NEXUS Magazin: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/gefahren-der-genom-editierung
Was ist der Unterschied zu früheren gentechnischen Verfahren und zur traditionellen Züchtung? Die Methode mittels „Genschere“ ist bei Weitem nicht so genau, wie uns ihre Befürworter glauben machen wollen.
Genom-Editierung ist ein relativ neues Verfahren zur Modifizierung von Genen. Dabei wird zu Beginn der DNA-Doppelstrang an einer davor genau definierten Stelle aufgebrochen. Ein Bruch des DNA-Doppelstrangs aktiviert einen Reparaturmechanismus, der es je nach Versuchsaufbau ermöglicht, genetisches Material hinzuzufügen, zu entfernen oder den Locus [Ort eines Gens auf einem Chromosom, Anm. d. Red.] von Genen zu verändern.
Da der Bruch im DNA-Doppelstrang und die daraus resultierende Genmodifikation an gezielten Stellen herbeigeführt werden können, gilt Genom-Editierung als sehr präzises Verfahren. Im Gegensatz dazu werden bei älteren Methoden zur Genmanipulation die modifizierten Gene mehr oder weniger zufällig an verschiedenen Stellen der DNA eingebaut.
Mit der gezielten Ansteuerung der Position im DNA-Doppelstrang durch eine „Genschere“ wie CRISPR/Cas endet die Präzision der Genom-Editierung allerdings schon, denn die Reparatur des Bruchs wird vom zelleigenen Mechanismus durchgeführt und ist naturgemäß ungenau (siehe auch den Kasten am Ende des Artikels, wie die Sprachwahl bei der Beschreibung von Genom-Editierung Menschen im Hinblick auf die Präzision dieser Methode in die Irre führt).
Auf der einen Seite dient die Ungenauigkeit des DNA-Reparaturmechanismus dazu, die Funktion eines natürlichen Gens außer Kraft zu setzen, was der Sinn dieses Mechanismus ist. Auf der anderen Seite kann es dadurch auch zu ungeplanten DNA-Schäden (Mutationen) an anderen Gen-Loci außerhalb des gewählten DNA-Abschnitts kommen (Off-Target-Effekt) oder es können sich ungewollte Mutationen in der gewählten Sequenz bilden (On-Target-Effekt).
Die ungeplanten Mutationen, sowohl im gewählten DNA-Abschnitt als auch außerhalb, reichen von der Neuanordnung von Basenpaaren über deren Zerstörung bis hin zum Einbau von zusätzlichem Genmaterial. Unter anderem ist dabei auch eine Chromothripsis (die katastrophale Zerstörung und zufällige Umlagerung von DNA in Chromosomenabschnitten) oder sogar der Verlust ganzer Chromosomen möglich. Das wirkt sich negativ auf die Funktion zahlreicher Gene aus, nicht nur auf das Gen, das editiert werden sollte.
Wichtig in diesem Zusammenhang ist, dass die unerwünschten On-Target- und Off-Target-Effekte der Genom-Editierung erst auftreten, nachdem die Bearbeitung mit der Genschere, also das Aufbrechen des DNA-Doppelstrangs, abgeschlossen ist. Sprich, egal wie „präzise“ und gezielt der anfängliche Bruch in der DNA herbeigeführt wurde, die unerwünschten Schäden an der DNA werden immer auftreten, da sie ihren Ursprung im Reparaturmechanismus der Zelle haben – den Genforscher wenig bis gar nicht kontrollieren können.
Die unerwünschten Schäden in der DNA durch den Einsatz von Genscheren gehen weit über ausgedehnte Mutationen im gesamten Genom hinaus, die eine unvermeidbare Folge des gesamten Genom-Editierungsverfahrens sind, das auch weitere Schritte wie die Kultivierung von Pflanzengewebe und Veränderungen an Pflanzenzellen umfasst. Solche durch den Genom-Editierungsprozess induzierten Mutationen können in die Hunderte, wenn nicht gar Tausende gehen.
Ein entscheidender Punkt dabei ist, dass sich die Mutationen aufgrund der Genom-Editierung im gesamten Genom in Quantität und Qualität wesentlich von der normalen genetischen Varianz unterscheiden, wie sie bei natürlicher Vermehrung (Züchtung) aufritt.
Erstens zeigen Experimente, dass die ungewollten Mutationen aufgrund des Genom-Editierungsprozesses deutlich öfter auftreten1 als genetische Variationen über mehrere Generationen von Zucht.2,3
Zweitens ist die Qualität der Mutationen durch Genom-Editierung auffallend anders als die genetischen Variationen aufgrund natürlicher Fortpflanzung oder Züchtung mit zufälliger Mutagenese. Der Genom-Editierungsprozess führt zu ausgedehnten, zufälligen Mutationen im gesamten Genom. Im Gegensatz dazu treten die genetischen Variationen durch natürliche Fortpflanzung (und sogar bei Züchtung mit zufälliger Mutagenese) nicht zufällig auf – bestimmte Regionen des Genoms sind hier vor Mutationen geschützt.4
Darüber hinaus gibt es mittlerweile Belege dafür, dass die genetische Varianz, wie sie bei der natürlichen Vermehrung von Pflanzen auftritt, sich auf bestimmte Sequenzen konzentriert, die evolutionstechnisch sinnvoll sind und der Pflanze helfen, sich an veränderte Umweltbedingungen anzupassen.
Die unzähligen – zufälligen oder nicht zufälligen – On-Target- oder Off-Target-Mutationen im gesamten Genom, die bei der Genom-Editierung unvermeidlich sind, führen zu einer durchaus markanten Änderung der globalen Muster der Genexpression. Das wiederum führt zu Veränderungen in der Biochemie und Zusammensetzung der Pflanzenstoffe, wodurch unter anderem neue Gifte oder Allergene entstehen können.
Der „Keine fremde DNA“-Mythos
Es wird oft behauptet, Genom-Editierung entspräche herkömmlicher Zuchtauslese, da hier keine fremde DNA in die Zelle eingeschleust würde. Das ist jedoch falsch. Studien5 zeigen, dass fremde DNA und sogar vollständig fremde Gene6 durch Genom-Editierung7 in das Genom eingebaut werden können8 und dies auch gemacht9 wird, sowohl absichtlich10 als auch unabsichtlich11.
In sehr seltenen Fällen konnte nachgewiesen12 werden, dass fremdes Genmaterial13 durch natürlich auftretende Ereignisse14 in die DNA von Pflanzen eingebaut wurde. Das führte zur Behauptung, Genmodifikation sei etwas Natürliches und man müsse sich keine Sorgen machen.
Solche Ereignisse sind allerdings sehr, sehr selten und treten nur lokal auf. Zusätzlich ist das Ergebnis im Laufe der Zeit weiter selektiert worden. Alles, was sich als potenziell gefährlich erwies, weil es etwa giftig oder stark allergen war, wurde von den Landwirten und Saatgutproduzenten aussortiert.
Bei Genom-Editierung und anderen Techniken zur Genmanipulation trifft das jedoch nicht zu. Als Folge davon werden potenziell gefährliche Nutzpflanzen in einer relativ kurzen Zeitspanne großflächig und weltweit angebaut und geerntet. Die Globalisierung der Nahrungsmittelproduktion sowie die (teilweise) fehlende Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Organismen (GMO) macht die Ursachenforschung von gesundheitsschädigenden Wirkungen solcher Pflanzen beinahe unmöglich.
Die Entwickler von GMO-Pflanzen behaupten oft, sie würden die fremde DNA durch nachfolgende Kreuzungen wieder herauszüchten. Es ist jedoch unmöglich, fremde DNA aus einem Genom zu entfernen, von der man gar nicht weiß, dass sie existiert. Und es ist auch klar, dass die Entwickler landwirtschaftlich genutzter GMO15 gar nicht nach solchen Effekten16 suchen17. Sie benutzen die falschen Analysetools dafür – das ist, als würde man ohne Nachtsichtgerät im Dunkeln nach einem verlorenen Schlüsselbund suchen.
Darüber hinaus zeigt eine Studie von Dr. Yves Bertheau18, ehemaliger Forschungsleiter an Frankreichs Landwirtschaftsforschungsinstitut INRAE, dass derartige „Aufreinigungs“-Kreuzungen, wenn sie denn überhaupt durchgeführt werden, in hohem Maße von den Gewohnheiten und der Expertise des Entwicklers sowie den verfügbaren Materialien abhängen. In den meisten Fällen wird daher die „Genom-Säuberung“ mittels Rückzüchtungen nicht gründlich genug gemacht. Infolgedessen können die marktfertigen GMO unerwünschte Schäden in der DNA aufweisen, mit potenziell gefährlichen Auswirkungen.
Die wissenschaftlichen Grundlagen, auf denen Genom-Editierung beruht, zeigen eindeutig, dass diese Technologie bei Weitem nicht so präzise, berechenbar und sicher ist, wie ihre Befürworter behaupten. Ganz im Gegenteil, die Wissenschaft dahinter beweist, dass Genom-Editierung sich in wesentlichen Punkten von natürlicher Züchtung unterscheidet und dass Produkte der Genom-Editierung (Pflanzen und Tiere) ein Risiko für Gesundheit und Umwelt darstellen, das für jeden Einzelfall nach strengen Regulierungsvorschriften bewertet werden sollte. Diejenigen, die heute eine Deregulierung (Wegfall von Sicherheitsprüfungen, Nachverfolgbarkeit und Kennzeichnung) solcher Produkte verlangen, widersprechen somit allen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
CRISPR (Clustered Regularly Interspaced Short Palindromic Repeats) ist eine Technologie zur Genom-Editierung.
Die Funktionsweise der „Genschere“ ist simpel: CRISPR ist ein Werkzeug, um einen bestimmten DNA-Abschnitt in einer Zelle zu finden. Im zweiten Schritt der Genom-Editierung wird dieser DNA-Abschnitt verändert.
CRISPR kann in angepasster Form aber noch viel mehr, beispielsweise Gene ein- oder ausschalten, ohne ihre DNA-Sequenz zu verändern. Es gab zwar bereits Methoden zur Genom-Editierung von Pflanzen und Tieren vor der Entwicklung der CRISPR-Technik im Jahr 2012, doch sie dauerten zum Teil Jahre und kosteten Hunderttausende Dollar. Mit CRISPR war dies nun einfach und kostengünstig möglich.
Die Genschere hat noch zahlreiche andere Verwendungszwecke, zum Beispiel das Erstellen des „Fingerabdrucks“ einer Zelle, das Protokollieren von Vorgängen innerhalb der Zellen, die Steuerung der Zellentwicklung oder die Nutzung von „Gene Drives“ zur Bekämpfung von Insekten.
– NewScientist.com
In seinem Buch „The Mutant Project“ erklärt Professor Eben Kirksey, wie mit Ausdrücken wie „Genom-Editierung“ Präzision suggeriert wird, um die chaotischen Zelldynamiken dahinter zu verschleiern. Ein bewaffneter Drohnenangriff ist laut Kirksey ein besserer Vergleich. Er schreibt:
„‚Genom-Editierung‘ ist keine besonders gute Beschreibung der Wissenschaft hinter CRISPR. Mit einem Computer kann ich ganz einfach Text aus einer Anwendung ausschneiden und in eine andere einfügen oder Dinge sauberlöschen –Wort für Wort und Zeile für Zeile. Doch CRISPR hat diese exakten Bearbeitungsfunktionen nicht. CRISPR ist eher eine winzige Todesdrohne, die gezielt DNA-Schäden verursachen kann. Manchmal gelingt damit ein exakter Treffer, der das Ziel zerstört. Die Genschere kann aber auch immense Kollateralschäden verursachen, wie ein Drohnenangriff, der eine Hochzeitsgesellschaft statt des geplanten Ziels ausschaltet. Im Versuch, den Code des Lebens zu verbessern, pulverisieren die Wissenschaftler oft große Teile der DNA. CRISPR kann auch vom geplanten Weg abweichen, wenn die Zielkoordinaten mehrdeutig sind, wie eine Drohne, die automatisch auch die Freunde, Nachbarn und Verwandten eines vermuteten Terroristen tötet. CRISPR kann über Wochen hinweg in den Zellen aktiv bleiben, von Chromosom zu Chromosom springen und die DNA wieder und wieder beschädigen, wann immer eine Sequenz dem eigentlichen Ziel ähnelt.
Beim Einsatz von CRISPR sollte immer auch vermittelt werden, dass ein Risiko besteht und Vorsicht geboten ist. Es wurden andere Begriffe – beispielsweise ,Genom-Chirurgie‘ oder ,DNA-Hacking‘ – vorgeschlagen, die ‚Genom-Editierung‘ ersetzen sollten. Die Vorstellung von Genom-Chirurgie beinhaltet auch, dass das Skalpell des Chirurgen abrutschen und so eine unbeabsichtigte Verletzung verursachen kann. Jeder dieser Vergleiche – die Drohne, das Skalpell oder der Code des Hackers – vermittelt eine Idee der Funktionsweise von CRISPR und kaschiert gleichzeitig die chaotischen Zelldynamiken. Da es keinen perfekten Vergleich gibt, beschreibt die technische Sichtweise die Genschere meiner Ansicht nach am besten: CRISPR ist ein Enzym, das gezielte Mutagenese auslöst.
Mit anderen Worten: CRISPR erzeugt Mutationen.“