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Fettleibigkeit: Suche nach neuen Erklärungen

Fettleibigkeit und Gewichtszunahme bekommt man nicht unter Kontrolle, indem man weniger isst und sich mehr bewegt. Viel wichtiger ist es, die richtigen Lebensmittel zu konsumieren, die nicht durch moderne Landwirtschaftsmethoden und industrielle Verarbeitungsprozesse verändert wurden.


Der dramatische Anstieg bei Fettleibigkeit und ähnlich gearteten Krankheiten

Der amerikanische Dokumentarfilm „Super Size Me“ begleitet das Experiment eines jungen Mannes, der herausfinden wollte, was geschehen würde, wenn er einen ganzen Monat lang jeden Tag Fast Food äße.1 Man kann Morgan Spurlock dabei zusehen, wie er 30 Tage lang drei mal täglich McDonalds-Nahrung zu sich nimmt. Im weiteren Verlauf der Geschichte erfahren wir mehr und mehr über das wachsende Problem der Fettleibigkeit in den USA.2

Währenddessen wird eine gründliche Untersuchung der physischen, mentalen und emotionalen Folgen durchgeführt, die durch zu viel Fast-Food-Konsum hervorgerufen werden. Wie wir möglicherweise schon erraten konnten, wird Spurlock krank und nimmt sehr schnell zu. Es überrascht nur, dass er sogar noch fetter und kränker wird, als sein Ärzteteam erwartet hatte. Dieses Ernährungsexperiment wirft wichtige Fragen auf: Ist es tatsächlich der Fast-Food-Konsum, der für den derzeitigen dramatischen Anstieg von Fettleibigkeit verantwortlich ist? Und was macht Fast Food so ungesund für uns? Spielen noch andere Faktoren eine Rolle? Diese Fragen sollten wir uns alle stellen, denn die Fettleibigkeit ist nicht länger nur ein amerikanisches Problem. Sie breitet sich mit wachsender Geschwindigkeit in der ganzen Welt aus. Die derzeitigen Schätzungen liegen bei weltweit einer Milliarde übergewichtigen Erwachsenen, von denen 300 Millionen klinisch fettleibig sind.3

Allein in den Vereinigten Staaten hat sich die Zahl fettleibiger Personen in den letzten 20 bis 25 Jahren verdoppelt. Gegenwärtigen Schätzungen zufolge sind 30 Prozent der US-Bevölkerung klinisch fettleibig und 65 Prozent übergewichtig.4 Da die amerikanische Kultur eines der größten Exportprodukte der westlichen Welt ist, verwundert es nicht, dass ihre Verhaltensweisen – sowie ihre Gesundheitsprobleme – sich schnell rund um den Globus ausbreiten. In anderen Ländern wie Russland, Deutschland und der Tschechischen Republik liegen die Fettleibigkeits-Raten von Erwachsenen zwischen 23 und 26 Prozent. 4a,4b In Australien sind rund 20 Prozent der gesamten erwachsenen Bevölkerung fettleibig,5 in Großbritannien und Kanada liegt die Rate nahe 15 Prozent.6 Da es gleichfalls einen starken Anstieg übergewichtiger und fettleibiger Kinder gibt, werden die Zahlen weiter steigen. Man schätzt, dass allein 22 Millionen Kinder unter fünf Jahren in den USA klinisch fettleibig sind. Das sind doppelt so viele wie 1980. Noch alarmierender sind die Zahlen bei Jugendlichen, denn diese haben sich seit 1980 verdreifacht, von damals fünf Prozent auf heute 16 Prozent.7

Die WHO ist sich des Problems, das sie bereits als „Weltleibigkeits“-Epidemie bezeichnet, deutlich bewusst.8 Nach ihrer Aussage kosten die vielen ernsthaften chronischen Krankheiten, die mit Fettleibigkeit in Verbindung stehen, die Welt Milliarden Dollar bei der Krankenversorgung sowie an verlorenen Arbeitsstunden. Fettleibigkeit wird auf der Liste vermeidbarer Krankheiten nur noch vom Rauchen übertroffen. Fettleibigkeit ist ein großer Risikofaktor für Arteriosklerose, Diabetes und Krebs – die Krankheiten der modernen industrialisierten Gesellschaft. Das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfall und Depressionen – ganz zu schweigen von den zahlreichen weniger folgenschweren Krankheiten wie Gelenkdegenerationen und Gastritis – ist bei Fettleibigen ebenfalls weitaus höher.

Im Film macht Spurlock eindeutig die Fast-Food-Industrie für dieses Problem verantwortlich. Er wiederholt das derzeitige Dogma über Fettleibigkeit, aber diese Begründungen kennen wir bereits. Zunächst, sagt er, nähmen wir zu viel Nahrung zu uns, zu viele Kalorien. Zweitens äßen wir zu viel Fett. Drittens würden wir uns zu wenig bewegen. Immer und immer wieder haben wir diese Erklärungen gehört. Kriegen wir das nicht in unser Gehirn? Versuchen wir es nicht stark genug? Oder liegt das Problem doch woanders?

Hier ist eine Liste unserer kollektiven Glaubenssätze zum Thema Fettleibigkeit:

  1. Fettleibigkeit ist die Folge von über-essen, des Essens zu vieler Kalorien.
  2. Fettleibigkeit ist die Folge der übermäßigen Aufnahme gesättigten Fettes. Fett essen – besonders das Fett aus tierischen Produkten – macht fett.
  3. Fettleibigkeit ist die Folge mangelnder Willenskraft und eine Charakterschwäche.
  4. Fettleibigkeit ist eine genetische Veranlagung, wie braune Augen, und man kann nichts dagegen tun.
  5. Fettleibigkeit wird verursacht durch übermäßigen Genuss, Gefräßigkeit, alle Bedenken in den Wind schlagen und dem Mangel an moralischer Standhaftigkeit.
  6. Fettleibigkeit wird allein durch den Mangel an körperlicher Bewegung verursacht.

Jeder von uns hat das ein oder andere Mal vermutet, dass Fast Food und Süßigkeiten nicht gut für uns seien. Der Anteil der Amerikaner, die regelmäßig Fast-Food-Einrichtungen besuchen, liegt um die 20 Prozent, während der Anteil der übergewichtigen US-Bürger bereits nahe 65 Prozent liegt. Die Fast-Food-Verbindung kann folglich nicht für alles verantwortlich gemacht werden.

Wir halten sehr viel von unserer Ernährung aus „Fleisch und Kartoffeln“. Was wir uns aber nicht eingestehen können ist, dass selbst diese Lebensmittel anders sind, als sie es einst waren. Das Fleisch stammt von kranken Tieren und ist mit Hormonen, Antibiotika und anderen Medikamenten versetzt. Aufgrund der unnatürlichen Nahrung, mit der diese Tiere aufgezogen wurden, hat sich die Qualität des Fettes und der Proteine im Fleisch radikal verändert. Die Kartoffeln wurden genetisch modifiziert und mit gefährlichen, schwer abbaubaren Pestiziden, synthetischem Dünger und anderen Zusätzen behandelt.

Es gab eine Zeit, in der das Essen, das man im Supermarkt kaufte, um es zu Hause zu kochen, eine weitaus bessere Qualität hatte als die „Nahrung“, die man in Fast-Food-Restaurants bekam. Diese Annahme können wir nicht länger aufrechterhalten. Aus vielen Gründen wälzen wir ganz bequem alle unsere gesundheitlichen Sorgen auf das Junk Food ab. Möglicherweise verleugnen wir damit den wahren Zustand unserer Nahrungsmittel.

Dass wir die Schuld aufs Fast Food schieben, kommt in jedem Fall der Landwirtschaftsindustrie zugute, weil das die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit von ihr selbst ablenkt. Es ist eine traurige Tatsache, dass das Essen bei McDonalds und die Nahrungsmittel aus dem Supermarkt nicht mehr so verschieden sind, wie sie es einmal waren.

Auf irgendeiner Ebene denken wir, dass wir die derzeitige Situation unter Kontrolle haben. Regierungen und Gesundheitsexperten haben ihre Studien durchgeführt und ihre Empfehlungen ausgesprochen. Die Dinge verlaufen für sie wie geplant. Doch nun ruft die Situation verzweifelt nach gründlicherer Analyse und tieferem Verstehen. Wir müssen uns die Fettleibigkeit aus einer anderen Perspektive ansehen, um den Weg zu verändern, auf dem sich die Dinge entwickeln. Unser gegenwärtiger Ansatz reicht dazu nicht aus. In ihren Wurzeln ist die Fettleibigkeit ein Symptom für ein viel größeres Problem. Wir könnten unsere schwierige Lage besser verstehen, wenn wir einen holistischeren Standpunkt annähmen, wie er uns von den traditionellen Systemen der Medizin angeboten wird.

Die Eimer-Theorie

Eine populäre Erklärung für die Fettleibigkeit basiert auf der „Eimer-Theorie“. Diese Hypothese besagt, dass der menschliche Körper wie ein Eimer sei: die Nahrung, die man aufnimmt, füllt den Eimer, und die Bewegungen, die man ausführt, leeren ihn. Folglich überfüllen die Leute, die an Gewicht zunehmen, ihren Eimer und entleeren ihn zu wenig. Die Botschaft für zu Hause, die in unsere Kehlen gestopft wurde, lautet: Wir essen zu viel und bewegen uns zu wenig. Aber es ist viel mehr als nur das!

Diese Eimer-Theorie nimmt an, dass alle Kalorien gleich behandelt werden könnten, dass alle die gleichen Auswirkungen auf Gesundheit und Krankheit hätten. Sie vergisst dabei, die Unterschiede zwischen gesund und ungesund produzierter Nahrung in Betracht zu ziehen. Sie vernachlässigt die Unterschiede in der Qualität, die mit jeder Nahrungskategorie verbunden sind. Die tatsächlichen Bedürfnisse des menschlichen Körpers werden von ihr nicht beachtet. Und vor allem ignoriert sie all die anderen komplizierten Faktoren, die neben zu viel Nahrung und fehlender Bewegung zur Entstehung von Fettleibigkeit beitragen.

Die Eimer-Theorie geht von der Annahme aus, dass bei jemandem, der Fettleibigkeit entwickelt, alle normalen Körperprozesse intakt sind und richtig funktionieren, aber das scheint nicht der Fall zu sein. Wir müssen die Idee verwerfen, Fettleibigkeit sei das Resultat normaler physiologischer Mechanismen. Damit der Körper diese krankhaften Ansammlungen bilden kann, die mit Fettleibigkeit einhergehen, muss er in einem anderen Operationsmodus arbeiten als normal. Es sieht beinahe so aus, als befinde sich der Körper in einer Art Überlebensmodus und kreiere den fettleibigen Typus als allerletzten Versuch, das Leben unter ungewöhnlich rauen Bedingungen, sowohl innerlichen als auch äußerlichen, zu erhalten. Beteiligt sind dabei ganz sicher verschiedene Funktionsstörungen, hormonale und metabolische Abnormitäten und pathogene Einflüsse. Meine Vermutung ist, dass keine normale, gesunde Person einfach fettleibig werden könnte, wenn man sie einfach zu viel essen und sich zu wenig bewegen lässt.9

Andere mögliche Faktoren, die die Entstehung von Fettleibigkeit begünstigen, sind multiple Nährstoffmängel, dysfunktionale Organsysteme, aus dem Gleichgewicht geratene endokrine und hormonale Aktivitäten, Sucht, Depression, Erschöpfung und Gefühle von psychischer und spiritueller Leere. Einem fettleibigen Menschen einfach nur zu sagen, sie oder er solle weniger essen und sich mehr bewegen, ist zu einfach gedacht, um diesem komplexen Zustand effektiv beizukommen. Und genau das ist der Punkt, an dem wir uns befinden. Es ist eine ganzheitliche Beurteilung notwendig, die alle Aspekte beinhaltet, mit denen wir konfrontiert sind. Menschen werden aus verschiedenen Gründen fettleibig oder, besser, als Folge multipler Faktoren.

Ebenso wahr ist, dass wir unser Essen näher betrachten müssen: Welche Nahrung nehmen wir vermehrt zu uns und welche weniger? Macht Fett essen wirklich fett? Der Mensch hat schon immer viel Fett zu sich genommen. Einige Kulturen erhalten 70 Prozent ihrer Kalorien aus dem Fett, und das hat sich seit tausenden von Jahren von einer Generation zur nächsten wiederholt.10 Warum sollten wir jetzt damit so ein großes Problem haben? Wir haben schon immer Fett mit unserer Nahrung aufgenommen – das hat sich nicht geändert. Was sich verändert hat, ist die Art des Fetts, die wir essen. Zum Beispiel hat der Konsum von Butterfett über die Jahre stetig abgenommen. Gleichzeitig nahm der Konsum von Kokosnussöl rapide ab, im Vergleich zu ein paar Jahrzehnten früher. Dagegen ist der Konsum pflanzlicher Öle explodiert11 – unzweifelhaft aufgrund der Tatsache, dass diese Öle (besonders die gehärteten und teilweise gehärteten Öle) die Hauptbestandteile abgepackter Nahrungsmittel sind, die wir im Supermarkt kaufen. Eine andere dubiose Zutat, die man neben den pflanzlichen Fetten oft findet, ist Maissirup mit hohem Fructose-Anteil (HFCS, high-fructose corn syrup, wird in den meisten Softdrinks der USA verwendet, d. Übers.). Wir konsumieren mehr dieser beiden Nahrungszusätze als jemals zuvor.

Meine Erfahrungen bei der Behandlung fettleibiger Menschen in einer „alternativen“ klinischen Praxis lassen vermuten, dass die Physiognomie der Fettleibigkeit ein weitaus komplizierteres Szenario darstellt, als maßlose Kalorienaufnahme und unzureichende Bewegung. Untersuchungen an diesen Personen haben mir gezeigt, dass nicht nur übermäßig viel Gewebe existiert, sondern auch große Defizite vorliegen. In der westlichen Wissenschaft würden wir diese Art Mängel mit fehlenden Vitaminen, Mineralien und Enzymen sowie der Erschöpfung endokriner Drüsen gleichsetzen. In der klinischen Praxis ist dies zu verallgemeinert, wenn man die Patienten mit ihrer übermäßigen Anhäufung von Körperschutt und dem ihn begleitenden Mangel an richtigen Materialien zum Aufbau der Gesundheit sieht. Der Prozess, durch den diese Transformation stattfindet, hat bestimmte Eigenschaften, die mit der amerikanischen Lebensart und unseren westlichen Ideologien einhergehen. Ausschlaggebend ist die Wahl unserer Lebensmittel, der Umgang mit unserem Körper, unseren Emotionen, der Arbeit, den Geburten und so weiter. Viele Generationen lang hatten wir keine wirklich gesundheitsbewusste Einstellung zum Leben.

Das Problem liegt nicht einfach nur in der Anhäufung von Fett. Wir müssen bedenken, dass die verarbeiteten und abgepackten Nahrungsmittel, die wir im Supermarkt kaufen, nicht so leicht verdaut werden können wie ihre natürlichen Gegenstücke. Folglich werden viele Substanzen vom Darm aufgenommen und in den Blutkreislauf geleitet, die nicht durch normale Körperfunktionen verarbeitet werden können. Fettleibigkeit ist eine Kombination der Anhäufung dieser unverdaulichen Materialien, gepaart mit aufgebrauchten Körperenergien, ausgelaugten endokrinen Reserven und erschöpfter Verdauungskapazität. Als Endresultat verliert das System an Komplexität; der Körper wird zu einem Müllbeutel, gefüllt mit Dingen, die er weder braucht noch fähig ist aufzubrechen oder zu entsorgen. Äußerlich können wir die Dinge klar unterscheiden. Wir nennen es schon gar nicht mehr Fett, weil wir wissen, dass es etwas anderes ist. Zellulitis, „Rettungsring“, „Bierbauch“: Sogar der Volksmund weiß, dass es mehr als nur einfache Fettablagerungen sind. In einer fettleibigen Person hat das Fett selbst einen anderen chemischen Aufbau als das Fett in einer gesunden Person.

Alle Zellen im Körper des Menschen (egal, ob fettleibig oder nicht) beinhalten Fett. Die Zellmembran, die die Grenze zwischen zwei Zellen bildet, nennt man Lipid-Doppelschicht, und sie besteht aus Fett – etwa 50 Prozent gesättigtes und 50 Prozent ungesättigtes Fett beispielsweise in einer typischen Blutzelle. An der Oberfläche jeder Zelle existiert demnach eine Schicht Fettmoleküle. Wie ein Ballon Luft enthält, befindet sich innerhalb der Zellmembran der Inhalt der Zelle. Jede Zelle des Körpers ist so aufgebaut. An der Zellmembran finden viele Prozesse statt. Hormone und andere Moleküle binden sich an die Zellmembran und lassen die Zelle so alle essentiellen Lebensfunktionen ausführen. Alles, was die Zelle zum Funktionieren und Überleben braucht, muss die Membran durchqueren. Sie muss als eine „selektive Grenze“ agieren, d.h. sie muss bestimmte Moleküle hindurchlassen, während unerwünschten Materialien der Zugang verwehrt wird. Die Zellmembranen benötigen eine konstante Versorgung mit neuen Fettmolekülen, um diejenigen zu ersetzen, die durch verschiedene Prozesse verloren gegangen sind. Die richtige Mischung aus gesättigten und ungesättigten Fetten in guter Qualität ist nötig, um die korrekte Funktionsweise dieser verbundenen Strukturen zu gewährleisten. Ist dies nicht der Fall, wird der Körper andere verfügbare Fettmoleküle einbauen.

Bei fettleibigen Menschen enthält die Zellmembran eine entartete Mischung von Fettmolekülen.12 Die kurzfristige Folge davon ist, dass die Zellen nicht länger korrekt arbeiten. Die Membran kann nicht mehr als selektive Grenze agieren und lässt alle möglichen Stoffe, die im Blutkreislauf zirkulieren, in die Zelle hinein. Werden die Fettzellen größer, erlauben sie eine noch größere Anhäufung der falschen Lipide. Gesunde Komponenten wie das Enzym Lipase, das Fettmoleküle abbaut, sind nicht mehr vorhanden. Das Fett selbst kann als Speicherareal für fettlösliche Substanzen fungieren, und viele Umweltgifte, denen wir ausgesetzt sind, sind fettlöslich: sie sind „ölig“ im Gegensatz zu „wässrig“. Folglich reichert sich dieser giftige Abfall im Fettgewebe an und wird auf unbestimmte Zeit eingelagert. Das Fett hat die Fähigkeit, seine eigenen potentiell giftigen Substanzen zu synthetisieren: Östrogen beispielsweise wird im Fettgewebe von Männern und Frauen produziert. Während ein gesundes Gleichgewicht von Östrogen für die Gesundheit unabdingbar ist, kann eine Überproduktion im Körper alle möglichen Schwierigkeiten verursachen. Östrogen unterstützt das Wachstum und die Bildung von Gewebe, daher bindet es das Fett eher im Körper. Es fördert aber auch das Wachstum von Tumoren.

Entartung der Nahrungsmittelversorgung

Wir können das Fast Food nicht für alle unsere Übel verantwortlich machen. In den heutigen Supermärkten sind Nahrungsmittel die Norm, die vollständig aus industriell erzeugten Stoffen bestehen. Künstlich hergestellte Zutaten wie gehärtete und teilweise gehärtete Öle, die in vielen Studien mit verschiedenen chronischen Krankheiten wie Diabetes, Krebs und Fettleibigkeit in Verbindung gebracht wurden, befinden sich in fast allen vorgefertigten Nahrungsmitteln.13 Hinzu kommen Konservierungsmittel, Geschmacksverstärker und Süßstoffe. Man kann im Supermarkt nur schwer Erzeugnisse finden, die keinen Zucker oder hochkonzentrierten Maissirup enthalten. Genetisch veränderte Organismen sind mittlerweile weit gebräuchlich und in schätzungsweise 70 Prozent aller verarbeiteten Nahrungsmittel enthalten.

Die Landwirtschaftsindustrie scheint trotz der endlosen Manipulation unserer Nahrungsmittelversorgung keine Gewissensbisse zu empfinden, denn für die Zukunft ist noch mehr geplant. Solange wir uns dieser Tatsachen nicht bewusst sind und uns nicht damit beschäftigen, wird die Industrie weiterhin die Produkte verkaufen, mit denen sie den meisten Gewinn macht. Dabei scheint die Gesundheit des Konsumenten überhaupt keine Rolle zu spielen, sondern nur die Marketingstrategien, die uns diesen Müll als gesund verkaufen wollen.

Viele Personen, die Nahrungsmittel aus der Landwirtschaftsindustrie kaufen und verzehren, scheinen sich nicht darüber im Klaren zu sein, wie diese Nahrung tatsächlich hergestellt wird. Es ist kein Zufall, dass diese Informationen vor der Öffentlichkeit zurückgehalten werden.

Tiere aus Massentierhaltungen der Landwirtschaftsindustrie werden in einem grausam beengten Lebensraum gehalten. Sie bekommen das billigste Futter, wozu auch „recycelte“ Tierkadaver gehören. Sie werden mit Medikamenten, Hormonen und Antibiotika vollgestopft, damit sie ja nicht sterben, bevor sie groß genug sind, um gegessen zu werden. Alle diese unnatürlichen Verfahren und Belastungen verändern die Struktur des Fleisches auf unterschiedliche Weise. Sie verlagern das Gleichgewicht der Fettsäuren auf ein ungesundes Übermaß von Omega-6 und eine Unterversorgung mit Omega-3. Toxine und chemische Belastungen kommen hinzu. Die Tiere fressen ungesunde Abfallprodukte, Mais und Sojabohnen. Normalerweise fressen Kühe Heu und Gras. Werden sie jedoch anormal ernährt, verändert dies drastisch die Qualität des Fleisches, so dass die darin enthaltenen Fette und Proteine nicht mehr so gesundheitsfördernd sind, wie sie es einst waren.

In den letzten Jahren hat sich allerdings das Interesse an regional gewachsenen Produkten, die unter Berücksichtigung der Konsumenten hergestellt werden, verstärkt, so dass Sie nicht lange suchen müssen, um diese zu finden. In vielen Städten gibt es „Bauernmärkte“, auf denen lokale Produzenten ihre Lebensmittel direkt weiterverkaufen.

Der jetzige Trend in der Behandlung von Fettleibigkeit geht auf breiter Ebene in die Richtung, alle Verantwortlichkeit für das Problem auf die zu schieben, die davon betroffen sind. Auf eine Art ist das eine berechtigte Herangehensweise. Wenn die Menschen aufhören würden, Nahrungsmittel aus dem Supermarkt zu kaufen, würde die Nahrungsmittelindustrie aufhören, diese zu produzieren und die Supermärkte würden sie nicht mehr verkaufen. Die Frage, ob die Nahrungsmittelproduzenten allerdings überhaupt irgendeine Verpflichtung gegenüber den Konsumenten verspüren, führt über diesen Artikel hinaus.

Obwohl wir alle dem Sozialisationsprozess ausgesetzt sind, der uns zu einem Massenkonsum orientierten Leben führt, hat jeder von uns die Fähigkeit, diese Verhaltensweisen jederzeit zu verändern. Vielleicht ist der erste Schritt dazu, sich darüber bewusst zu werden, was hier vor sich geht.

Psychische und spirituelle Aspekte der Fettleibigkeit

Eine der größten psychischen Komponenten der Fettleibigkeit ist die Sucht. Menschen essen aus völlig verschiedenen Gründen: zur Unterhaltung, zum Trost, als Ersatz für Sex oder was auch immer. Wenn sich dieses Verhalten bis ins Extrem steigert, fördert es die Selbstzufriedenheit und damit das Unvermögen, Risiken einzugehen und etwas anderes auszuprobieren. Mit der Fettleibigkeit geht ein Gefühl spiritueller Leere einher, wobei viele Menschen diese Leere auf die eine oder andere Art mit Essen füllen wollen. Es scheint, als ob jeder von uns mit unterschiedlichen inneren Belastungen und Konflikten zu kämpfen habe, deren Lösung man nur mit Selbstbetrachtung näher kommt. Aber so lange wir von schlechter Nahrung und den in ihr enthaltenen Medikamenten betäubt sind, ist es schwierig, mit diesen tieferen, grundlegenden Themen in Berührung zu kommen. Die Natur der Sucht hält uns in einem Zustand gefangen, in dem wir beständig mit dem Schmerz fertig werden müssen, der von etwas Tiefem und Unergründlichem in uns hervorgerufen wird. Solange wir nicht beginnen, ein wenig von der Sucht abzulassen, werden wir den wahren Grund unserer Leere und unseres Schmerzes nie erfassen.

Die Esssucht kann sogar noch von etwas übertroffen werden: der gewohnheitsmäßigen Befriedigung durch selbstzerstörerische Gedanken und Gefühle. Wenn wir uns mit schlechten Gefühlen wie geringem Selbstvertrauen, Hilf- und Hoffnungslosigkeit vollstopfen, verbessert das nicht unbedingt die Ausgangslage. Für einige Personen unterstützt der depressive Zustand die Fettleibigkeit durch die Sucht nach tröstender Nahrung. Diese Beobachtung basiert auf dem Gedanken, dass unglückliche Menschen mehr essen, um sich besser zu fühlen. Eine andere Möglichkeit ist, dass der depressive Zustand selbst zur Fettleibigkeit beiträgt, indem er die Effizienz der Körperfunktionen herabsetzt. Das Schwimmen in unangenehmen Emotionen erzeugt Stillstand und Blockaden in den Organen und beeinträchtigt ihre Funktionsfähigkeit.

Um die Sucht zu besiegen, müssen wir als ganze Menschen leben. Wir sollten alle verschiedenen Aspekte des Lebens integrieren und uns an ihnen erfreuen. Wir müssen uns, zumindest bis zu einem gewissen Maß, aller inneren Prozesse bewusst werden – physische, emotionale, mentale und spirituelle. Wenn wir einen dieser Teile von uns vernachlässigen, ist eine Degeneration unvermeidlich. In unserer modernen Gesellschaft neigen wir dazu, nur die physischen Teile unserer Körper zu beachten. Alles, was den Geist und die Gefühle betrifft, wird auf das Gehirn und das höhere Nervensystem geschoben. Doch es gibt in jedem einzelnen Organ eine Verbindung zwischen diesen verschiedenen Ebenen. Viele traditionelle Systeme der Medizin erkennen die Intelligenz an, die dem Gewebe und jedem Teil des Körpers innewohnt. Innerhalb jedes Organs existieren Gefühle und Gedankenmuster. Diese Energien sind, wie die physische Substanz, ein untrennbarer Teil des Organs. Und die energetischen Anteile können genauso krank und dysfunktional werden. Unsere Entscheidungsfindung bei der Ernährung hat nicht nur Folgen für das physische Gewebe, sondern ebenso auf unsere mentale wie emotionale Gesundheit.

Wenn wir psycho-spirituelle Störungen wie die Depression mit der Fettleibigkeit in Verbindung bringen, nehmen wir manchmal an, dass das Problem nur bei den Essgewohnheiten zu suchen sei. Die östliche Medizin hingegen verbindet Emotionen direkt mit der richtigen Funktionsweise des Organsystems. Nach dieser Denkungsart könnte die Gewichtszunahme eine direkte Folge depressiver Gefühle sein, ungeachtet irgendwelcher Veränderungen im Essverhalten. Immer wieder die gleichen gewohnten Gefühle und Gedanken zu haben, kann die optimale Funktionsweise der inneren Organe herabsetzen. Nicht nur unsere Gefühle können niedergeschlagen sein, sondern ebenso all die verschiedenen Teile unseres Körpers. Sind die Organe in ihrer Funktionsweise beeinträchtigt, aufgrund einer Kombination aus falscher Ernährung und bedrückten Gefühlen, ist eine Krankheit unvermeidlich. Emotionale Traumata, unterdrückte Emotionen oder emotionale Exzesse haben auch negative Folgen für die inneren Organe. Das physische Gewebe und die emotionalen und geistigen Sphären des Bewusstseins stehen in engerem Zusammenhang als bisher gedacht.

Immer wieder wird die Wichtigkeit der körperlichen Bewegung betont. Es ist zwar wahr, dass Menschen spazieren gehen und sich Bewegung verschaffen sollten, um gesund zu werden, doch das allein ist nicht genug. Genauso wichtig ist die Bewegung auf geistiger und emotionaler Ebene. Menschen müssen auch denken und fühlen, um ganzheitliche, vollständige Wesen zu sein. Unser moderner Lebensstil unterdrückt nicht nur unser Vermögen, körperliche Bewegungen auszuführen, sondern auch unsere Fähigkeit zu denken und zu fühlen. Unsere festgelegten Tagesabläufe lassen uns wenig Raum, um über – und für – uns selbst nachzudenken. Es scheint so, als ob wir uns nicht den Raum eingestehen, den wir benötigen, um unsere Gefühle loszulassen. Wir neigen viel lieber zu Lösungsansätzen, die mit Fehlfunktionen zu leben lernen, als sie zu überwinden.

Fettleibigkeit überwinden

Wie dieser Artikel aufgezeigt hat, wird Fettleibigkeit von vielfältigen Faktoren hervorgerufen. Wir haben ein Bild gezeichnet, das sich bedeutend von den akzeptierten Mythen und Fehlkonzepten unterscheidet. Fassen wir zusammen:

  1. Fettleibigkeit ist ein Zustand, der mit falscher Ernährung und Nährstoffmängeln einhergeht.
  2. Fettleibigkeit entsteht aus Fehlfunktionen des Verdauungssystems aufgrund einer längerfristigen ungesunden Ernährung.
  3. Fettleibigkeit wird von einem Ungleichgewicht des endokrinen Systems unterstützt, das durch die Aufnahme industrieller pflanzlicher Öle, Zucker, exogener Hormone und Umweltgiften nicht mehr funktioniert.
  4. Die Wurzeln der Fettleibigkeit ankern in Sucht, Depressionen und dem Stillstand des persönlichen geistigen und emotionalen Horizonts.
  5. Fettleibigkeit steht in Verbindung mit dem Vermeiden von Lebensmitteln, die wirklich hilfreich sind, wie gesunde tierische Fette und Proteine.

Die allgemein vorgeschriebene Lösung des „weniger Essens und mehr Bewegens“ stellt keine Lösung dar, weil sie nicht einen dieser Schlüsselpunkte berührt.

Wenn wir das Problem der Fettleibigkeit als Volkskrankheit überwinden wollen, muss jeder Einzelne von uns seine Wahlfreiheit in die Hände nehmen und erneut entscheiden, wie er leben möchte. Mehrmals täglich haben wir die Möglichkeit, zwischen einem gesunden und einem kranken Leben zu wählen.

Die Verantwortung für diese Macht zu tragen und sie in vollstem Maß zu gebrauchen, ist das, was wir verzweifelt benötigen.

Endnoten

  1. Super Size Me. Regie: Morgan Spurlock, Showtime Independent Films und andere, 2004
  2. Fettleibigkeit wird definiert als Body Mass Index (BMI) von 30 und mehr, ein BMI von 25 und mehr wird als Übergewicht betrachtet. Um Ihren BMI zu ermitteln, nehmen Sie Ihr Gewicht in Kilogramm und teilen es durch das Quadrat ihrer Größe in Metern; z.B. BMI = Gewicht (kg) / Größe (m2).
  3. WHO: Global Strategy on Diet, Physical Activity and Health: Obesity and Overweight. www.who.int/dietphysicalactivity/publications/facts/obesity/en/.
  4. CDC/NCHS: Prevalence of Overweight and Obesity Among Adults: United States, 1999-2002. www.cdc.gov/nchs/products/pubs/pubd/hestats/obese/obse99.htm
    4a EU-Aktionsplattform für Ernährung, körperliche Bewegung und Gesundheit, International Obesity Task Force in Zusammenarbeit mit der Europäischen Gesellschaft zum Studium der Fettleibigkeit; http://ec.europa.eu/health/ph_determinants/life_style/nutrition/documents/iotf_en.pdf
    4b Obesity Surgery in Russia. Obesity Surgery, Februar 1999, 9(1):40-3
  5. Proietto, J.: “Can the obesity epidemic be stopped?” in Asia Pac J Clin Nutr, 2005, 14:32
  6. The Global Challenge of Obesity and the International Obesity Task Force. www.iuns.org/features/obesity/tabfig.htm#Figure%201
  7. CDC/NCHS: Prevalence of Overweight and Obesity Among Children and Adolescents: United States, 1999-2002. www.cdc.gov/nchs/products/pubs/pubd/hestats/overwght99.htm
  8. WHO: Controlling the global obesity epidemic. www.who.int/nutrition/topics/obesity/en
  9. Zu diesem Thema sollte man zwei Punkte beachten. Zunächst normalisierte sich Morgan Spurlocks Körpergewicht auf ein gesundes Maß, nachdem er die McDonalds-Ernährung einstellte. Zweitens gibt es einen Stamm in Afrika, der eine Art „Fettwettkampf“ durchführt. Die Teilnehmer kämpfen darum, in kürzester Zeit das meiste Gewicht zuzulegen. Während des Wettkampfs sitzt jeder Teilnehmer in einem kleinen Kreis mit einem Durchmesser von 1,5 Metern, und bleibt bis zum Ende darin sitzen. Freunde bringen der Person große Mengen Milch, mit denen sie sich volllaufen lässt. Wie voherzusehen war, nehmen die Personen gewaltige Ausmaße an. Nach dem Wettkampf allerdings kehren alle Personen zum normalen Tagesablauf zurück und schrumpfen wieder auf normale Größe.
  10. Fallon, Sally und Enig, Mary G.: Nourishing Traditions. New Trends Publishing, Inc., Washington, DC, 2001 (zweite überarbeitete Auflage), S. 7
  11. Putnam, Judy und Gerrior, Shirley: Trends in the US Food Supply, 1979-97. USDA/ERS, www.ers.usda.gov/publications/aib750/aib750g.pdf
  12. Petrescu, O. et al.: “Long-chain fatty acid uptake is upregulated in omental adipocytes from patients undergoing bariatric surgery for obesity.” in Int J Obes, London, Februar 2005, 29(2):196-203
  13. Ichinose, Y. et al.: “Formatioin of experimental obesity by Crisco.” in Nippon Yakurigaku Zasshi, 1984, 83(4):309-15