NEXUS Magazin: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/mobilfunkzwang-im-mehrfamilienhaus-bemerkungen-zu-6-des-kommenden-gebaeudeenergie-gesetzes
Am Donnerstag, den 18. Juni 2020, finden im Bundestag die 2. und 3. Lesung zum Gebäudeenergie-Gesetz (GEG) statt. Im Zuge der Umsetzung einer EU-Empfehlung sollen darin Fernablesung für Wasser, Gas und Heizwärme in Mehrfamilienhäusern sowie Mietwohnungen und damit zumindest indirekt wohnungsinterner Mobilfunk vorgeschrieben werden. Wenn Sie etwas gegen den schleichenden Funkzwang tun wollen, wird die Zeit knapp – hier haben Sie ein paar Argumente für Ihre Abgeordneten.
Anm. d. Red.: Dies ist eine vom Autor leicht redigierte Fassung des in Heft 89 erschienenen Artikels.
Die Coronakrise verzögert aktuell die Verabschiedung eines neuen Gesetzes im Bundestag und Bundesrat, dessen 2. Lesung ansteht und dem manche besorgt entgegensehen. Es geht um das Gebäudeenergie-Gesetz (GEG), spezieller um § 6 des Gesetzesentwurfs, den im Herbst 2019 das Bundeskabinett als Referentenentwurf beschlossen hatte.1 Hier werden im Zuge nationaler Umsetzung der Empfehlungen einer EU-Richtlinie von 2018 Fernablesung und damit indirekt Mobilfunktechnologie bei Wärmeverbrauchszählern zwecks verbrauchsabhängiger Abrechnung in Mehrfamilienhäusern und Mietwohnungen vorgeschrieben. Betroffen sein werden Messeinrichtungen für Wasser, Gas und Heizwärmeverteiler. Die so „praktischen“ Vorgaben bedeuten für viele eine unerwünschte Strahlenbelastung in ihrem Haushalt.
Man halte sich vor Augen, dass die Weltgesundheitsorganisation WHO schon 2011 Mobilfunkstrahlung als „möglicherweise krebserregend“ eingestuft hat.2 In den letzten Jahren forderten zudem hoch angesehene amerikanische Wissenschaftler von der WHO sogar eine Höherstufung jener Warnung.3 Angesichts dessen überrascht die Dreistigkeit, mit der jetzt per Gesetz im Grunde (entsprechend der diesbezüglichen EU-Richtlinie von 2018) Mobilfunktechnologie in Privatwohnungen hineingezwungen werden soll. Denn für die Kommunikation von Verbrauchsdaten eine bestimmte Technologie gesetzlich vorzuschreiben – das ist eine neue Dimension!
Selbst das deutsche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) hat gewarnt:
„Personen in der Nähe von drahtlos kommunizierenden Smart Metern sind den elektromagnetischen Feldern der Geräte ausgesetzt und absorbieren einen Teil der ausgesendetenStrahlungsleistung.“ 4
Besänftigend heißt es weiter, funkende Zähler bzw. Messsysteme seien ja in der Regel im Keller installiert, und mit dem „Abstand zum Sender nehmen die Feldstärken schnell ab“. Dies jedoch trifft bei manchen elektrohochsensiblen Menschen nicht zu, die vor der Strahlung zum Schlafen just in ihre Keller geflohen sind, weil dort die Belastung am niedrigsten ist. Mit Blick aufs GEG trifft nun die BfS-Besänftigung in keinster Weise mehr zu, weil die Funkzähler sich ja zum Gutteil in den Wohn- und Schlafzimmern befinden. Mobilfunk wird so auf geschickte Weise zwar nicht ausdrücklich, aber doch indirekt als standardmäßige Technologie für die geforderte „Interoperabilität“ in die privatesten Winkel von Mehrfamilienhäusern und Mietwohnungen hineingezwungen. In einer Zweizimmerwohnung beispielsweise kämen meist vier Wasserzähler zum Funkeinsatz, im Keller obendrein Hauskaltwasser-Zähler sowie smarte Stromzähler.5
Besonders betroffen wird die Minderheit Elektrohochsensibler sein. Selbst niedrigere Dosen können mitunter von ihnen gleichsam „allergisch“ gespürt werden. Die oft zu hörende, auch behördlich gängige Meinung, es handele sich bei ihren Empfindungen und Ängsten um rein psychische Störungen, lässt sich nicht pauschalisieren: Sie übergeht Befunde und Erklärungsmodelle, denen zufolge Mobilfunkstrahlung nicht nur Wärmewirkungen, sondern auch biologische Effekte zeitigen kann. Hierüber informieren näher die Verbraucherorganisation Diagnose:Funk sowie die Broschüre „Elektrohypersensibilität“ der Kompetenzinitiative e. V.6 Mit Blick auf angemessenen Daten- und Strahlenschutz im privaten Wohnraum forderte der Münchener Verein für Elektrosensible und Mobilfunkgeschädigte e. V. in einer Presseerklärung vom 28. Februar 2020 ein voraussetzungsloses Widerspruchsrecht gegen funkende Zähler. Man bedenke: Nachdem viele Betroffene durch technische Abschirmmaßnahmen ihr Leiden unter der Strahlung einigermaßen erträglich machen konnten, wären engmaschig erfolgende Funkimpulse innerhalb der teuren Schirmung absolut kontraproduktiv, da es dann zu unerwünschten, die Strahlung verstärkenden Reflexionen käme.
Der Umweltmediziner Joachim Mutter berichtet, dass manche seiner Patienten nach dem Einbau neuer Heizungsmesszähler auf Funkbasis vielerlei Beschwerden und Krankheiten erworben hatten, und zwar auch, wenn sie gar nicht wussten, dass neue Strahlungsquellen installiert worden waren. Es habe sich um das breite „Spektrum des Mikrowellensyndroms“ gehandelt (Schlaflosigkeit, Kopf- und Körperschmerzen, Herzpalpitation, Blutdruckkrisen, Schwindel, Müdigkeit, Gedächtnisschwäche, Augenbrennen, Hautbrennen, Tinnitus, Depressionen). Die Beschwerden hätten sich erst gebessert, nachdem die elektronischen Wärmezähler gegen die alten Messröhrchen an den Heizkörpern ausgetauscht wurden.7
Als die Deutsche Allgemeine Krankenkasse (DAK) vor drei Jahren eine hochgradige Zunahme von Schlafstörungen bekannt machte, erörterte sie unter möglichen Ursachen nicht den Faktor Funk. Doch alsbald mahnte das Fachkrankenhaus Kloster Grafschaft in Schmallenberg, Handys im Schlafzimmer würden zunehmend zum Problem. Der Chefarzt im dortigen Schlaflabor riet ausdrücklich, Handys und Laptops aus dem Schlafzimmer zu verbannen. Warum aber ging sonst niemand daran, die dramatische Zunahme von Schlafstörungen mit der Zunahme an Strahlenbelastung durch Funk in Verbindung zu bringen und eine neutrale wissenschaftliche Überprüfung zu fordern? Warum finden Umweltärzte die elektronische Vernetzung von Küche, Wohn- und Schlafzimmer im sogenannten Smarthome oft gar nicht gut? Wohin führt die vermehrte Installation von Funkrauchmeldern in Schlafräumen, die in relativ kurzen Abständen – etwa zweiminütlich – im Stand-by senden? Und was ist demgemäß vom GEG zu halten?
Zudem fragt sich, inwieweit das neue Gesetz der Europäischen Datenschutz-Grundverordnung gerecht wird, die doch auf Datensparsamkeit zielt statt auf Datenmultiplikation. Die Juristin Margit Krug macht in ihrer druckfrischen Broschüre „Lauschangriff durch smarte Zähler“ (pad Verlag, 2020) eindringlich auf diese Problematik aufmerksam.
Funkmesstechnik in der Wohnungswirtschaft direkt oder indirekt zur gesetzlichen Pflicht zu erheben, verdient aus all den genannten Gründen scharfen Protest. Wenn die Befürchtungen von Umweltärzten zutreffen, könnte unter anderem eine Schwächung des Immunsystems in breiten Bevölkerungsschichten die bittere und letztlich auch teure Folge sein. Der gern angeführte Vorwand, dass fernablesbare Funktechnik nötig sei, um Energieeinsparungen zu ermöglichen, ist ohnehin zweifelhaft und geht völlig am Schädigungspotenzial der Strahlung für Mensch und Klima 8 vorbei.
Problembewusste Kunden werden sich umsehen nach Firmen, die erzwungenen Funk möglichst wenig einsetzen. Halbwegs zumutbar dürften insofern die Zähler der Firma Hecon Abrechnungssysteme GmbH (Rottenburg) sein: Hier wird laut erbetener Auskunft nur von 8 bis 18 Uhr etwa alle 112 Sekunden ein Funktelegramm gesendet. Empfehlenswerter dürfte die Firma ista (München) sein: Nach eigenem Bekunden erfolgt bei ihrem System „symphonic 3“ die Funkkommunikation mit sehr geringer Sendeleistung bidirektional, also per Abruf – und zwar lediglich alle 14 Tage; in der Zwischenzeit findet keinerlei Funkaktivität statt. Wie weit den betreffenden Firmenaussagen Glauben geschenkt werden kann, bliebe noch technisch zu überprüfen (insbesondere beim Stand-by-Betrieb). Aber selbst wenn alles wie geschildert zuträfe, käme es aller Wahrscheinlichkeit nach zu Verletzungen des Datenschutzes, insofern die Daten im elektronischen Messgerät vom nicht abstellbaren Datenlogger stetig erhoben und gespeichert und dann eben später gefunkt werden, sodass ein gewisses Profiling allemal ermöglicht wird. Und es gibt keinerlei Garantie, dass der jetzige Stand mit möglicherweise weniger Funksignalen so bleibt: Alles kann bei vorgeschriebener Interoperabilität aus der Ferne neu konfiguriert und auf ständigen Funk umprogrammiert werden. Auch aufgrund von technischen Weiterentwicklungen oder neuen gesetzlichen Vorschriften könnte es zu solchen Änderungen kommen. Alle Wohnungszähler würden plangemäß an Smartmeter-Gateways im Haus oder auch außerhalb des Hauses angeschlossen werden, die selber eine pausenlose Funkverbindung erfordern. Die Überwachungsmentalität in Politik und Wirtschaft würde jedenfalls auf der Basis der GEG-Vorlage ebenso gefördert wie die Rücksichtslosigkeit gegenüber der Minderheit elektrohochsensibler Mitbürgerinnen und Mitbürger.