NEXUS Magazin: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/kampf-der-narrative-atomkraft-und-neue-reaktorkonzepte
Erneut steigen die NEXUS-Autoren in den Ring, das nächste narrative Duell steht an. Diesmal haben sie sich mit der Atomkraft ein extra heißes Eisen gesucht. Eine gute Idee verdiene eine zweite Chance, meint unsere Pro-Stimme, denn Kernkraft sei die Basis der künftigen Energieversorgung. Entschiedener Einspruch der Contra-Stimme: Sichere Kernspaltung sei ein falscher, todgeweihter Weg, woran auch auf neu getrimmte Reaktorkonzepte nichts änderten.
In seinem 1,5°-Bericht schreibt der UN-Klimarat IPCC, die globale Atomstromproduktion müsse bis 2030 um rund 60 Prozent steigen, damit das gesteckte Klimaziel eingehalten werden könne.1 Das größte Hindernis auf diesem Weg: Die Kernkraft hat ein Imageproblem. Tschernobyl, Castor-Transporte und Fukushima haben sich als Sinnbild für Nuklearkatastrophen und ewig strahlenden Müll ins öffentliche Bewusstsein gebrannt. Doch diese Probleme sind längst gelöst – man muss die neuen Konzepte nur umsetzen.
Reaktortypen werden in Generationen klassifiziert. Generation I bezeichnet die frühen, oft experimentellen Reaktoren der 1950er-Jahre. Die ersten kommerziellen Reaktoren der Generation II wurden von 1965 bis 1995 für die Stromerzeugung gebaut und anschließend von den verbesserten Leichtwasserreaktoren der Generationen III und III+ abgelöst. Ab ca. 2030 soll Generation IV ans Netz gehen. Diese Reaktoren werden die Vorteile der Generation III+ mithilfe neuer technischer Möglichkeiten und Ideen ausbauen, um mehr Nachhaltigkeit, eine höhere Wirtschaftlichkeit und mehr Sicherheit zu gewährleisten.2
Die multinationale Forschungsorganisation Generation IV International Forum (GIF)3 stellte Ende 2002 in ihrer „Technology Roadmap“4 sechs Reaktortypen vor, mit denen sie die Kernenergie rehabilitieren will. Die Konstrukteure dieser Reaktoren setzen auf ein Schutzsystem, das inhärente oder passive Sicherheit genannt wird: Bei Störfällen regulieren sich die Reaktoren selbst oder schalten sich ab. Dahinter stecken physikalische Mechanismen, die kein menschliches Eingreifen erfordern.
Beim Flüssigsalzreaktor etwa findet die Kernreaktion nicht in Brennstäben statt, sondern in einem Salzfluid. Am Reaktorbehälter liegt ein Ablassrohr an, das an einer Stelle künstlich gekühlt wird. Dort erstarrt das Fluid und bildet einen natürlichen Pfropfen. Fällt die Kühlung infolge eines Störfalls aus, schmilzt der Pfropfen – und die Flüssigkeit läuft mitsamt dem radioaktiven Material in ein weites Becken ab, wo sie rasch auskühlt und keine weitere Reaktion mehr stattfinden kann. Eine Kernschmelze ist damit unmöglich.5
Ein weiterer Vorteil der neuen Reaktortypen ist ihre Nachhaltigkeit: Bei vielen Entwürfen handelt es sich um Brutreaktoren, die bei optimaler Konstruktion mehr Spaltstoff erzeugen als sie verbrauchen, indem sie unter Einsatz von schnellen Elektronen nicht nur Energie aus dem Spaltmaterial gewinnen, sondern zusätzlich nicht-spaltbare Nuklide in spaltbare umwandeln, die dann erneut als Brennstoff dienen.6
Die Flexibilität der neuen AKW-Konzepte macht auch ein Atommüll-Recycling möglich. Ja, richtig gelesen: Einige Reaktoren sollen Energie aus Atommüll gewinnen. Das ausgebrannte Material, das am Ende der Verwertungskette übrigbleibt, strahlt zwar noch, weist aber eine um mehrere Größenordnungen geringere Halbwertszeit auf. Nur rund 300 Jahre sind für die Endlagerung nötig – das macht das Auffinden einer geeigneten Lagerstätte einfacher und die Risiken überschaubarer. Die rund 300.000 Tonnen heute vorhandenen Atommülls könnten mithilfe der neuen Kraftwerke bedeutend unschädlicher gemacht und in kostengünstigen Strom verwandelt werden.7 Und was sonst sollten wir damit anstellen – vergraben, hoffen, dass alles glimpflich abläuft und den Rest kommenden Generationen überlassen? Auch bei den schärfsten Atomkraftgegnern sucht man vergebens nach Lösungen für dieses Problem.
In einigen Generation-IV-Reaktoren ist das radioaktive Thorium als Brennstoff vorgesehen. Thorium kommt dreimal häufiger im Boden vor als das herkömmliche Uran-253, setzt mehr Energie frei – eine Tonne Thorium entspricht 35 bis 200 Tonnen Uran oder vier Millionen (!) Tonnen Kohle –, kann besser recycelt werden und ist nicht waffenfähig. Würde man Uran konsequent durch Thorium ersetzen, fielen nur rund 0,6 Prozent des aktuellen Atommüllvolumens an – wieder mit einer deutlich verringerten Halbwertszeit von rund 300 Jahren.8,9 Manche Generation-IV-Reaktoren laufen auch mit Uran-238, dem am häufigsten natürlich vorkommenden Uran-Isotop, das zwar rund 99 Prozent der natürlichen Uranvorkommen ausmacht, in herkömmlichen Reaktoren aber nicht verwertet werden kann.10
Der Dual-Fluid-Reaktor (DFR) des privaten Berliner Instituts für Festkörper-Kernphysik (IFK) soll die Vorteile verschiedener Reaktortypen der Generation IV miteinander vereinen: Herzstück des DFR sind zwei ineinandergreifende Fluidkreisläufe. In einem zirkuliert der Brennstoff in einer Salz- oder Metalllösung, im anderen Blei als Kühlmittel. Für die inhärente Sicherheit sorgt, wie beim Flüssigsalzreaktor, ein Schmelzpfropfen. Durch den Einsatz schneller Elektronen ist der DFR imstande, Atommüll, Thorium, Natururan und sogar waffenfähiges Plutonium abzubrennen.11,12 Der DFR wurde im Jahr 2013 für den Berliner GreenTec-Award nominiert – um dann wegen Vorbehalten rückwirkend ausgeschlossen zu werden. Das IFK ließ es auf einen Rechtsstreit ankommen; ein Urteil wurde wegen der Beendigung des Wettbewerbs nicht mehr gefällt, wäre laut Gericht aber zugunsten des IFK ausgegangen.13,14,15 Der Skandal machte abermals deutlich, wie sehr die neue Kernenergie trotz guter Argumente unter ihrer Stigmatisierung leidet.
Ein weiterer wichtiger Aspekt: Kernkraft gewährleistet die Stabilität und durchgehende Versorgung der Stromnetze. Schon heute wird in Deutschland Atomstrom aus Nachbarländern zugekauft, weil mit den Regenerativen allein eine zuverlässige Netzstabilität nicht zu schaffen ist – besonders in Krisenzeiten. Ein aktuelles Beispiel aus Schweden: Mitte März schaltete der Energiekonzern Vattenfall das AKW Ringhals I aufgrund der rapide sinkenden Stromnachfrage ab. In der Folge erfuhr das Stromnetz immer wieder empfindliche Spannungsschwankungen, wenn trotz geringem Verbrauch viel Windstrom eingespeist wurde. Obwohl die Windkraft in Schweden nur rund zwölf Prozent im Energiemix ausmacht, sah sich der schwedische Netzbetreiber Svenska Kraftnät gezwungen, Vattenfall satte 30 Millionen Euro Entschädigung zu zahlen, um das AKW Ende Juni wieder hochzufahren und für mindestens zweieinhalb Monate in Betrieb zu halten.16,17
Sogar eine dezentrale Energieversorgung mit Generation-IV-Kraftwerken ist denkbar: Small Modular Reactors (SMRs) sind kleine Modularreaktoren, die in Fabriken hergestellt und per LKW an den gewünschten Standort verfrachtet werden können. Der große Pluspunkt dieser Technik ist ihre Flexibilität – im Falle von Störungen im Netz können die Reaktoren schnell zu- und abgeschaltet werden. Selbst SMRs der Generation III+ wären im Falle eines Strahlungsaustritts weit besser zu handhaben als Großkraftwerke: Die Gefahrenzone ist auf einen kleinen Radius beschränkt und löst keine nationale Katastrophe aus, wie es bei herkömmlichen AKW der Fall wäre.18
Bei aller Kritik an der Kernkraft fällt eine wichtige Frage regelmäßig unter den Tisch: Wie gefährlich ist Atomenergie überhaupt? Der AKW-Pionier Galen Winsor behauptete, die geltenden Grenzwerte und Sicherheitsmaßnahmen wären in der Frühzeit der Nuklearforschung nicht nur aus Übervorsichtigkeit gesetzt worden, sondern auch, um das Geschäft mit der Kernkraft lukrativ und kontrollierbar zu machen. Als Beleg für die relative Ungefährlichkeit der Atomenergie schwamm Winsor in Abklingbecken und aß vor Publikum regelmäßig kleine Mengen radioaktiven Urans.19 Bis heute ist die Forschung uneins über die Gefahren gering strahlenden Materials: Das sogenannte LNT-Modell, laut dem sich von den negativen Effekten hoher Strahlungsdosen linear auf niedrigere schließen lässt, ist umstritten. Vielmehr könnten geringe Strahlungsdosen nach der Theorie der Strahlenhormesis sogar positiv auf die Gesundheit wirken.20
Zuletzt lohnt ein Blick auf neue Ansätze zum Atommüll-Recycling, die ohne Reaktoren auskommen: Einige Forscher sind überzeugt, radioaktive Strahlung mithilfe von Stoffen wie z.B. Browns Gas oder durch Resonanzphänomene unschädlich zu machen. Dahinter steckt die Idee der Transmutation von Elementen – also instabile, strahlende Elemente in einen stabilen, nicht-strahlenden Zustand zu überführen oder Zerfallsprozesse derart zu beschleunigen, dass sie statt Jahrhunderttausenden nur Jahre, Tage oder gar Stunden brauchen.21,22 Auch hier fehlt es an Bereitschaft und Mut, die Konzepte zu erproben und umzusetzen. Wären sie erst einmal etabliert und ausgereift, hätte man dem größten Problem der Atomkraft den Nährboden entzogen.
Die Kritik an der Kernenergie ist lange Zeit berechtigt gewesen – doch im Angesicht der vielen neuen technischen Entwicklungen hat sich die Atomkraft vom Saulus zum Paulus entwickelt, vom Sorgenkind zum Hoffnungsträger. Vor uns liegt eine Technik, mit der wir radioaktive Abfälle recyclen können, günstigen Strom erzeugen und die klimaschädlichen Emissionen aus dem Energiesektor massiv eindämmen. Wollen wir eine Industriekultur bleiben, dann ist die neue Atomenergie der realistischste Weg in eine klimagerechte und versorgungssichere Zukunft.
Gegenthese: Contra Atomkraft: Kernspaltung ist ein falscher, todgeweihter Weg – daran ändern
auch auf neu getrimmte Reaktorkonzepte nichts
Wo würden Sie lieber wohnen: Neben einem Solarfeld, einem Windpark oder in der Nähe eines Atommeilers? Vielleicht sogar neben dem neuen Atommüll-Endlager, nach dem Deutschland gerade händeringend sucht? Naaa? Falls Sie nicht Launen der Natur sind wie Galen Winsor und gerne mal ein Uranwässerchen trinken, können Sie sich ruhig auf Ihren Instinkt verlassen. Denn das Image der Atomkraft ist zu Recht im Eimer: Reaktorsicherheit, Waffenfähigkeit, Endlagerproblem und Erbgutveränderungen bis hin zum Strahlentod – all das ist so gut dokumentiert, dass man sich die Augen schon zukleben muss, um es nicht zu sehen.1 Aber da es den Atomkraftgegnern an Nachwuchs mangelt, weil der lieber gegen CO2 demonstriert, kauen wir es besser nochmal durch.
Atomkraft soll also klimaneutral sein? Vorsicht! Mit dem Argument geht die Atomindustrie seit 30 Jahren auf Rattenfang. Klar, im Betrieb vielleicht. Aber was ist mit der vorgelagerten Prozesskette – dem Abbau und der Verarbeitung von Uranerz, der Anreicherung, der Herstellung der Brennelemente? Was mit dem Bau von Atomkraftwerken? Das Öko-Institut in Darmstadt hat es nachgerechnet: Kernkraft schlägt zwar die fossilen Energieträger wie Kohle und Erdgas um Längen; Wind, Wasser und Biogas stehen aber klar besser da.2 Und wenn wir wirklich rasch den CO2-Ausstoß reduzieren wollen, dann wohl nicht mit AKW, die frühestens (!) in 10 Jahren ans Netz gehen können … was übrigens purer Industrieoptimismus ist.
Teuer, tollkühn, tödlich – daran hat sich auch bei der projektierten AKW-Generation nichts geändert. Wenn die Kraftwerke so sicher und günstig werden wie die der Generation III, dann gute Nacht. Nehmen wir nur den Europäischen Druckwasserreaktor EPR, der in zwei Projekten im finnischen Olkiluoto 2005 und französischen Flamanville 2007 mit den üblichen Heilsversprechen aus der Taufe gehoben wurde. Beide Projekte sollten längst laufen, aber … BER, ick hör dir trappsen: über Jahre verschobene Fertigstellungstermine, grobe Sicherheitsmängel und verdreifachte Kosten im Milliardenbereich.3 Mehr als Steuermilliarden verschlungen haben auch die AKW der Generation IV noch nicht – keines der ambitionierten Projekte hat schon seine Lauffähigkeit bewiesen. Es gibt nur Laborversuche, Designkonzepte und großspurige Bekundungen.4 Alles Papiergespinste, und viele nur aus der Schublade geholt und aufpoliert.
Die Idee für Flüssigsalzreaktoren (engl.: molten salt reactor, MSR) etwa stammt aus den 1950er-Jahren; ein damals in den USA laufender Prototyp wurde nach zwei Jahren stillgelegt und das Konzept ad acta gelegt. Nein, nicht wegen der Kernschmelzproblematik – wegen Korrosionsproblemen durch das verwendete Salz. Und – wer hätte es gedacht – durch die vielen Spaltprodukte entstanden große Mengen radioaktiven Tritiums, das schwer abzuschirmen war und in die Umgebung entwich. Die erhöhte Tritiumabstrahlung ist auch in modernen MSR-Varianten wie dem LFTR (liquid fluoride thorium reactor, sprich: Lifter) ein Problem. Und lange nicht das einzige: Spaltprodukte, die in der Salzschmelze weniger löslich sind, lagern sich an Oberflächen ab, was zu stärker verstrahlten Bauteilen führt und die Wartung erschwert; es gibt aufgrund des völlig eigenen Störfallspektrums keine moderne Sicherheitsbewertung – und beim Thorium, das übrigens nicht nur im Betrieb von Flüssigsalzreaktoren verwendet werden soll, hat man offenbar eine Kleinigkeit vergessen:5
Der neue Stern am Reaktorhimmel soll das knapp werdende Uran ersetzen und mag tatsächlich Vorteile gegenüber dem Strahlus quo haben6… aber, nun ja: „Wer auf Thorium setzt, kann gleich Atombomben verteilen“, sagt Thomas Partmann vom Karlsruher Bündnis gegen neue Generationen von Atomreaktoren.7 Stichwort: Proliferationsgefahr. Mit 1,6 Tonnen Thorium können innerhalb eines Jahres 8 Kilogramm waffenfähiges Uran-233 hergestellt werden, und zwar ohne dass die Internationale Atomenergie-Organisation IAEO etwas davon mitbekommt, warnen die Autoren eines Artikels in Nature.8 Grund zur berechtigten Sorge sind die in vielen MSR-Konzepten vorgesehenen integrierten Wiederaufarbeitungsanlagen (WAA), aus denen man über einen längeren Zeitraum insgeheim Protactinium-233 abzweigen könnte – das zu hochreinem und optimal waffenfähigen Uran-233 zerfällt.9 All das geht in kleinen Anlagen und mit leicht erwerbbarer Infrastruktur. Wer nicht jedem Möchtegerndiktator oder Terroristen die Möglichkeit zur Kernwaffenproduktion frei Haus liefern will, sollte nicht nur, ermussdie Verbreitung des Thoriumkreislaufs verhindern.
Noch mehr gefällig? Gerne doch. Obwohl man über Dual-Fluid-Reaktor (DFR) und die modularen Kleinreaktoren (SMR) nicht viele Worte verlieren muss: Den Verheißungen fehlt es schlicht an Substanz. Der DFR und seine WAA sind nichts mehr als eine technische Skizze, die Sicherheitsnachweise des Konzepts fehlen genauso wie ein Prototyp. Auch die Transmutation von Atommüll ist bisher imaginär – und selbst hier kann schon gesagt werden, dass immer noch besonders langlebige Spaltprodukte oder eingeschmolzene, hochradioaktive Bestandteile übrigbleiben – kein Ende also für Endlager.10 Die SMR wiederum wollen bekannte Atomtechniken transportabel anbieten und durch geringe Größe trumpfen. Kleiner bedeutet zwangsläufig, dass Abstriche im Sicherheitssystem und beim Strahlenschutz in Kauf genommen werden müssen – die bekannten Probleme ihrer großen Brüder, die sie kopieren, kommen obendrauf. Außerdem können sich Terroristen die Hände reiben: Weiter verbreitete und schwerer schützbare Kernanlagen sind genau das, was wir in der aufgeheizten Weltsituation brauchen.
Um es mit einer groß angelegten Studie zu neuen Reaktorkonzepten zusammenzufassen: Einzelne Reaktorkonzepte mögen in Teilbereichen tatsächlich die in die Jahre gekommenen Atommeiler ausstechen. Aber:
„Kein Konzept ist […] in der Lage, gleichzeitig in allen Bereichen Fortschritte zu erzielen […], so dass Fortschritte in einem Bereich zu Nachteilen bei anderen Bereichen führen.“11
Nun kann man natürlich sagen: Wir können alles schaffen, wenn wir nur wollen. Klaro. Aber zu welchem Preis? Dass der höllisch ist und wir hier Zauberlehrling spielen, sollte sich nach Hiroshima, mehr als 2.100 Kernwaffentests und Kernschmelzen ins kollektive Unterbewusste gebrannt haben. Es wird Zeit, aus den Kinderschuhen zu schlüpfen, das Zündeln bleiben zu lassen und der Wahrheit ins Auge zu blicken: Stoffe, die Leben zerstrahlen, gehören dahin, wo die Natur sie einsetzt – in die Tiefen der Erde. Der Künstler, Philosoph und als Universalgenie bekannte Walter Russell, der eine komplette Kosmogenie ablieferte und in einem eigenen Periodensystem die Entdeckung diverser radioaktiver Elemente voraussagte, sah es noch krasser: Er warnte schon Ende der 1950er-Jahre in einem ganze Buch, dass Radioaktivität das „Todesprinzip in der Natur“ sei und wir das Leben über Jahrtausende hin vergiften, wenn wir diesen Tod aus der Erde holen. „Unser Planet hat bereits ein Grad Fieber, verursacht durch Radioaktivität“, schreibt er.12 Der Zusammenhang zwischen anthropogenen Radionukleiden und Klima ist schlecht erforscht – ein Hinweis könnte sein, dass die Plutoniumaktivität in stratosphärischen Aerosolen satte 100.000 Mal höher ist als in Bodennähe.13,14 Aber wir brauchen gar nicht den Erdboden verlassen – denn was meinen Sie, wo all die anderen anthropogenen Radionuklide aus Fallout, Reaktorunglücken und Atommüll schlussendlich landen? In Ihrem Körper!15
Natürlich ist es zu begrüßen, dass Forscher wie Ruggero Santilli, Radha Roy und Yull Brown Methoden zur Neutralisierung radioaktiver Elemente entwickelt haben16 – und natürlich sollten die tiefer untersucht werden, genau wie diverse Patente zur Transmutation radioaktiven Abfalls.17 Aber wir müssen das Wissen vor allem dazu nutzen, den Müllberg, den wir angehäuft haben, abzubauen, anstatt ihn weiter vor den Haustüren der nächsten Generationen verrotten zu lassen. Damit werden wir lange genug beschäftigt sein: Jeder europäische Meiler, so der 2019 herausgegebene Weltatommüllbericht, produziert über seine Lebensdauer 6,6 Millionen Kubikmeter radioaktive Abfälle – ein Fußballfeld mit einer Höhe von 919 Metern.18 Jeder. Einzelne. Reaktor. Herrje, ist das so schwer zu verstehen? Wir müssen die Probleme an der Wurzel angehen, nicht nur Symptomwischerei betreiben – sprich: Atommüll gar nicht erst erzeugen. Nicht ein Gramm davon.
Solar, Wind und Biogas sind sicher nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber die Richtung stimmt. Und die heißt: Raus aus der Radioaktivität. Rein in die Regenerativen. Die Entwicklung der letzten Jahre hat klar gezeigt, was geht, wenn wir nur wollen: Atomstrom ist weltweit auf dem absteigenden Ast;19 es ist inzwischen nicht einmal mehr ökonomisch, in Atomkraft zu investieren20,21 – ja, Atommeiler werden sogar zu regelrechten Netzverstopfern, weshalb Windkraftanlagen bei zu viel Wind gedrosselt werden müssen.22
Stecken wir die Milliarden, die scheinheilige Reaktorkonzepte verschlingen, lieber in eine strahlungsfreie Zukunft. Und ruhig auch etwas mutiger als bisher: Entwickeln wir die Konzepte zur Neutralisierung des Atommülls bis zur Marktreife, investieren wir in neue Ideen zu Dezentralität und Netzstabilität, professionalisieren wir die vielversprechendsten Raumenergie- und Overunity-Konzepte.23 Setzen wir auf eine Zukunft, die auf das Leben baut – nicht auf den Tod.
Gegenthese: Pro Atomkraft: Eine gute Idee verdient eine zweite Chance – sichere
Kernkraft ist die Basis der künftigen Energieversorgung