NEXUS Magazin: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/die-dezentralisierung-des-geldes-2-evolution-der-zahlungscoins
Die in dieser Kolumne aufgeführten Digitalwährungen wollen dem Euro und Dollar Konkurrenz machen! Das ist nicht selbstverständlich, denn viele Kryptowährungen verfolgen völlig andere Ziele. Ein Beispiel aus der letzten Kolumne war mit Ethereum ein Coin, der versucht, eine Blockchain für dezentrale Programme, die sogenannten Smart Contracts, zur Verfügung zu stellen.
Doch dieses Mal geht es um Bezahlcoins, also Digitalwährungen mit dem Ziel, das Zahlungsmittel der Zukunft zu werden. Da immer mehr solcher Digitalwährungen entstehen, ist hier geradezu eine Dezentralisierung des Geldes zu beobachten: weg vom gesetzlich festgeschriebenen Zahlungsmittel und hin zu einem Wettbewerb der Währungen.
Bei der Entwicklung der Bezahlcoins kann man von einer regelrechten Evolution sprechen, da die meisten durch Abspaltungen bereits existierender Kryptowährungen entstanden sind.
Bitcoin ist natürlich der größte und bekannteste Zahlungscoin und war gewissermaßen der Urknall des Kryptokosmos. Doch schon kurze Zeit nach dessen Etablierung gab es Verbesserungsvorschläge und an allen Ecken und Enden des Kryptokosmos entstand neues Leben. Eine der ersten Bitcoin-Abspaltungen war Litecoin.
Litecoin spaltete sich 2011 vom Bitcoin ab und ist einer der größten und bekanntesten Coins. Der größte Unterschied zum Bitcoin besteht in einer Änderung des Verfahrens, mit dem neue Blöcke entstehen. Um bei Digitalwährungen neue Blöcke zu berechnen, müssen Computer kryptografische, also künstlich schwierig gehaltene Rätsel lösen. Deren Schwierigkeit wird beim Bitcoin automatisch alle 2016 Blöcke angepasst, sodass selbst bei enormem Anstieg der Rechenleistung immer etwa zehn Minuten zur Berechnung der Blöcke benötigt werden.
Den Litecoin-Gründern war das zu langsam, weshalb sie sich auf einen Algorithmus geeinigt haben, bei dem alle 2,5 Minuten ein neuer Block entsteht. Da Transaktionen immer in den neuen Blöcken gespeichert werden, sind Litecoin-Transfers meist schneller als Bitcoin-Transfers.
Außerdem wurde die maximale Anzahl der Coins von 21 Millionen beim Bitcoin auf 84 Millionen beim Litecoin angehoben.
Häufig wird Litecoin als das „digitale Silber“ bezeichnet, in Anlehnung an dessen großen Bruder. Ansonsten unterscheidet sich Litecoin technisch kaum vom Bitcoin. Deswegen wird er häufig als Testfeld für Updates genutzt, die später auch beim Bitcoin angewandt werden sollen.
Ursprünglich war Dash eine Abspaltung vom Litecoin und hieß Xcoin, nur um sich kurz darauf in Darkcoin umzubenennen. 2015 wurde der Name aus Marketinggründen zu Dash geändert, was für „Digital Cash“, also digitales Bargeld steht.
Die Digitalwährung stellt die nächste Innovationsstufe unter den Coins dar, an der sich viele andere Digitalwährungen orientieren. Deshalb muss ich hier etwas weiter ausholen.
Angelehnt an die Tatsache, dass die Zahlungsströme von Bargeld nicht nachverfolgt werden können, bemüht sich Dash um hohe Anonymität. So gibt es bei Dash die Funktion „Private Send“, die Transaktionen durch verschiedene technische Verfahren verschlüsselt. Hierbei werden Transaktionen etwa nicht direkt zum Empfänger gesandt, sondern in einem uneinsehbaren Pool von Zahlungen gesammelt und anschließend weiterverschickt. Auf diese Weise ist von außen nur festzustellen, dass eine Dash-Transaktion an den Zahlungspool ging. Nicht klar ist jedoch, an welche Adresse sie von dort aus transferiert wurde. Dies war im Grunde der Startschuss für eine Art Wettrennen, bei dem diverse Kryptowährungen versuchen, höchstmögliche Anonymität zu erzeugen. Führend darin sind derzeit die Coins Monero, Zcash und Dash.
Eine andere Innovation von Dash sind die sogenannten Masternodes. Doch was sind eigentlich Nodes? Das Bitcoin-Netzwerk wird aufrechterhalten von Minern und Nodes. Die Miner berechnen die Blockchain. Wer einen neuen Block als Erstes errechnen konnte, erhält die Transaktionsgebühren aller in dem Block getätigten Transfers und den Block-Reward. Derzeit werden pro Block 12,5 Bitcoins ausgeschüttet. Mining kann mit der entsprechenden Rechenpower also äußerst profitabel sein, weshalb weltweit eine Hardwareschlacht zwischen den größten Minern im Gange ist.
Weniger profitabel ist allerdings das Betreiben von Nodes. Diese stellen sozusagen die „Polizisten“ innerhalb der Blockchain dar, die die Ergebnisse der Miner ständig gegenprüfen und verifizieren. Wer eine Bitcoin-Node betreiben möchte, braucht viel guten Willen, denn das Betreiben einer Node ist technisch aufwändig und kostet viel Strom. Dennoch sind die Nodes das Rückgrat der Bitcoin-Community: Je mehr Nodes existieren, desto dezentraler ist das Netzwerk.
Das finanzielle Missverhältnis zwischen Minern und Nodes behebt Dash mit sogenannten Masternodes. Jeder, der eine Node betreibt, wird dafür mit neuen Coins belohnt. 45 Prozent der durch Mining neu geschöpften Dash werden dabei auf die Betreiber von Masternodes aufgeteilt und nur 45 Prozent gehen an die Miner selbst. Die restlichen zehn Prozent fließen in einen speziellen Topf zur Weiterentwicklung von Dash. Über die genaue Verwendung des Budgets entscheiden wiederum die Masternode-Betreiber in demokratischen Abstimmungen.
Der große Nachteil an den Masternodes ist, dass zum Betreiben einer solchen 1.000 Dash hinterlegt und eingefroren werden müssen. Dadurch wird zwar der Preis stabilisiert – auch in schwierigen Marktphasen ist es unwahrscheinlich, dass die Masternode-Betreiber all ihre Coins verkaufen –, allerdings sind die 1.000 Dash für einen Normalverdiener kaum noch erschwinglich. Derzeit würde eine Masternode über 200.000 Euro kosten. Insofern ist das Netzwerk durch den starken Preisanstieg von 2017 mittlerweile durch die Besitzer von Masternodes zentralisiert.
Auf das Skalierungsproblem reagiert Dash mit einer Vergrößerung der Blöcke. Die Community hat bereits entschieden, die Blöcke auf bis zu 400 Megabyte – also dem 400-Fachen der Bitcoin-Blöcke – zu vergrößern, sofern es nötig wird. Durch das geplante Projekt „Dash-Evolution“ soll die Nutzung von Dash so einfach gemacht werden wie die PayPal-Nutzung.
Bitcoin Cash wurde in meiner Kolumne in Heft 76 bereits angeschnitten, ist aber ein so großer und etablierter Coin, dass er bei den Zahlungscoins Erwähnung finden muss. Er ist durch eine Abspaltung des Bitcoin im Sommer 2017 entstanden und ein Produkt der jahrelang anhaltenden Skalierungsdebatte. Während der größere Teil des Bitcoin-Netzwerks sich gegen eine Vergrößerung der Blöcke entschieden hat und somit Sidechain-Lösungen abseits der Blockchain wie etwa das Lightning Network präferiert, sind die Köpfe hinter diesem Coin der Meinung: Bitcoin kann durch eine Erhöhung der Blockgröße sehr wohl skalieren. Diesen Weg gehen sie konsequent durch eine stetige Vergrößerung der Blöcke.
Bitcoin Cash nimmt für sich in Anspruch, dem eigentlichen Grundgedanken des Bitcoin-Gründers Satoshi Nakamoto zu folgen und sieht sich selbst somit als den wahren Bitcoin.
Es bleibt abzuwarten, in welche Richtung die Evolution der Zahlungscoins weiter verläuft. Es gibt Ideen, sich komplett von der Blockchain abzuwenden, um Techniken zu nutzen, die ebenfalls Dezentralität nutzen, jedoch besser skalieren als die Blockchain. Keine dieser Ideen konnte jedoch bereits so umgesetzt worden, dass sie in der Praxis so gut anwendbar wären wie die Blockchain.
Um allerdings mit Kryptowährungen bezahlen zu können, müssen Sie gar nicht auf diese Entwicklungen warten: Firmen wie TenX oder Monaco geben bereits heute Kreditkarten heraus, die Sie mit den Digitalwährungen Ihrer Wahl aufladen können. Beim Bezahlen mit diesen Karten werden die Coins automatisch zum aktuellen Kurs in Euro oder Dollar gewechselt. Über eine App können Sie verwalten, welche Kryptowährung Sie zum Zahlen nutzen möchten. Im deutschsprachigen Bereich ist die Kreditkarte von TenX am populärsten. Das dürfte auch an dem Firmengründer Julian Hosp liegen, der wohl der bekannteste deutschsprachige Krypto-Youtuber ist.
In der nächsten Kolumne möchte ich den Blickwinkel noch weiter vergrößern und die möglicherweise kommende Dezentralisierung des gesamten Internets durch die Blockchain thematisieren. Wir werden dabei anschauen, welche blockchainbasierten Projekte Internetriesen wie Google, Facebook oder Amazon Konkurrenz machen könnten.
Ihr Kryptokosmonaut,
Max