe einiger mutiger Journalisten in Hongkong in Kenntnis setzte. Denn mit den Veröffentlichungen begann für den Whistleblower eine Odyssee, die wegen der Angst westlicher Demokratien vor den Repressionen der USA erst in Russland ein vorläufiges Ende fand. Sein Alltagsleben im Exil in Moskau und vor allem seine persönlichen Erfahrungen mit Russland werden leider nicht näher thematisiert. Über seine Zukunftspläne lässt Snowden seine Leser völlig im Unklaren. Ob die Datensicherheit im Internet wirklich besser geworden ist, wie Snowden behauptet, bleibt fragwürdig. Die Kontrolle persönlicher Daten durch Staaten und globale Unternehmen wird sicherlich auch in den nächsten Jahren nicht abnehmen.
Edward Snowden
S. Fischer
432 Seiten
ISBN: 978-3-103974-82-9
€ 22,-