NEXUS Magazin: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/pandemie-durch-panspermie-leben-evolution-und-krankheiten-aus-dem-weltall


Pandemie durch Panspermie? Leben, Evolution und Krankheiten aus dem Weltall

panspermUnsere menschliche Abstammungslinie reicht mindestens drei Millionen Jahre oder etwas mehr als 100.000 Generationen zurück. In der ungeheuer langen Geschichte des Universums ist dies nur ein Wimpernschlag. Zu dieser Zeit verdoppelte sich die Schädelgröße unserer Primatenvorfahren, was zur Entstehung des Homo sapiens führte. Alle Fortschritte der Zivilisation, der Kunst, Technologie und Wissenschaft geschahen in diesem kurzen Zeitraum. Davor hatte sich das Leben auf der Erde mindestens vier Milliarden Jahre lang zu großer Komplexität, Vielfalt und Differenziertheit entwickelt.


„Anzunehmen, die Erde sei der einzig bewohnte Himmelskörper im All, ist so absurd wie der Gedanke, dass auf einem mit Weizen besäten Feld nur ein einziges Saatkorn aufgeht.“

Metrodoros von Chios (400 v. Chr.)

Die Menschheit hat die uralte Frage, wie wir Menschen und überhaupt alle Lebensformen entstanden sind, auf viele Arten zu beantworten versucht – über den Aberglauben, Religion und Philosophie bis hin zur Wissenschaft. Die viele Jahrhunderte lang einfluss­reichste Theorie über den Ursprung des Lebens ist die von der Spontanzeugung – die Vorstellung, dass Leben unter „günstigen“ Bedingungen relativ einfach spontan aus unbelebter anorganischer Materie entsteht. Diese Theorie geht auf den griechischen Philosophen Aristoteles im 3. Jahrhundert v. Chr. zurück, der dafür viele Beispiele anführte, die er fälschlich für Beweise hielt. Das anschaulichste und berühmteste war die Geschichte von den „Glühwürmchen, die aus einer Mischung aus warmer Erde und Morgentau“ hervorgehen. In der einen oder anderen Form hat sich dieser Grundgedanke sehr lange gehalten – bis ins 20. Jahrhundert und sogar in die Gegenwart.

Die moderne Version dieser alten aristotelischen Idee ist das Konzept der Abiogenese oder chemischen Evolution, das in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts von J. B. S. Haldane, Aleksandr Oparin und Stanley Miller in eine wissenschaftliche Form gebracht wurde.1–3 Das berühmte Experiment von Stanley Miller und Harold Urey,3 in dem die beiden Forscher aus einer Mixtur anorganischer Verbindungen Aminosäuren und andere monomere Bausteine der Biologe synthetisierten, galt ab Mitte der 1950er-Jahre als Triumph der Abiogenese-Theorie. Doch mit der Produktion solcher organischen Moleküle im Labor – egal, mit welchen Mitteln man sie nun erreichte –, war man noch weit davon entfernt, auf künstliche Weise Leben zu erzeugen.

Die Unwahrscheinlichkeit der Entstehung von Leben

Das Funktionieren eines lebenden Systems hängt von Abertausenden chemischer Reaktionen zwischen den organischen Molekülen ab, die innerhalb einer membrangebundenen zellulären Struktur ablaufen. Solche Reaktionen, die in Stoffwechselwegen gruppiert sind, können chemische Energie aus dem umgebenden Medium in einer Reihe sehr kleiner Schritte nutzbar machen. Sie transportieren kleine Moleküle in Zellen, bauen diverse Arten von Biopolymeren auf und stellen schließlich Kopien von sich selbst her, wobei sie auch über die Fähigkeit verfügen, sich unter geeigneten Bedingungen weiterzuentwickeln. Enzymbatterien, die aus Ketten von Aminosäuren in hoch konservierten Umgebungen bestehen, spielen hier eine bedeutende Rolle als Katalysatoren, die die Geschwindigkeit chemischer Reaktionen präzise steuern. Ohne Enzyme wäre Leben nicht möglich; die Detailgenauigkeit sowie die gespeicherten Informationen, die sich in der Anordnung der Aminosäuren in Enzymen widerspiegeln, sind zentrale Voraussetzungen für die Existenz von Leben.

Seit dem 20. Jahrhundert sind die wichtigsten Stoffwechselwege in der Biologie – zum Beispiel der Kohlenstoffzyklus in Pflanzen – bekannt. Doch selbst wenn wir alle Stoffwechselwege entdeckt hätten, kämen wir dadurch dem Verständnis der Prozesse, durch die selbst einfachste Lebensformen entstehen konnten, keinen Schritt näher. In den vergangenen Jahrzehnten hat man verschiedene Orte auf der Erde untersucht, an denen das Leben entstanden sein könnte: von Tiefsee-Hydrothermalquellen bis zu Urmeeren. Meiner Meinung nach ist es jedoch sehr unwahrscheinlich, dass Leben an diesen Orten entstanden ist.

In der heutigen Biologie gilt die in Enzymen enthaltene Information – die Anordnung von gefalteten Aminosäure­ketten – als entscheidend für das Leben. Diese Information wird über die kodierte Anordnung der Nukleotide in der DNA übertragen. In einer hypo­thetischen RNA-Welt, die der DNA vorangegangen ist, oder in einer Protenoidenwelt, wie sie in manchen Lebensentstehungsmodellen beschrieben wird, könnte die RNA eine Doppelrolle als Enzym und genetischer Informationsüberträger gespielt haben. Betrachtet man einige wenige Ribozyme als Vorläufer allen Lebens, so ließe sich die Wahrscheinlichkeit errechnen, mit der ein einfaches, aus etwa 300 Basen bestehendes Ribozym spontan entstehen könnte. Diese Wahrscheinlichkeit beträgt 1 : 4300 oder 1 : 10180 – allein diese Zahl beschreibt ein Ereignis, das selbst in der 13,8 Milliarden Jahre währenden Geschichte des Universums kaum ein einziges Mal vorkommen dürfte. Eine ähnliche Berechnung für die Anordnung der Aminosäuren in einer minimalen Menge bakterieller Enzyme ergibt eine noch absurdere Wahrscheinlichkeit von ~ 1 : 105000 bei plausiblen Annahmen.4

Davon ausgehend drängt sich der Schluss auf, dass die Entstehung der erstenevolutionsfähigenzellulären Lebensform ein einmaliges Ereignis im Kosmos gewesen sein muss. Sollte dies tatsächlich auf der Erde passiert sein, muss man es als nahezu wundersames Ereignis ansehen, das sich nirgendwo sonst, geschweige denn in einer Laborsimulation auf der Erde, wiederholen ließe. Will man jedoch eine Unwahrscheinlichkeit der erwähnten Größenordnung überwinden und seine Chancen verbessern, dann liegt es auf der Hand, dass man sich an das größte verfügbare System hält – das Universum als Ganzes.

Den vollständigen Artikel können Sie in NEXUS 94 lesen. Die Ausgabe können Sie hier erwerben.