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Bei Steinkreisen denkt man unwillkürlich an die großen britischen Megalithstätten von Avebury und Stonehenge, auch Göbekli Tepe in der Türkei und Adam’s Calendar in Südafrika dürften inzwischen bekannt sein. Doch Steinkreise und ähnliche Formationen gibt es auf der ganzen Welt: von den britischen Inseln bis nach Australien, von Nordamerika bis Japan. Die in den Kreisen auftretenden unerklärlichen Anomalien und ihre geometrischen wie astronomischen Ausrichtungen haben Forscher seit jeher zu den wildesten Spekulationen veranlasst. Hugh Newman nimmt uns mit auf eine kurzweilige und reich bebilderte Rundreise in die Welt der Menhire und Megalithen.
Steinkreise beschwören eine längst verlorene Welt voller geheimnisvoller Zeremonien, Druiden, Sterndeuter, heidnischer Tänze und wissbegieriger Altertumsforscher herauf. Das berühmteste Beispiel ist wohl Stonehenge in Wiltshire, Großbritannien, dessen Decksteine und Trilithen diesen Ort gleichzeitig zu einem der ungewöhnlichsten seiner Art machen (Abb. 1). Die meisten der mehr als 1.000 allein auf den Britischen Inseln verzeichneten Steinkreise, deren Errichtung offenbar ein wichtiger Teil der Kultur unserer Vorfahren war, sind weniger prächtig.
Stonehenge ist außerdem bekannt für seine Sonnenaufgänge zu den Sommersonnenwenden. Die Forschung der letzten 60 Jahre hat aufgezeigt, dass auch viele andere Steinkreise anhand astronomischer Phänomene ausgerichtet wurden und ähnliche geometrische Formen und Maßsysteme aufweisen.
Archäologen, Altertumsforscher und andere Interessierte haben lange gerätselt, wie diese mächtigen Ringe errichtet wurden. Im 17. Jahrhundert lieferten die Christen verschiedene Erklärungen natürlichen und übernatürlichen Ursprungs, und so tummeln sich in den Legenden um den Bau der Steinkreise zahlreiche Teufel, Riesen, Hexen und allerlei andere mythologische Gestalten. Denn wie sonst hätte man diese tonnenschweren Steine behauen, transportieren und mit solcher Präzision anordnen können? Avebury ist so groß, dass heute ein ganzes Dorf in seinem Hauptkreis Platz findet. Aus den Bruchstücken des größten Steins in diesem Kreis konnte eine ganze Kirche erbaut werden.
Wer immer diese überwältigenden Bauwerke errichtet hat, muss ein umfassendes Verständnis von Konstruktionswesen, Vermessungskunde, Geometrie und Astronomie besessen haben. Und diese unbekannten Baumeister waren nicht nur vereinzelt tätig – denn wie die folgenden Seiten zeigen werden, war der Steinkreisbau einst ein weltweites Unterfangen.
Auf den Hügeln in der Nähe des heutigen Şanliurfa im Südosten der Türkei befand sich eine gewaltige megalithische Anlage. Göbekli Tepe (Abb. 2) kann auf die Zeit der neolithischen Revolution vor 12.000 Jahren zurückdatiert werden und ist somit 6.500 Jahre älter als Stonehenge und 7.000 Jahre älter als die ägyptischen Pyramiden. Seine noch erhaltenen Steinkreise (mindestens 60 an der Zahl und nach dem bisherigen Forschungsstand die ältesten weltweit) zeugen von beeindruckenden handwerklichen und künstlerischen Fähigkeiten. Sie bestehen aus T-förmigen, bis zu sechs Meter hohen Säulen. Viele davon zieren Tierreliefs (zum Beispiel Skorpione, Keiler und Löwen) oder abstrakte menschliche Figuren, die Gürtel mit rätselhaften Aufschriften aus den Buchstaben H und U tragen. Die größeren Steine sind in flachen Fundamenten verankert und durch stützendes Trockenmauerwerk voneinander getrennt. In der Mitte einiger dieser Anlagen sind zwei Pfeiler zu einem ausgehöhlten Stein hin ausgerichtet. Der größte und älteste dieser Steine ist 20 Meter breit. Im nahe gelegenen Steinbruch steht noch immer eine Kalksteinsäule von beeindruckenden sieben Metern Höhe.
Über 3.000 Jahre hinweg wurden die Steinkreise mit Trümmern gefüllt, um Hügel aufzuschütten. Auf diesen errichtete man weitere kreisförmige Bauwerke. Um 8000 v. Chr. wurde der ganze Komplex sorgfältig restauriert und erneut zugeschüttet. Interessanterweise sind die ältesten Ringe zugleich die größten und aufwendigsten.
Wie bei vielen jüngeren Steinkreisen auf der ganzen Welt sind auch in Göbekli Tepe astronomische Prinzipien deutlich erkennbar (Abb. 3, rechts). Die Darstellungen auf dem Geierstein könnten die allerersten Tierkreissymbole oder andere Sternkonstellationen (einschließlich des Schwans) zeigen (Abb. 3, links). Beim ältesten noch existierenden Bauwerk der Menschheit scheint es sich also um eine Sternwarte zu handeln, in der man die Präzession beobachtet hat, die 25.800 Jahre währende Kreiswanderung des Himmelspols.
Ungewöhnliche napfförmige Vertiefungen auf den Fundamenten und einigen der ältesten Säulen weisen Ähnlichkeiten zu den mehrere Tausend Jahre später auftretenden britischen Schalensteinen auf.
Wie wir gerade gesehen haben, wurden schon vor über 12.000 Jahren Steinkreise in der Türkei errichtet. Auch in anderen Gegenden rund um das Mittelmeer zeugen alte Steingebilde von ähnlichen Vorgehensweisen. Atlit Yim, ein überschwemmter Halbkreis an der Küste Israels, lässt sich auf 6900 v. Chr. zurückdatieren, während der Kromlech von Almendres in Portugal (Abb. 26) um 6000 v. Chr. und Karahundsch (Abb. 31) in Armenien um 5500 v. Chr. erbaut wurden.
Vor 6.500 Jahren erschienen die ersten Megalithbauwerke, wie wir sie heute nennen, in der Bretagne, Frankreich, und Großbritannien. (Megalith bedeutet übersetzt „großer Stein“.) Alte britische Stämme häuften Erde auf Kammern mit Kalksteinwänden, um Grabtempel zu erbauen, die sogenannten Lang- bzw. Hünenbetten. Diese rätselhaften Stätten, darunter zum Beispiel das West Kennet Long Barrow, stammen mehrheitlich aus dem Spätneolithikum und sind die Vorgänger der weitaus größeren Konstruktionen von Avebury, Silbury Hill und Stonehenge.
Die ältesten Steinkreise auf den Britischen Inseln, die großen Findlingskreise von Sligo, gehen in etwa auf das Jahr 4600 v. Chr. zurück, und von dieser Zeit an bis zum Jahr 1400 v. Chr. waren monolithische Kreise der letzte Schrei. Später wurden keine mehr errichtet.
Die erste Welle der Megalithomanie in Großbritannien wurde von dem englischen Altertumsforscher und Schriftsteller John Aubrey (1626 – 1697) entfacht. Im Alter von 22 Jahren stieß er bei der Jagd auf die wunderbaren Steinbauten in Avebury, die ihn tief bewegten. Daraufhin besuchte er noch andere megalithische Anlagen, darunter Stonehenge und die Rollright Stones. Diese beschrieb er in seinem Werk „Monumenta Britannica“, das kurioserweise bis zum Jahr 1980 nicht als Gesamtwerk veröffentlicht wurde. Zuvor hatte Inigo Jones (1573 – 1652) erklärt, dass Stonehenge von den Römern und nicht von den Druiden erbaut worden sei. Diese Vorstellung stieß allerdings nicht auf großen Zuspruch.
Der bekannteste Altertumsforscher war der Geistliche und spätere Arzt William Stukeley (1687 – 1765) aus Lincolnshire, der die ländlichen Gegenden Englands bereiste und seine Beobachtungen in Zeichnungen verewigte. Wie John Aubrey kam er zu dem Schluss, dass die Erbauer der Steinkreise die Druiden gewesen sein müssen. Stonehenge empfand er als „so beglückend wie einen Zauber“. Solche Theorien trugen zur Wiederauferstehung des modernen Druidentums bei, das auch heute noch in Stonehenge und anderen Stätten zelebriert wird.
Wie nun haben unsere Altvorderen ihre Steinkreise errichtet? Geoffrey of Monmouth schreibt es in „The History of the Kings of Britain“ (1150) Merlin selbst zu, Stonehenge erbaut zu haben. Dabei habe er „Ausrüstung“ aus Irland verwendet. In Monmouths Werk finden auch Riesen Erwähnung, und die älteste bekannte Darstellung dieses Steinkreises zeigt Merlin zusammen mit einem Riesen, der einen Oberbalken ausrichtet (Abb. 7, links). Anders als Stonehenge, dessen Steine sorgfältig behauen wurden und zum Teil aus Preseli in Wales stammen, das 160 unwegsame Kilometer entfernt liegt, bestehen die meisten Steinkreise aus grob beschlagenen Steinen. Nichtsdestotrotz mussten auch diese transportiert, ausgerichtet und zurechtgerückt werden. Richard Atkinson hat verschiedene Techniken zum Transport und zur Aufrichtung der Steine entworfen (Abb. 8).
Trotzdem: Es bleibt ein Rätsel. In Florida arbeitete Edward Leedslanin (1887 – 1951) allein an Coral Castle. Er hatte keine Hilfe beim Herausbrechen, Behauen und Aufrichten der wuchtigen Korallenfelsen – allerdings sind seine Methoden bis heute nicht schlüssig belegt. In den 1960er Jahren gewannen John Michells (1933 – 2009) Vorstellungen der „Erdkräfte“ (tellurische und magnetische Ströme, die stark genug sein könnten, um große Steine anzuheben) an Beliebtheit. Zehn Jahre später fand Paul Devereux heraus, dass viele Steinkreise vor allem während der Abenddämmerung und im Morgengrauen besondere elektromagnetische und akustische Eigenschaften aufweisen.