NEXUS Magazin: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/gen-produkte-die-mythen-industrie
Biotech-Unternehmen und einige Staaten drängen weiterhin auf eine noch umfassendere Freisetzung gentechnisch modifizierter Organismen (GMOs) in unsere Umwelt und Lebensmittelversorgung. Gleichzeitig aber nimmt der Widerstand gegen GMOs weltweit zu – und in vielen Regionen geht der Anbau solcher Pflanzen bereits zurück.
Die Biotechnologie-Industrie wird von einer Vielzahl öffentlicher und privater Institutionen finanziert, da sie mit dem Versprechen arbeitet, Hunger, Armut, Mangelernährung und jetzt sogar den Klimawandel zu bekämpfen. Dennoch ist der großmaßstäbliche Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen bis heute auf nur sechs Staaten beschränkt – wobei die überwiegende Mehrzahl dieser Pflanzen zur Gewinnung von Fasern, industriellen Agrotreibstoffen sowie Futtermitteln dient und nicht der menschlichen Nahrungsversorgung.
Zudem hat es die Biotech-Industrie nicht geschafft, weitere nützliche Eigenschaften der GMO-Pflanzen erfolgreich zu vermarkten, obwohl sie seit Jahren Versprechungen bezüglich einer bevorstehenden Dürreresistenz und Stickstoff-Fixierung, aber auch eines erhöhten Nährwerts und sinkenden Düngemittelbedarfs macht. Die meisten der „neuen“ GMO-Nutzpflanzen vereinen jedoch nur bereits bekannte herbizidtolerante und insektenresistente genetische Merkmale innerhalb einer Pflanze.
In Wirklichkeit sind Insektenresistenz und Herbizidtoleranz die einzigen Merkmale, die bisher entwickelt und in größerem Ausmaß angebaut wurden – angeblich, um den Einsatz von Pestiziden zu vermindern. Dem International Service for the Acquisition of Agri-biotech Applications (Internationaler Einkaufsdienst für die Akquirierung von Biotechnologie-Anwendungen in der Landwirtschaft; ISAAA) zufolge sind ganze 99 Prozent aller kommerziell angebauten GMO-Pflanzen nur herbizidtolerant oder insektenresistent. In der EU beziehen sich 43 von 49 Anträgen zum Anbau von GMO-Pflanzen auf herbizidtolerante oder insektenresistente Sorten. Auch in den USA geht es in 15 von 23 Anbauanträgen um herbizidtolerante oder insektenresistente Sorten.
Die Jahresberichte des ISAAA neigen dazu, blindes Vertrauen in die von der Industrie gelieferten Daten zu setzen, ungenaue Statistiken zu enthalten und wenige oder unklare Quellen anzugeben. Zudem wird darin Clive James, der Vorsitzende der Gruppe, zitiert. Der ISAAA bläst seine Zahlen durch doppelte und dreifache Buchführung auf, indem er das Konzept „virtueller Hektare“ verwendet – das heißt unter anderem, dass der tatsächliche Oberflächenbereich mit der Anzahl der gentechnisch modifizierten Merkmale in den Pflanzen multipliziert wird. Auf diese Weise zählt ein ein Hektar großes Feld, auf dem eine GMO-Pflanze angebaut wird, die gegenüber zwei Herbiziden tolerant ist und ein insektenresistenes Gen aufweist, plötzlich drei Hektare.
GMO-Pflanzen werden nur in wenigen Ländern der Erde angebaut. 95 Prozent aller GMO-Pflanzen wachsen in den USA, Brasilien, Argentinien, Indien, Kanada und China. Die weiteren 19 Länder (von insgesamt 25), die in ISAAA-Berichten angegeben werden, haben eine Gesamtanbaufläche von nur sieben Millionen Hektar. Fast 60 Prozent aller GMO-Freilandversuche werden in den USA durchgeführt.
Dem ISAAA-Jahresbericht 2009 zufolge wachsen GMO-Pflanzen auf 134 Millionen Hektar. Da die globale Gesamtanbaufläche mehr als 4,9 Milliarden Hektar beträgt, bedeutet das, dass alle GMO-Anbauflächen zusammen 2009 nur 2,7 Prozent des gesamten Agrarlandes ausmachten. Mehr als 97 Prozent der weltweit landwirtschaftlich genutzten Flächen bleiben also gentechnikfrei.
Trotz seit mehr als drei Jahrzehnten getätigter Investitionen von öffentlicher und privater Seite haben GMO-Pflanzen es bisher nicht geschafft, für Ernährungssicherung oder einen konsistent höheren Ernteertrag zu sorgen. Fast der gesamte Ertrag auf GMO-Anbauflächen beschränkt sich auf vier Pflanzenarten: Soja, Mais, Raps und Baumwolle. Grundnahrungsmittel wie Weizen, Reis, Maniok, Gerste, Hafer, Sorghum und Hirse sind demnach gentechnikfrei, soweit es die kommerzielle Produktion betrifft. Der Anbau von gentechnisch modifizierten Kartoffeln in Europa steht im Mittelpunkt einer öffentlichen Kontroverse.
Trotz heftiger Public-Relations-Anstrengungen von Biotech-Firmen und Forschungsinstituten, die sich für Gentechnik einsetzen, sind GMO-Pflanzen in der öffentlichen Akzeptanz gesunken – sogar in den Staaten, wo historisch gesehen die größten GMO-Anbauflächen bestehen. In den USA, die gegenüber Gentechnik sehr positiv eingestellt sind, wurde der kommerzielle Anbau gentechnisch modifizierter Alfalfasprossen verboten; außerdem mussten Zuckerrübensetzlinge auf behördliche Anordnung ausgerissen werden, da es keine adaquäten Gutachten über ihre möglichen Auswirkungen auf die Umwelt gab. In Indien sind BT-Brinjal-Auberginen, die erste GMO-Nutzpflanze des Landes, nach wie vor verboten. In Brasilien wurde die kommerzielle Verwertung der GMO-Maissorten von Bayer gestoppt. Und in Europa nehmen die Bedenken über gentechnisch modifizierte Lebensmittel zu, während die GMO-Anbaufläche weiterhin sinkt.
Im ISAAA-Jahresbericht 2009 wird behauptet, dass 14 Millionen Klein- und Großbauern – die zu 90 Prozent „ressourcenarm“ wirtschaften – von den Biotech-Pflanzen profitieren. Diese völlig unbelegte Behauptung geht nicht im mindesten auf den weitverbreiteten Widerstand gegen GMO-Pflanzen ein, an dem sich auch Bauern-Massenbewegungen wie La Via Campesina mit ihren weltweit 200 Millionen Mitgliedern beteiligen.
Die zum Anbau von GMO-Pflanzen bestimmte Fläche in Europa (wobei es hier ausschließlich um den MON810-Mais von Monsanto und die Amflora-Kartoffel von BASF geht) ist in den vergangenen zwei Jahren entscheidend geschrumpft. In diesem Zeitraum stieg der Widerstand der Bevölkerung gegen gentechnisch modifizierte Organismen auf 61 Prozent an. Die Sorgen um die Kontamination durch GMO-Pflanzen sind berechtigt; neue Fälle von Kontamination durch GMO-Kartoffeln haben sogar zu neuen Verboten geführt. Die Zulassung einer neuen GMO-Kartoffelsorte durch die Europäische Kommission im Jahre 2010 hat zu Verboten der Feldfrucht in Österreich, Luxemburg und Ungarn geführt.
Die beiden genannten Produkte sind zwar die einzigen GMO-Pflanzen, die in Europa angebaut werden dürfen, doch der Import einiger GMO-Pflanzen als Futter- und Lebensmittel ist erlaubt. Die Futtermittelbranche übt derzeit Druck auf die EU aus, ihre kompromisslose Regulierung nicht zugelassener GMO-Futter- und Lebensmittel aufzuheben. Dazu kommt, dass der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safe Authority, EFSA), die eine Risikoeinschätzung für GMO-Pflanzen vornehmen soll, enge Verbindungen zu Biotech-Unternehmen nachgewiesen werden konnten.
Die Biotech-Industrie hat immer öfter mit Gerichtsverfahren, Skandalen und Sicherheitsbedenken zu kämpfen; dementsprechend nimmt der Anbau von GMO-Pflanzen innerhalb der Europäischen Union ab. Zwischen 2008 und 2010 sank die GMO-Gesamtanbaufläche um 23 Prozent. In Rumänien waren es 87 Prozent weniger, in der Slowakei 55 Prozent und in Tschechien 42 Prozent.
Mehr als 80 Prozent der gesamten europäischen GMO-Anbaufläche liegen in Spanien, wo der MON810-Mais von Monsanto angebaut wird. Doch sogar in diesem ausgesprochen GMO-freundlichen Land gab es laut offiziellen Statistiken innerhalb von zwei Jahren einen Rückgang von 15 Prozent – 11 Prozent davon zwischen 2009 und 2010.
In Spanien haben GMO-Pflanzen herkömmlichen sowie Bio-Mais und damit die menschliche Nahrungskette kontaminiert, was wiederum negative wirtschaftliche Auswirkungen hatte und zu einigen der bisher größten Anti-Gentechnik-Demonstrationen in Europa führte. Auch danach gibt es jedoch Belege dafür, dass die spanische Regierung mit den USA gemeinsam daran arbeitet, in Europa eine stärkere Akzeptanz für gentechnisch modifizierte Nahrungsmittel herzustellen.
Die abnehmende GMO-Anbaufläche ist das Ergebnis jahrelangen gesellschaftlichen Widerstands, der immer mehr auch von unabhängigen wissenschaftlichen Erkenntnissen gestützt wird. Einige Regierungen haben sich die weitverbreiteten Gesundheits- und Umweltbedenken zu Herzen genommen und GMO-Pflanzen verboten. Mittlerweile sind es sechs europäische Länder, die den Anbau der wichtigsten von der EU genehmigten kommerziellen Pflanze – dem MON810-Mais von Monsanto – untersagt haben. Frankreich, Deutschland, Österreich, Griechenland, Ungarn und Luxemburg haben MON810-Genmais wegen gesundheitlicher und ökologischer Bedenken mit Verboten belegt. Im Februar 2010 hat Bulgarien jeden Anbau von GMO-Pflanzen untersagt.
Europa wird von der zunehmenden gesellschaftlichen Ablehnung von GMO-Pflanzen überrollt: 169 Regionen, 123 subregionale Provinzen und Gebiete sowie 4.713 Kommunalverwaltungen haben sich offiziell zu gentechnikfreien Zonen ernannt.
Laut dem aktuellen „Eurobarometer“, der im Oktober 2010 von der Europäischen Kommission veröffentlich wurde, sind 61 Prozent aller EU-Bürger gegen GMO-Pflanzen, um einiges mehr als im Jahr zuvor. Im Dezember 2010 wurde der Kommission eine Petition mit mehr als einer Million Unterschriften von EU-Bürgern vorgelegt, in der ein GMO-Anbaustopp und die Schaffung eines unabhängigen Wissenschafts- und Ethikgremiums zur Prüfung und Regulierung gentechnisch modifizierter Nutzpflanzen gefordert wurde. Dieser Antrag wurde gemäß den Anforderungen eines neuen Rechtsverfahrens namens Europäische Bürgerinitiative erstellt und ist ein echter Meilenstein.
Neben den staatlichen Verboten gibt es auch noch eine weitere erfolgreiche Entwicklung für Konsumenten und Bauern: die Entscheidung des Europäischen Patentamts (European Patent Office; EPO), derzufolge grundsätzliche biologische Methoden zur Pflanzen- und Tierzucht nicht als technische Vorgänge angesehen werden können, auf die das Patentrecht anzuwenden ist.
Patente auf Pflanzen und Tiere hemmen demnach innovative Zuchtmethoden und schwächen die Unabhängigkeit von Bauern und Konsumenten, wobei sie es gleichzeitig Konzernmultis gestatten, die Kontrolle über die weltweite Lebensmittelversorgung an sich zu reißen.
Diese Entscheidung versetzt den Biotechnologie-Unternehmen einen schweren Schlag, da diese Firmen bislang weitgefasste gesetzliche Auslegungen des Patentrechts dazu nutzen konnten, immer mehr Macht über die Landwirtschaft und die Nahrungskette zu erlangen.
Nach wie vor können auf konventionelle Art gezüchtete Pflanzen und Tiere in Europa patentiert werden, da sich die Entscheidung des EPO nur auf die Zuchtmethode bezieht und nicht auf die Frage eingeht, ob Pflanzen und Tiere überhaupt patentiert werden können.
Europa ist weltweit die einzige Region, in der der kommerzielle Anbau von GMO-Kartoffeln zugelassen ist. Im März 2010 genehmigte der neue EU-Gesundheitskommissar John Dalli die Amflora-Kartoffel von BASF für die Erzeugung industriell verwendeter Stärke und als Tierfuttermittel. Weiterhin darf Amflora die Nahrungsmittelkette bis zu einem Grenzwert von 0,9 Prozent kontaminieren, obwohl die GMO-Kartoffel selbst nicht für den menschlichen Genuss zugelassen ist. Dabei handelt es sich um eine beispiellose Entscheidung, die ein Zugeständnis an die Biotech-Firma BASF darstellt (da BASF dadurch gegen Rückrufaktionen wie auch gegen die Produkthaftung gefeit ist).
Zuvor galt der Grenzwert von 0,9 Prozent nur für GMO-Pflanzen, die zum menschlichen Verzehr zugelassen sind – und nur, wenn die Kontamination unbeabsichtigt und technisch unvermeidlich ist. BASF selbst gibt zu, dass es unmöglich ist, eine Kontamination der menschlichen Nahrungskette durch Amflora zu verhindern. Seit der Genehmigung stand der Amflora-Anbau im Mittelpunkt zahlreicher Kontaminationsskandale, öffentlicher Protestkundgebungen und von fünf europäischen Staaten eingeleiteter Gerichtsverfahren.
In Österreich, Luxemburg und Ungarn wurde die Amflora-Kartoffel überhaupt verboten, da sie einen molekularen Marker aufweist, der antibiotikaresistent ist. Man hat Bedenken, dass sich dieses Gen mittels horizontalem Gentransfer auf krankheitserregende Bakterien übertragen und dadurch das Problem der Antibiotikaresistenz in der Tier- und Humanmedizin noch verschärfen könnte.
MON810-Mais und die Amflora-Kartoffel sind zwar die einzigen GMO-Pflanzen, die in der EU kommerziell angebaut werden dürfen, doch es gibt rund 40 gentechnisch modifizierte Organismen, die für Futter- und Lebensmittelimporte zugelassen sind. Der Import von gentechnisch modizierten Futtermitteln nach Europa stellt den wichtigsten Einreiseweg für GMO-Pflanzen auf den Kontinent dar.
Gegenwärtig müssen Produkte aus Tieren, die mit GMO-Pflanzen gefüttert werden, nicht einmal gekennzeichnet sein. Verstärkte Verbrauchernachfrage hat jedoch dazu geführt, dass manche europäischen Molkereiunternehmen und Fleischproduzenten sowie Großhändler in England, Österreich, Deutschland und Frankreich dazu übergegangen sind, ihre Produkte freiwillig als „gentechnikfrei“ zu kennzeichnen. Die starke Ablehnung von GMO-Produkten durch europäische Konsumenten könne sogar dazu führen, dass in Brasilien wieder mehr Soja angebaut wird, der nicht gentechnisch modifiziert ist.
Besorgniserregend ist allerdings, dass sowohl die Gentechnik- als auch die Futtermittelindustrie auf eine Anhebung der gesetzlichen Grenzwerte für nicht genehmigte und daher derzeit als illegal eingestufte GMO-Pflanzen innerhalb der EU drängen. Dieser Versuch, die „Null-Toleranz-Politik“ der EU gegenüber nicht genehmigten GMO-Pflanzen abzuschaffen, wurde 2007 gestartet, als in Sojalieferungen aus den USA nicht genehmigter GMO-Mais gefunden wurde.
Die Behauptung, dass die Politik der EU eine Krise hervorrufe, wenn sie nach Feststellung einer Kontamination den Handel mit Futtermitteln stillege, hat sich als unhaltbar erwiesen. Die Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung der Europäischen Kommission hat im Juni 2007 einen drastischen Rückgang bei der Produktion von Schweine- und Geflügelfleisch innerhalb der EU vorhergesagt, weil die EU-Bauern kein Soja mehr bekämen oder exorbitante Preise dafür bezahlen müssten. Wie sich später herausstellte, brachen die Jahre 2009 und 2010 alle Rekorde – nie zuvor wurden so viele Schweine und so viel Geflügel verkauft.
Der Gentechnik-Ausschuss der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit ist für die Risikobewertung von GMO-Nutzpflanzen verantwortlich. Die engen Verbindungen mancher seiner Mitglieder mit der Biotech-Industrie stellen die Glaubwürdigkeit dieser Institution jedoch in Zweifel.
Im November 2009 wurde Suzy Renckens, die ehemalige Leiterin des ESFA-Ausschusses, nach ihrem Abschied von der Behörde zur Direktorin für Biotechnologie-Regulierungsangelegenheiten für Europa, Afrika und den Nahen Osten beim Unternehmen Syngenta. Renckens war zuvor für die GMO-Regulierung verantwortlich und macht jetzt Lobbyarbeit für Syngenta, um die Entscheidungen der EU zu GMO-Fragen zu beeinflussen. Dieses krasse Beispiel für einen Interessenkonflikt wurde nie offiziell untersucht und stellt die Unabhängigkeit der ESFA in Zweifel. Leider handelt es sich dabei nicht um einen Einzelfall.
Harry Kuiper, ein führender Wissenschaftler und seit 2003 Vorsitz des GMO-Ausschusses der ESFA, war für eine vom International Life Sciences Institute (ILSI) gegründete Arbeitsgruppe tätig, bevor er zur ESFA kam. ILSI ist eine von Lebensmittel- und Chemiefirmen gegründete Lobby-Organisation, die vehement für Biotechnologie eintritt. Die besagte Arbeitsgruppe wird von einem Monsanto-Belegschaftsmitglied geleitet; ihre Mitglieder sind durchwegs Vertreter großer Biotech-Unternehmen wie Monsanto, Dow und Syngenta. Im Oktober trat Diana Banati, die ESFA-Vorstandsvorsitzende, von ihrer Position im ILSI-Direktorium zurück, da sich Politiker und Nichtregierungsorganisationen wegen ihres beruflichen Interessenkonflikts beschwert hatten.
Kritik an der Biotechnologie ist unerwünscht. Am 7. August 2010 etwa wurde Dr. Andrés Carrascos öffentlicher Vortrag in La Leonesa in der nordargentinischen Provinz Chaco gewaltsam unterbrochen. Eine vom Bürgermeister José Carbajal angeführte Gruppe von Stadtpolizisten und Reisfeldarbeitern, die für den Einsatz von Pestiziden eintritt, bedrohte und verprügelte Mitglieder der Delegation, die den Vortragenden begleitete. Polizei und Militär sahen sich zum Einschreiten veranlasst.
Der Konflikt entsprang Carrascos Forschungen über Gentechnik. Im April 2009 wurde Carrasco – ein Professor und Forscher an der Universität von Buenos Aires – durch die Veröffentlichung einer Studie über Glyphosat international bekannt. Glyphosat ist der Hauptbestandteil des Unkrautvernichtungsmittels Roundup® von Monsanto und wird mit Missbildungen bei Amphibien-Embryos in Verbindung gebracht. Es könnte schwere Risiken für die menschliche Gesundheit haben.
Von Wissenschaftlern und Managern der Agrarindustrie wurde Glyphosat für unschädlich erklärt. Im August 2010 wurden die Ergebnisse der von Carrasco und seinem Forschungsteam durchgeführten Studie jedoch in der wissenschaftlichen Zeitschrift Chemical Research in Toxicology veröffentlicht, was zu einer öffentlichen Diskussion über die Auswirkungen dieses weitverbreiteten Herbizids auf Gesundheit und Umwelt führte. Sofort wurde eine Kampagne zur Diskreditierung Dr. Carrascos gestartet.
Im September 2010 veröffentlichten Professor Carrascos und andere international angesehene Forscher weitere Ergebnisse ihrer auf dem gesamten amerikanischen Kontinent durchgeführten Studien. Darin heißt es, dass Glyphosat mit Früh- und Fehlgeburten, Krebs, DNS-Schädigungen sowie Schädigungen an den Fortpflanzungsorganen in Verbindung gebracht werden kann.
Die Vereinigten Staaten, die 64 Prozent der weltweiten GMO-Ernten einfahren, sehen sich heute nie dagewesenen Rechtseinsprüchen zur Gentechnik gegenüber. In aktuellen Gerichtsurteilen wurde die Vernichtung genmanipulierter Zuckerrübensetzlinge angeordnet; zudem kam es zu einem Verbot von Roundup Ready®-Alfalfasprossen. Doch die US-Regierung macht nicht nur im eigenen Land weiterhin Propaganda für GMO-Pflanzen, sondern übt auch auf die EU Druck aus, indem sie mit Vergeltungsmaßnahmen droht (wie dank WikiLeaks bekannt wurde). Außerdem befasst sich die Biotech-Industrie heute nicht mehr nur mit gentechnisch modifizierten Pflanzen, sondern will auch schnellwachsende GMO-Lachse in die freie Natur entlassen und GMO-Schweine, die weniger Phosphor ausscheiden, der kommerziellen Verwertung zuführen. Dadurch ergeben sich in den USA und in Kanada erhebliche Risiken für Gesundheit und Umwelt.
Im August 2010 kündigte die amerikanische Food and Drug Administration (Behörde zur Lebensmittelüberwachung und Arzneizulassung; FDA) an, die Genehmigung eines genetisch modifizierten Lachses zu prüfen. Ginge das durch, so hätten wir es mit dem ersten GMO-Tier zu tun, das zum menschlichen Verzehr zugelassen ist.
Die Firma AquaBounty Technologies hat den AquaAdvantage®-Fisch so entworfen, dass er doppelt so schnell wächst wie ein Wildlachs. Zu seiner Erzeugung wurden Gene des Königslachses, des Zoarces americanus und des atlantischen Lachses verwendet.
Eine Genehmigung dieser GMO-Lachssorte würde unter Umständen ernste Konsequenzen für die Artenvielfalt, nachteilige sozioökonomische Auswirkungen auf Fischergemeinden und Gesundheitsrisiken für Konsumenten in den USA und auf aller Welt bedeuten. Untersuchungen weisen darauf hin, dass durch horizontalen Gentransfer die gesamte Spezies zugrundegehen könnte. Wilder atlantischer Lachs gehört bereits heute zu den bedrohten Arten, was zum Teil auf genetische und gesundheitliche Schäden durch die Kreuzung mit entkommenen Zuchtlachsen zurückzuführen ist.
Eine aktuelle Verbraucherbefragung von Food & Water Watch ergab, dass 91 Prozent der Amerikaner der Ansicht sind, dass die FDA GMO-Fisch und -Fleisch nicht zum Verzehr zulassen sollte.
Wissenschaftler der Universität von Guelph in der kanadischen Provinz Ontario haben in Zusammenarbeit mit dem privaten Investor Ontario Pork, der Verwaltung Ontarios und der kanadischen Regierung ein „Enviropig“ entwickelt, das gentechnisch so verändert ist, dass sein Kot weniger Phosphor enthält. Diese GMO-Yorkshire-Schweine verdauen den in Pflanzen enthaltenen Phosphor effizienter als herkömmliche Schweine, was dazu führt, dass ihr Dung phosphorärmer ist und daher Wasser und Wasserlebewesen weniger belastet. Erreicht wurde dieses Ziel durch die Insertion von Mäuse- und E.-coli-Genen in die Schweine-DNS.
2007 reichten die Schöpfer des „Enviropig“ ihre Kreation bei der FDA ein, um sie für den menschlichen Verzehr und dann auch die kommerzielle Verwertung in den USA zuzulassen. Ein ähnlicher Antrag auf die Zulassung zur kommerziellen Verwertung wurde 2009 den kanadischen Regulierungsbehörden vorgelegt. Bisher wurden keine Genehmigungen erlassen. Dennoch ist es beunruhigend, dass es in Kanada keinerlei Bestimmungen für GMO-Tiere gibt und die Antrags- und Evaluierungsvorgänge der Geheimhaltung unterliegen.
Aktuelle Untersuchungen aus den USA haben nachgewiesen, dass die Behauptung, durch GMO-Pflanzen werde der Pestizidverbrauch gesenkt und damit ein finanzieller Vorteil für die Bauern erzielt, unwahr ist. Während der ersten 13 Jahre des GMO-Pflanzenanbaus wurden allein in den USA 173 Millionen Kilo mehr Pestizide versprüht als im Vergleichszeitraum davor.
Auch der Herbizidverbrauch ist angestiegen – wie man an den um 46 Prozent höheren Verkaufszahlen von Roundup, dem Monsanto-Unkrautvernichtungsmittel auf Glyphosatbasis, in den Jahren 2007 und 2008 sehen kann. Roundup wird von der Firma für den Einsatz bei den eigenen Roundup Ready (RR) GMO-Pflanzen empfohlen. Bei GMO-Nutzpflanzen ist der Einsatz von Herbiziden die Norm; mehr als 90 Prozent der GMO-Sojapflanzen in den USA sind herbizidtolerant.
Innerhalb der Vereinigten Staaten kämpfen Bauern mit den Auswirkungen der „Superunkraut“-Epidemie, die durch den kontinuierlichen Einsatz von Glyphosat zusammen mit glyphosattoleranten GMO-Pflanzen hervorgerufen wurde: Das Unkraut hat eine Toleranz gegen das Herbizid entwickelt. Ein Unkrautexperte sprach im Juli 2010 vor Abgeordneten des US-Repräsentantenhauses über das Thema und sagte, dass das Superunkraut bereits mehr als 4,5 Millionen Hektar Anbaufläche befallen habe – ein Anstieg um das Fünffache innerhalb von nur drei Jahren. Bei Kongress-Anhörungen über das rasante Wachstum des Superunkrauts kam es zu belastenden Aussagen von Bauern und wissenschaftlichen Experten über die schädlichen Effekte der Gentechnik. Die Landwirte sind in einem Teufelskreis gefangen, da sie von Pestiziden abhängig sind, die Geburtsfehler und Fortpflanzungsstörungen sowie Wasser- und Bodenverseuchung hervorrufen können.
Demzufolge stehen jetzt neue GMO-Nutzpflanzen kurz vor ihrer Zulassung, die wiederum gegen andere gefährliche Herbizide resistent sind – Stoffe, die Krebs und andere Krankheiten verursachen und deren Produktion eigentlich schon eingestellt werden sollte. Die Dow-Sojabohne DAS684164 enthält Gene mit einer 2,4-D-Toleranz. 2,4-D war ein Bestandteil von Agent Orange, einem im Vietnamkrieg eingesetzten Entlaubungsmittel, das mit einem verstärkten Auftreten von Non-Hodgkin-Lymphomen in Zusammenhang gebracht wird.
Obwohl bisher nur ein Bruchteil der mehr als 250.000 amerikanischen Diplomaten-Depeschen veröffentlicht wurde, an die WikiLeaks gelangt ist, gibt es bereits ausreichend Beweise dafür, dass die US-Regierung Bündnisse mit Ländern eingeht, die die Gentechnik übernehmen – und auf unwillige Länder aggressiv Druck ausübt. So sollen sich Gentechnik und GMO-Produkte nach und nach über die ganze Welt verbreiten.
Im April 2009 kontaktierte der spanische Staatssekretär und Ministerstellvertreter Joseph Puxeu den amerikanischen Geschäftsträger, um seine Besorgnis darüber zu äußern, dass Spanien immer mehr unter Druck gerät, weil die Deutschen den MON810-Genmais verbieten. Zudem hatte es eine EU-Abstimmung gegeben, in der die Beibehaltung der entsprechenden Verbote in Österreich und Ungarn gefordert wurde. Da die Spanier fürchteten, mit ihrer Pro-Gentechnik-Politik bald alleine dazustehen, forderte Puxeu die USA auf, gemeinsam mit Spanien mehr Druck in Brüssel auszuüben, damit die landwirtschaftliche Biotechnologie in den EU-Ländern weiterhin erlaubt bleibe.
Im Mai 2009 erfuhren spanische Botschaftsangehörige bei einem Treffen mit dem Monsanto-Biotechnologie-Direktor für Spanien und Portugal, dass „Spanien mehr und mehr zum Angriffsziel der Anti-Biotech-Kräfte in Europa“ werde und dass „der Anbau von MON810-Mais in Spanien ernsthaft gefährdet“ sei. Befürworter der landwirtschaftlichen Biotechnologie sind sich einig, was ein mögliches Verbot des MON810-Anbaus betrifft:
„Wenn Spanien fällt, folgt der Rest Europas bald nach.“
In der betreffenden Depesche wird betont, dass die Verbote für Monsanto-GMO-Mais in Deutschland, Frankreich, Österreich, Ungarn, Griechenland und Luxemburg – und das trotz der EU-Zulassung von MON810 – auf die Anti-Biotech-Stimmung innerhalb der EU zurückzuführen seien, wo die Forderung nach dem Verbot des GMO-Anbaus immer mehr Dynamik gewinne und politische Unterstützung erhalte. Eine Depesche aus dem Dezember 2007, die von der US-Botschaft in Paris abgeschickt wurde, fasste die Bedenken bezüglich GMOs zusammen:
„Europa bewegt sich in dieser Frage nicht vorwärts, sondern rückwärts. Dabei spielt Frankreich eine Führungsrolle, neben Österreich, Italien und sogar der Kommission selbst.“
Die USA sollten sich daher „Vergeltungsmaßnahmen“ überlegen, die man mit den Verfechtern der Biotechnologie in Frankreich koordinieren könne. Frankreich soll eine Schlüsselrolle bei den „neuerlichen Beratungen über die Akzeptanz der landwirtschaftlichen Biotechnologie“ spielen. Das Land wird als Dreh- und Angelpunkt für eine Veränderung der GMO-Politik in der EU betrachtet:
„Unsere Kontakte haben klargestellt, dass sie die französische Staatspolitik in dieser Frage in die EU hinaustragen wollen und dass sie der Ansicht sind, die Speerspitze für eine EU-weite öffentliche Kehrtwende in Sachen GMOs zu sein“.
In einer weiteren Depesche heißt es, dass eine solche Meinungsänderung nicht so leicht herbeizuführen sein werde, da GMO-Pflanzen „innerhalb Frankreichs ein Thema sind, das große Besorgnis hervorruft“, und dass die Absicht Frankreichs, den GMO-Anbau zu stoppen, „die US-Agrarexporte nach Europa erheblich beeinträchtigen würde“.
Aus einer Depesche vom November 2007 wird ersichtlich, dass es sich um eine der Hauptaufgaben von US-Geheimdienstmitarbeitern in Burundi, dem Kongo und Ruanda handelt, Informationen über die „Einstellung der Regierungen zu GMO-Lebensmitteln und der Ausbreitung gentechnisch modifizierter Nutzpflanzen zu sammeln“.
Am 21. Juni 2010 entschied der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten im Fall Monsanto gegen Geerston Seed Farms für ein Verbot von Roundup Ready Alfalfa (RRA). Es handelte sich dabei um den ersten Fall zu gentechnisch modifizierten Nutzpflanzen, der vor dem Obersten US-Gerichtshof verhandelt wurde. Der Gerichtsbeschluss besagt, dass der Verkauf und das Anpflanzen von RRA in den USA illegal ist.
Das Gericht erkannte an, dass eine mögliche transgene Kontamination Biobauern und Vertretern der konventionellen Landwirtschaft Schaden zufügen würde und dass die Betroffenen daher das Recht hätten, bei jedem Verstoß gegen die gerichtliche Entscheidung auch in Zukunft erteilte Genehmigungen zum kommerziellen Anbau von GMO-Pflanzen vor Gericht anzufechten.
Der Rechtsstreit ist seit 2006 im Gang. Damals reichte das Center for Food Safety (Zentrum für Nahrungsmittelsicherheit) eine Klage gegen das US-Landwirtschaftsministerium (US Department of Agriculture; USDA) ein, das den kommerziellen Anbau von Alfalfasprossen genehmigen wollte, die eine Toleranz gegen das Monsanto-Unkrautvernichtungsmittel Roundup haben – und das trotz der möglichen ökologischen, gesundheitlichen, kulturellen und wirtschaftlichen Auswirkungen auf Landwirte und Konsumenten. Dank der Fremdbestäubung durch Bienen kann sich GMO-Alfalfa unkontrolliert verbreiten und andere Felder kontaminieren, auf denen gentechnisch unbehandelte Pflanzen wachsen.
Am 30. November 2010 forderte das US-Bezirksgericht für den nördlichen Bezirk Kaliforniens als erste Institution der Welt die Zerstörung einer GMO-Nutzpflanze: Hunderte Morgen von im September 2010 angebauten GMO-Zuckerrübensetzlingen mussten auf gerichtliche Anordnung entfernt werden, da ihre Anpflanzung gegen Bundesrecht verstieß. Das Bezirksgericht entschied, dass „Landwirte und Konsumenten durch Querkontamination vermutlich Schaden erleiden würden“ und hielt fest, dass bisherige Kontaminationsfälle „zu zahlreich“ gewesen seien, als dass man ein Verbleiben der Pflanzen im Ackerboden genehmigen könne. Trotz dieser Gerichtsentscheidung setzt sich das USDA weiterhin für die Genehmigung des kommerziellen Anbaus von GMO-Zuckerrüben ein.
2010 war für die amerikanische Biotech-Industrie überhaupt ein schlechtes Jahr, da die Unternehmen sich intensiv mit dem US-Rechtssystem auseinandersetzen mussten. Im Oktober 2010 wurde die deutsche Firma Bayer von drei texanischen Reisbauern verklagt und zu einem gerichtlichen Vergleich über die Kontamination ihrer Reisernte durch Bayers Liberty Link®-Reis gezwungen. Für Bayer war dies der siebte verlorene Prozess in Folge; die Verhandlungen fanden in fünf US-Bundesstaaten statt und hatten allesamt mit Schadenersatzforderungen wegen Kontamination und den daraus resultierenden Exportbeschränkungen und wirtschaftlichen Schäden zu tun.
Im August 2006 gab das USDA bekannt, dass Bayers genetisch veränderte Samen in kommerziell angebautem Langkornreis in Louisiana, Mississippi, Texas, Arkansas und Missouri entdeckt worden sei. Fünf Tage später sperrte die Europäische Union US-Importe in ihre 27 Mitgliedsländer; Japan und Russland folgten nach. Dieser plötzliche Verlust wichtiger Export-Absatzmärkte fügte den amerikanischen Reisbauern, deren Ernte kontaminiert war, erheblichen wirtschaftlichen Schaden zu.
In den vergangenen Jahrzehnten ist die Nahrungsmittelproduktion in Afrika erheblich angestiegen – trotzdem hungern 256 Millionen Schwarzafrikaner nach wie vor. Diese Lebensmittelkrise wird als Vorwand benutzt, Afrika als neues Versuchsgelände für GMO-Pflanzen zu erschließen. Die Befürworter der Gentechnik behaupten, dass mit den Fortschritten auf ihrem Gebiet Hunger, Armut und Klimawandel bekämpft werden könnten. Dennoch scheuen – wie die Organisation Friends of the Earth ermittelt hat – viele Afrikaner weiterhin davor zurück, sich auf den teuren und gefährlichen Anbau von GMO-Nutzpflanzen einzulassen, der sie nur noch tiefer in Schulden stürzen und den wechselhaften Wetterbedingungen ohnehin nicht standhalten würde.
Pro-Gentechnik-Initiativen, die von der Gates Foundation und der Alliance for a Green Revolution in Afrika (Allianz für eine Grüne Revolution in Afrika; AGRA) unterstützt werden, sollen dieser Zurückhaltung ein Ende machen. Solche Initiativen stellen eine ernsthafte Bedrohung für traditionelle, nachhaltige landwirtschaftliche Methoden dar, mit deren Hilfe der Kontinent ernährt und die Armut erheblich verringert werden könnte.
Die 1994 gegründete Bill & Melinda Gates Foundation übt bedeutenden Einfluss auf die weltweite Landwirtschaftspolitik aus. Sie verwaltet Fördergelder in einer Gesamthöhe von 24 Milliarden US-Dollar, mit denen die Projekte der Stiftung finanziert werden. Nach eigenen Angaben will die Gates Foundation
„neue Verfahren fördern, mit deren Hilfe Bauern in Entwicklungsländern mehr Nahrung anbauen und mehr Geld verdienen können“.
Gleichzeitig unterstützt die Stiftung aber ganz offen Gentechnikprojekte in Afrika und anderen Entwicklungsländern. Fast 80 Prozent der von der Gates Foundation bewilligten Förderungen in Kenia gehen beispielsweise in Biotech-Projekte – und mehr als 100 Millionen Dollar sind in Organisationen geflossen, die mit Monsanto zu tun haben.
Die guten Verbindungen zwischen der Gates-Stiftung und Monsanto wurden mit einem Schlag noch besser, als die Foundation im August 2010 Monsanto-Aktien im Wert von 23 Millionen-Dollar erwarb. Landwirte, soziale Bewegungen und zivilgesellschaftliche Organisationen waren darüber äußerst empört. Die weltweit agierende Bauernorganisation La Via Campesina hat diesen Kauf von Monsanto-Aktien aufs Schärfste verurteilt.
Nicht nur die Rockefeller-Stiftung fördert die umstrittene Alliance for a Green Revolution in Africa, sondern auch die Gates Foundation lässt dieser Organisation Geld zukommen – bisher immerhin 265 Millionen Dollar. AGRA besteht aus einem Team von Wissenschaftlern, Ökonomen und Wirtschaftsführern; der Vorstandsvorsitzende ist Kofi Annan. AGRA versucht den afrikanischen Kontinent für GMO-Saatgut und Pestizide zu öffnen, die von Konzernen wie Monsanto, DuPont und Syngenta hergestellt werden. Im Gegensatz zu den Bestrebungen von AGRA und der Gates Foundation hat eine großangelegte Studie der United Nations Conference on Trade and Development (Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung; UNCTAD) und des United Nations Environment Programme (Umweltprogramm der Vereinten Nationen; UNEP) jedoch festgestellt, dass der biologische Landbau Afrika die besten Chancen biete, die Armut zu verringern und Ernteerträge sowie Einkommen zu verbessern – und dabei auch noch die Umwelt zu schonen.
Afrikanische Bauern und Umweltschützer haben die Initiativen von Gates Foundation und AGRA öffentlich in Frage gestellt, da diese die strukturellen Ursachen von Hunger und Armut außer acht ließen und stattdessen Methoden förderten, die eine Bedrohung für traditionelles Wissen und seit Jahrtausenden bewährte Anbaumethoden darstellen.
Brinjal (auch als Aubergine oder Melanzani bekannt) ist das zweitbeliebteste Gemüse Indiens, sichert den Lebensunterhalt vieler Kleinbauern und ernährt die Bewohner armer ländlicher und städtischer Gegenden.
Der indische Monsanto-Partner Mahyco hat eine insektenresistente transgene Version der Pflanze namens Bt Brinjal entwickelt, die ein von Monsanto hergestelltes Gen enthält und im Oktober 2009 vom Genetic Engineering Approval Committee (Komitee zur Bewilligung von Gentechnik; GEAC), der zuständigen indischen Behörde, offiziell zugelassen wurde.
Am 9. Februar 2010 wurde diese Zulassung vom indischen Umwelt- und Forstminister Jairam Ramesh wieder aufgehoben. Dieser Entscheidung war eine einmonatige öffentliche Anhörung vorangegangen, bei der Vertreter aus verschiedenen Gesellschaftsschichten zu Wort gekommen waren – darunter auch Wissenschaftler, die über die Auswirkungen von Bt Brinjal auf die menschliche Gesundheit und die traditionellen indischen Auberginensorten besorgt waren. Ein Anbaustopp auf unbegrenzte Zeit wurde erlassen. Der Minister sagte, das Moratorium werde so lange gelten, bis unabhängige Studien nachgewiesen haben, dass Bt Brinjal langfristig für die menschliche Gesundheit und die Umwelt sicher ist; er bezeichnete diesen Weg als „verantwortungsbewusst der Wissenschaft und sensibel der Gesellschaft gegenüber“. Nach wie vor versuchen die Hersteller und viele Pro-GMO-Wissenschaftler aber, Bt Brinjal auf den Markt zu bringen.
Ein vom Minister beauftragter Bericht, der von den führenden akademischen Institutionen des Landes erstellt wurde, empfahl eine begrenzte Freisetzung von Bt Brinjal – die ISAAA begrüßte diesen Bericht natürlich. Wie sich bald herausstellte, war aber fast der gesamte Teil des Berichts, der sich mit Bt Brinjal befasste, eins zu eins aus dem Artikel eines GMO-Befürworters herauskopiert worden.
Eine neue Analyse über die Gefahren von Bt Brinjal wurde dem Obersten Gericht vorgelegt, um den Richtern Material für Zivilprozesse über GMO-Anbau in die Hand zu geben. Diese wissenschaftliche Studie betont die Risiken der Kontaminierung einheimischer Pflanzen und die Bedrohung der Artenvielfalt sowie die potentiell größere Verbreitung von Pflanzenschädlingen. Bt Brinjal könnte zudem negative sozioökonomische Auswirkungen auf ressourcenarme Auberginen-Kleinbauern haben, die bei einer Zulassung der transgenen Pflanze in eine unfaire Konkurrenz zu kommerziell orientierten Brinjal-Großbauern treten müssten.
Samenkonzerne wie Monsanto und Bayer führen außerdem Feldversuche mit herbizidtoleranter Baumwolle und herbizidtolerantem Mais durch – trotz der Superunkraut-Krise in den USA.
Indien ist das weltgrößte Reisanbaugebiet, in dem etwa 4.000 Sorten der Pflanze gedeihen. Am 12. Mai 2010 erteilte das GMO-Kontrollorgan GEAC dem US-Chemiekonzern DuPont eine Bewilligung für begrenzte Feldversuche mit transgenen Hybridreissorten, als Vorbereitung auf die kommerzielle Produktion von Hybrid-Saatgut.
DuPont führte seine Versuche mit GMO-Reis in Zusammenarbeit mit der Universität für Agrarwissenschaften in der Stadt Doddaballapur im Bundesstaat Karnataka durch. Im November 2010 wurden Kleinbauern, die der Bauernorganisation Karnataka Rajya Raitha Sangha (KRRS, Mitglied von La Via Campesina) angehörten, aktiv und zerstörten einen Großteil der Versuchsanbaufläche. Der KRRS-Vizepräsident sagte, dass die Bauern sich auch weiterhin gegen im Freien durchgeführte Feldversuche mit GMO-Pflanzen stellen werden, da diese den ersten Schritt darstellten, die indische Landwirtschaft amerikanischen Saatgutmultis auszuliefern. Zudem sei GMO-Reis nicht nur für Bauern eine Bedrohung, sondern auch für Gesundheit und Umwelt aller indischen Bürger.
Etwa 6.000 transgene Mücken, mit deren Hilfe man das Dengue-Fieber bekämpfen will, wurden am 21. Dezember 2010 in Malaysia freigesetzt. Das Malaysian National Biosafety Board (Staatliche Behörde für Biosicherheit; NBB) hatte die Freisetzung genetisch modifizierter Gelbfiebermücken am 5. Oktober 2010 genehmigt. Das gentechnische Verfahren, mit dem die Mücken hergestellt wurden, gehört der in Oxford ansässigen Firma Oxitec, einer Ausgliederung der Universität Oxford. Oxitec besitzt ein Patent auf die genetische Modifikation der männlichen Mücken. Diese paaren sich mit wildlebenden weiblichen Mücken, und deren Nachkommen sterben dann bereits im Larvenstadium. Dadurch wird die Gelbfiebermückenpopulation reduziert und die Verbreitung des durch Mücken übertragenen Dengue-Fiebers eingedämmt. Oxitec hat dem Vernehmen nach mit schweren finanziellen Problemen zu kämpfen. Wenn das Mückenprogramm des Unternehmens jedoch bewilligt wird, könnte das dazu führen, dass immer wieder GMO-Mücken freigesetzt werden und der Firma fortlaufenden Umsatz bringen.
Da die malaysische Landmasse nicht isoliert, sondern anderen Ländern benachbart ist (und da Mücken keine Staatsgrenzen anerkennen), werden durch den Import und die Freisetzung der GMO-Mücken möglicherweise internationale Gesetze gebrochen, da der grenzüberschreitende Transport von gentechnisch modifizierten Organismen durch das Cartagena-Protokoll über die biologische Sicherheit reguliert ist.
Labortests haben ergeben, dass zirka 34 Prozent der Nachkommen von männlichen GMO-Mücken und wildlebenden Weibchen überleben, obwohl sie genetisch eigentlich auf Sterben programmiert sind. Das Fortbestehen dieser transgenen Organismen in der Umwelt könnte unbekannte und möglicherweise gefährliche Folgen haben. Zusätzlich baut die Strategie, nur männliche Mücken freizusetzen, die keine Krankheiten übertragen, einzig und allein auf der Trennung der kleineren männlichen Mückenlarven von den weiblichen auf – ein Verfahren, das viele Möglichkeiten für menschliches und mechanisches Versagen bietet.
Sollte dieses Experiment tatsächlich zu einer Verkleinerung der Gelbfiebermücken-Population führen, dann besteht berechtigte Sorge, dass dadurch die Verbreitung der Asiatischen Tigermücke zunehmen könnte, die ebenfalls Dengue-Fieber und Chikungunya (eine ähnliche tropische Infektionskrankheit) überträgt. Daher bestehen starke ethische Bedenken, ob man die Malaysier und ihre Umwelt einem solchen Risiko aussetzen soll.
Oxitec ist übrigens die Firma, die auch hinter den umstrittenen GMO-Mückenversuchen der Jahre 2009 und 2010 auf den Kaimaninseln steckte. Damals wurde die Öffentlichkeit nicht informiert, was zu offiziellen Überprüfungen durch britische Behörden und das EU-Parlament führte.
Bei diesem Artikel handelt es sich um einen redigierten Auszug aus dem Bericht „Wer profitiert von GMO-Pflanzen? Eine Mythen-Industrie“ vom Februar 2011 (Ausgabe 212), der vom internationalen Sekretariat der Organisation Friends of the Earth International veröffentlicht wurde. Aus Platzgründen können wir hier nicht den gesamten Text abdrucken; Sie finden ihn jedoch, mit sämtlichen Fußnoten, unter: http://tinyurl.com/4ndgz5t