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Die Akte Lusty – Belege über ultra-geheime Waffentechnologie im Dritten Reich (Teil 2)

„Die Amerikaner haben das gesamte Land durchsiebt und ganze Berge an Bauplänen, technischen Aufzeichnungen und Gerätschaften auf direktem Wege in die USA gebracht.“


Es war noch dunkel, als ich aus der Wärme des Holiday Inn hinaus in die feuchte Kühle vor der Morgendämmerung trat, meine Taschen in den Kofferraum des Taxis hievte und mich auf der Rückbank zusammenkauerte, um die dreißigminütige Fahrt über den Fluß anzutreten. Ich hatte rund acht Stunden Zeit, um die Lusty-Unterlagen nach Beweisen für eine Technologie zu durchstöbern, die laut Cross nicht beweisbar war.

Der Pendlerverkehr verstopfte sämtliche Brücken, und die Spitze des Washington Monument, des Obelisken, kratzte an den tiefhängenden Wolken. Über die Frederick Douglass Memorial Bridge ging es hinein in einen Stadtteil, der nur dann Schlagzeilen machte, wenn einmal mehr als nur drei oder vier Personen aus einem vorbeifahrenden Wagen heraus erschossen wurden.

Als ich mich bei der Wache am Haupttor anmeldete, frischte der Wind auf und wehte Gischt von den unruhigen grauen Wassern der Flüsse Potomac und Anacostia herüber, die sich bei Greenleaf Point trafen. Die Gischt sammelte sich zu kleinen Bächen, die sich über die Straße schlängelten, während der Taxifahrer das Straßengewirr nach der Adresse absuchte, die man mir genannt hatte. Er brauchte fünfzehn teure Minuten, um sie zu finden.

Das Archiv lag versteckt in einem abgelegenen Winkel des Bolling-Luftwaffenstützpunktes, auf der auch die Defense Intelligence Agency und das Office for Special Investigations der US-Luftwaffe angesiedelt waren. Es war nicht gerade ein Ort, der zu Spaziergängen einlud oder durch seine schöne Aussicht lockte.

Bolling war ein großer, abgeriegelter Militärdistrikt, der zwischen den schwarzen Wassern des Potomac und dem Bauland der Stadtteile Congress Heights und Washington Highlands lag. Er grenzte auch an das St. Elizabeth’s – ein Krankenhaus, das seit seiner Umbenennung der Unterbringung gefährlicher Geisteskranker diente –, wo John Hinckley wegen seines Mordversuchs an Präsident Reagan saß.

Der Lesesaal des kleinen Büros für die Geschichte der US-Luftwaffe war nur spärlich beleuchtet und hatte keine Fenster. Wie versprochen, hatte die Leiterin des Archivs mir eine Tasse Kaffee neben das Mikrofilmlesegerät gestellt, das gegenüber der letzten Reihe metallener Bücherregale stand. Über der Tür zu ihrem Büro hing eine Uhr. Es war kurz nach halb acht. Die Klimaanlage war noch nicht angesprungen, und die Kondenswolke meines Atems vermischte sich mit dem Dampf, der von der Tasse aufstieg.

Die Dokumente waren auf mehrere Rollen Mikrofilm verteilt und, wie ihre Gegenstücke im Hauptarchiv in Alabama, in sehr schlechtem Zustand. Mein Zeitplan erlaubte mir jeweils eine Kopie, die ich beim Durchlesen erstellen würde. Mein Flug ging um 18:15 Uhr.

Um mir zu helfen, hatte die Leiterin des Archivs mir angeboten, das Büro früher als sonst zu öffnen und mir gesagt, ich könne ab 07:00 Uhr jederzeit kommen und der Kaffee gehe aufs Haus.

Meine Zeit war also schon knapp, als ich die erste Filmspule in das Lesegerät einlegte und mich an die Arbeit machte.

Die Akte Lusty begann mit einem kurzen geschichtlichen Abriß der Operation. Einleitend hieß es:

„In einem mittelalterlichen Gasthof nahe Thumersbach bei Berchtesgaden [Hitlers Zufluchtsort in Bayern] erwartete Anfang Mai 1945 der Generalstab der deutschen Luftwaffe geduldig den Ausgang der Kapitulationsverhandlungen, die im Norden des Landes stattfanden. Die Generäle waren im Laufe der vorausgegangenen Wochen per Wagen oder Flugzeug eingetroffen, nachdem der Fall Berlins sich nun deutlich abzeichnete, und standen in ständigem Kontakt zu Admiral Dönitz bei Flensburg. Eine dieser Botschaften wurde abgefangen, und so wurde ihr bis dahin unbekannter Aufenthaltsort aufgedeckt. Innerhalb von vierundzwanzig Stunden waren Oberleutnant O’Brien und eine kleine Gruppe, die die Auswertungsdivision des Geheimdienstdirektoriums der USAFE (United Air Forces in Europe) vertrat, vor Ort, machte den Generalstab ausfindig und begann eine Reihe von Gesprächen mit General Koller, der zu jenem Zeitpunkt das Kommando hatte.“

Oberst O’Briens Männer waren die Vorhut von zweihundert Offizieren, die man aus dem Hauptquartier der Army Air Forces geschickt hatte, um die Technikplünderungsoperation der USAAF zu überwachen. Es stand von Anfang an fest, daß sie ein Rennen gegen die Zeit liefen.

Im Chaos des zusammenbrechenden Dritten Reichs waren viele deutsche Wissenschaftler ums Leben gekommen; andere wiederum waren den Russen, die von Osten her vorrückten, oder den Amerikanern, Briten oder Franzosen im Westen in die Hände gefallen. Viele wurden in Gefangenenlagern festgehalten, aber in einem Land, in dem es von ehemaligen Arbeitssklaven und Verschleppten aus der Ära des Dritten Reichs nur so wimmelte – von denen die Alliierten fast alle darauf überprüfen mußten, ob es sich nicht um Parteimitglieder oder Kriegsverbrecher der Nazis handelte – war es nicht leicht, die wahre Identität und den Aufenthaltsort eines jeden ausfindig zu machen.

Die große Mehrheit der Wissenschaftler war allerdings noch in ihren Werkstätten und Laboren, als die vorstoßenden Einheiten der USAAF-Plünderungsoperation mit ihren Jeeps und Halbkettenfahrzeugen vorfuhren. Da ihnen nicht befohlen worden war, ihre Arbeit einzustellen, hatten sie einfach an ihrer Werkbank ausgeharrt, obwohl die Streitkräfte der Oberkommandos, von denen sie beauftragt worden waren, längst kapituliert hatten oder ausradiert worden waren.

Viele Dokumente und Baupläne fehlten. Die deutschen Projektleiter erzählten den US-amerikanischen Prüfern, sie hätten den Befehl erhalten, die Pläne zu zerstören, aber die Offiziere der USAAF lernten bald einiges über Psychologie: All die Männer und Frauen, die viele Jahre ihres Lebens der Entwicklung von Technologien gewidmet hatten, die aus ihrer Sicht die Technik des Feindes weit in den Schatten stellten, waren zu einem solchen Vandalismus nicht in der Lage gewesen. Die meisten der Akten existierten noch und waren nur versteckt worden.

Deutschland war von den Alliierten in Besatzungszonen aufgeteilt worden, und viele der aus technologischer Sicht interessanten deutschen Einrichtungen – wie die unterirdischen Hallen im Harz, in denen die V-1 und die V-2 produziert wurden – befanden sich in dem Sektor, der den Russen zugefallen war.

Es galt also, die fehlenden Dokumente ausfindig zu machen und unter amerikanische Kontrolle zu bringen, bevor die Zonen abgeriegelt wurden.

Durch Detektivarbeit und die Mithilfe deutscher Wissenschaftler und Programmleiter – die durch Zwang oder Überredungskunst immer dann zum Reden gebracht wurden, wenn man mit Detektivarbeit nicht weiterkam – wurden bergeweise Baupläne und Notizen lokalisiert und anschließend aus Seen, Höhlen, Krypten oder Minen geborgen oder auf Bauernhöfen und in Krankenhäusern aufgestöbert.

O’Briens Trupp stieß schon bald auf Gold: Die Aufspüraktion führte ihn von Thumersbach aus zu einem unterirdischen Luftschutzbunker, der in einen Berg nahe der Grenze zu Österreich eingelassen war. Dort fand man Akten des Geheimdienstdirektorats des deutschen Luftwaffenministeriums, Gruppe 1/Abteilung 6. In den Unterlagen wurden ausführlich die neuesten Luftwaffen der Deutschen beschrieben, darunter der Düsenjäger Me 262 und der Raketenjäger Me 163, verschiedene Radargeräte, Luft-Luft-Raketen und Lenkbomben. Aus ihnen ging auch hervor, daß die Baupläne für diese Waffen erst vor kurzem per U-Boot nach Japan geschmuggelt worden waren.

Während ich mich durch die Mitteilungen der an der Operation Lusty teilnehmenden Offiziere an ihre Vorgesetzten hindurcharbeitete, traf mich das Ausmaß dieser Operation und der Druck, unter dem die Beteiligten gestanden haben mußten, mit aller Wucht.

Am 22. April 1945 – zweieinhalb Wochen, bevor die Waffen in Europa verstummten – mußte man zusätzliche Rekruten anfordern, um des Materials Herr zu werden. „Es ist geplant, die Kapazität der Geheimdienstabteilung Luftwaffentechnik für diese Aktivitäten um das Zehnfache zu erhöhen und zu diesem Zweck die qualifiziertesten Experten der Army Air Forces heranzuziehen“, schrieb Brigadegeneral George C. McDonald, das Oberhaupt des USAAF-Geheimdienstes, an jenem Tag.

Welches Gewicht die technologische Ausbeute hatte, wird daran deutlich, daß schon Ende April eine „Gruppe von spezialisierten Wissenschaftlern“ am Schauplatz des Geschehens auftauchte, die von Dr. Theodore von Karman geleitet wurde, einem Sonderberater des Oberbefehlshabers der US Army Air Force.

Was diese Gruppe an Maschinen erwartete, beschrieb McDonalds Geheimdienstdirektorium detailliert in einem mehrseitigen Bericht, den ich ebenfalls auf dem Mikrofilm fand. Unter den Maschinen war ein düsenbetriebener Hubschrauber, der „einsatzfähig war und über den ein kompletter Satz Dokumente und detaillierte Zeichnungen existierte“, die Lippisch P-16, ein schwanzloses, raketenbetriebenes Spionageflugzeug, deren fortschrittlicher Aufbau darauf schließen ließ, daß sie „zu einer hohen Geschwindigkeit um Mach 1,85 in der Lage“ war, sowie eine Horten Ho 229, ein Nurflügel-Bomber mit zwei Strahlturbinen.

Weder Amerika noch sonst irgendein Land verfügte über irgend etwas Vergleichbares.

Es wurde Mittag, und ich hatte noch immer nichts gefunden, das auch nur im geringsten auf die Existenz der Maschinen hinwies, die in der Vesco/Schriever-Legende vorkamen.

Lusty vereinnahmte immer mehr Männer und Material, und die Suche nach hochentwickelter Technologie nahm immer größere Ausmaße an. Die Akten beschrieben ausführlich, daß immer mehr Schiffsladungen den Weg in die USA antraten:

„Hanau: Fünfzig Tonnen an Dokumenten bereit für die Verschiffung. München: Dreißig Tonnen an Dokumenten bereit für die Verschiffung. Teisendorf: Knapp zwei Tonnen an Dokumenten über Studien zum Flugverhalten von Lenkraketen sind vor Ort bereit für die Verschiffung …“

Aus ganz Deutschland wurden Unterlagen zusammengetragen, sortiert und in die USA abtransportiert.

Doch als es gerade so aussah, als habe die USAAF-Mission das meiste bewältigt, führten weitere Funde und Probleme zu einem erneuten Datenstau. Der vielleicht größte und am wenigsten erwartete unter diesen neuen Funden waren die unterirdischen Einrichtungen der Nazis. Die Untersuchenden hatten nicht erwartet, daß diese so groß und so zahlreich sein würden, denn die Aufklärung der Alliierten hatte lediglich vage Hinweise darauf erhalten, daß die Deutschen ihre Fabriken unterirdisch anlegten.

Die Untergrundeinrichtungen stießen bei mir auf großes Interesse, da die Nazis – der Legende zufolge – in ihnen an der Antigravitationstechnologie gearbeitet hatten.

Aus dem Datenverkehr, der sich um die Entdeckung dieser Einrichtungen im Sommer 1945 – drei bis vier Monate, nachdem der Krieg in Europa zu Ende war – drehte, ging hervor, daß die Lusty-Prüfer dadurch von ihrer eigentlichen Aufgabe, der Ausbeutung deutscher Technologien, abgelenkt wurden.

Am 29. August schickte General McDonald dem europäischen USAAF-Hauptquartier eine Liste mit sechs unterirdischen Fabriken, die man entdeckt und „ausgehoben“ hatte. Jede von ihnen hatte noch bis zum letzten Kriegstag Flugzeugteile oder anderes Spezialgerät für die deutsche Luftwaffe produziert.

McDonald zufolge waren die Tunnel und Stollen dieser Fabriken zwischen fünf und sechsundzwanzig Kilometern lang, vier bis zwanzig Metern breit und fünf bis fünfzehn Metern hoch und wiesen eine Fläche von 25.000 bis 130.000 Quadratmetern auf.

Sieben Wochen später hieß es in einem „Vorläufigen Bericht über die unterirdischen Fabriken und Einrichtungen in Deutschland und Österreich“, der an die hochrangigeren Offiziere der USAAF gerichtet war, daß die letzte Zählung eine „beträchtlich größere Anzahl an deutschen Untergrundfabriken ergab, als bislang angenommen wurde“.

Zusätzlich zu Deutschland und Österreich war das Programm zur Einrichtung unterirdischer Gebäude auch auf Frankreich, Italien, Ungarn und die Tschechoslowakei ausgeweitet worden.

„Obwohl die Deutschen erst ab März 1944 verstärkt in den Untergrund gegangen sind, haben während der letzten Kriegsmonate doch 143 unterirdische Produktionsstätten ihren Betrieb aufgenommen“, hieß es in dem Bericht. Weitere 107 Einrichtungen befanden sich gegen Ende der Feindseligkeiten in unterschiedlichen Phasen der Entstehung, und wenn man noch die Höhlen und Minen miteinbezog, die in Fabriken und Waffenlabore umgewandelt worden waren, stieg ihre Zahl um weitere 600.

Der Verfasser des Berichts war offensichtlich von dem Ausmaß dieses Untergrundplans überwältigt gewesen. „Es bleibt zu vermuten, was geschehen wäre, wenn die Deutschen bereits vor dem Krieg über unterirdische Einrichtungen verfügt hätten“, schloß er.

Unmittelbar nach der Untersuchung der deutschen Untergrundeinrichtungen erfolgte eine neue Direktive, die dieses Mal von einem hochrangigen Stabsoffizier der USAAF stammte und an General McDonald gerichtet war, dem Oberhaupt des Luftwaffengeheimdienstes in Wright Field, Ohio.

Entgegen dem für gewöhnlich eintönigen, vorhersagbaren Aufbau eines Dokuments, war der Ton dieser Direktive so ungewöhnlich und ihr Inhalt derart andersartig, daß ich eine Weile brauchte, bis ich seine volle Bedeutung erfaßt hatte. Sie stammte vom 28. September 1945:

1. Es wird davon ausgegangen, daß folgende Aspekte gründlich untersucht wurden und somit erwiesen ist, daß ihnen keinerlei beweisbare Fakten zugrunde liegen.

a. Fernbeeinflußung von Flugzeugen

Die Untersuchungen hierzu sind abgeschlossen, und man kann davon ausgehen, daß derzeit kein Mittel, das von der deutschen Luftwaffe entwickelt oder eingesetzt wurde, bekannt ist, das die Motoren von sich in der Luft befindlichen Flugzeugen beeinflussen kann. Alle Informationen, die aus Befragungen, der Untersuchung von Gerätschaften und Unterlagen gezogen wurden, sind sorgfältig geprüft worden, und somit ist dieses Thema mit negativem Ergebnis beigelegt.

b. Feuerbälle

Soweit sich aus eingehenden Befragungen, der Untersuchung von Dokumenten und Feldstudien schließen läßt, gibt es keine andere faktische Grundlage für die von Flugzeugbesatzungen stammenden Berichte über die Sichtung von Feuerbällen als die, daß diese Feuerbälle möglicherweise von Düsenflugzeugen oder Raketen erzeugt wurden. Das Thema kann somit als mit negativem Ergebnis beigelegt betrachtet werden.

A.R. Sullivan jr.,
Oberleutnant Sig. C.

Hier wurde erstmals der Foo-Fighter erwähnt. Sullivan teilte McDonald mit, daß man die Untersuchungen zu diesem Thema abgeschlossen habe. In der gesamten bisherigen Kommunikation zwischen der Front und Wright Field war nicht die kleinste Bemerkung über die „Fernbeeinflußung von Flugzeugen“ oder „Feuerbällen“ gefallen. Außerdem gab es nirgends einen Hinweis auf Befragungen, die stattgefunden hatten, oder auf Ausrüstung oder Dokumente, die im Hinblick auf potentielle Foo-Fighter-Technologie untersucht worden waren – oder auch nur einen Hinweis auf besondere „Feldstudien“, die unternommen worden waren, um einen Foo-Fighter zu jagen. Doch die Anweisung, das Thema sei „als mit negativem Ergebnis beigelegt“ zu betrachten, drang so schneidend in mein Bewußtsein, daß ich mich aufrichtete und mich fragte, ob ich etwas verpaßt hatte.

Ich spürte, wie sich die Aufregung in meiner Magengrube zusammenballte. Das Thema, so Sullivan, sei mit negativem Ergebnis beigelegt.

Warum?

Dadurch, daß die Memo auffällig formlos gehalten war, war mir ihre Bedeutung beim ersten Lesen nicht aufgegangen. Doch jetzt war sie mir klar. Es handelte sich nicht um eine beiläufige Anweisung. Dies war ein Befehl.

Ich ging ein paar Einblendungen zurück und stieß auf einen Feldbericht, in dem eine Untersuchung deutscher Lenkwaffentechnologien beschrieben wurde.

Mein Augenmerk fiel auf die Analyse eines Sensors namens Windhund. Der Windhund war eine Aufspürvorrichtung, die Flugzeuge ausfindig machte, indem sie die polaren Schwankungen der Luft maß, die das Flugzeug umgab. Dann setzte sie ihr Trägerflugzeug automatisch auf dessen Fährte, bis dieses den Bomber-Strom selbst erreichte.

Man mußte den Windhund lediglich mit einem Autopiloten verdrahten, um einen Mechanismus zu erhalten, mit dessen Hilfe man ein unbemanntes Flugzeug – möglicherweise den besagten Feuerball – erhielt, das automatisch gesteuert werden konnte.

In dem Dokument wurde noch ein weiterer Sensor beschrieben, der in einer ähnlichen Einrichtung (von derselben Organisation, aber an einem anderen Ort) entwickelt worden war und der Flugzeugabgase per Infrarot-Aufspürsystem ortete. Beide Technologien steckten noch in der ersten Phase, aber entscheidend war, daß man sie überhaupt untersuchte. Keiner der beiden Sensoren war, soweit ich wußte, bis heute – fünfzig Jahre später – fertiggestellt oder zumindest weiterentwickelt worden. Doch hier, im Jahre 1945, war die Rede von Sensoren, mit denen ein Foo-Fighter nahe genug an einen Bomber hätte herankommen können, um dessen Zündung lahmzulegen.

Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, einen Fuß in der Tür zu haben.

Ein paar Einblendungen weiter stieß ich auf ein umfangreiches Dokument in Tabellenform. Die Überschriften zogen sich über den gesamten Kopf des Papiers: Zielobjekt, Organisation, Stadt, Aktivität, Ausgewertet am (Datum), Erfolgte Maßnahme und Anmerkungen. Von der ersten Seite an war klar, daß es sich hierbei um eine ganz besondere Akte handelte, deren Datenmaterial noch nicht analysiert worden war und sofort aufgrund dessen, was sie aussagte – bzw. nicht aussagte – ins Auge stach. Hinter einem Zielobjekt – das nur als „Forschungsstation“ nahe dem Eibsee beschrieben wurde, die am 2. Mai 1945 merkwürdigerweise hauptsächlich von den Briten untersucht worden war – war unter „Anmerkungen“ zu lesen: „Über vierhundert aus Peenemünde evakuierte Arbeiter gefaßt. In einem Berg nahe des Sees ist eine Aushöhlung für unterirdische Werkstätten angelegt worden. Ein sehr bedeutendes Zielobjekt.“ Sonst nichts.

Überaus rätselhaft.

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Zielobjekt: Luftfahrtforschungs [sic]. Stadt: Braunschweig.

Aktivität: ferngesteuertes Flugzeug. Ausgewertet am: 21. bis 24. April 1945. Erfolgte Maßnahme: Team ist beseitigt worden. Anmerkungen: „Beweise für ferngesteuertes Flugzeug gefunden.“

Ich machte mir Notizen. Dies beschrieb möglicherweise eine weitere Foo-Fighter-Technologie.

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Zielobjekt: Forschung. Ort: Weimarerstraße 87, Wien. Aktivität: Versuche mit Strahlenwaffen zur Flugabwehr. Anmerkungen: „Die Forschungsarbeit wird in einem Gebäude unter der obigen Adresse durchgeführt. Dem Forschungspersonal war es nicht erlaubt, das Gebäude (welches, Berichten zufolge, hermetisch abgeriegelt war) zu verlassen.“

Also hatten die Deutschen doch an sogenannten Directed Energy Weapons (DEW), fokussierten Strahlenwaffen, gearbeitet und alle daran Beteiligten von der Außenwelt abgeschnitten.

So viele bahnbrechende Technologien, und das vor so langer Zeit. Ich war sprachlos.

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Zielobjekt: Daimler-Benz. Stadt: Stertürkheim / Stuttgart.

Aktivität: Geheimwaffe. Ausgewertet am: 25. April 1945. Anmerkungen: „Setzt angeblich das Zündsystem eines Ottomotors außer Kraft. Der Apparat hat, aus zwei bis drei Kilometern Entfernung, erfolgreich ein motorbetriebenes Fahrzeug mit Magnetzündung angehalten, nicht aber eines mit Batteriezündung.“

Weiter hieß es in dem Bericht, diese Technologie sei nicht weit genug entwickelt gewesen, um sie auch gegen Flugzeuge einzusetzen, aber er machte deutlich, daß dies das Ziel gewesen sei.

Also hatten die Deutschen sehr wohl an Vorrichtungen gearbeitet, die „die Motoren von sich in der Luft befindlichen Flugzeugen beeinflussen“ konnten, was im Widerspruch zu der Nachricht stand, die Oberst Sullivan am 28. September an General McDonald geschickt hatte.

Warum also hatte Sullivan gesagt, alle Informationen, die man aus Befragungen, der Untersuchung von Ausrüstungsgegenständen und Unterlagen habe entnehmen können, seien „sorgfältig geprüft“ worden und das Thema sei als „mit negativem Ergebnis beigelegt“ zu betrachten?

Welches negative Ergebnis?

Im Laufe der Jahre hatte ich unzählige – offizielle wie inoffizielle – Interviews mit Geheimdienstanalysten diesseits und jenseits des Atlantiks geführt, in denen es um die Waffenentwicklungen des Ostblocks gegangen war, und war daher mit einigen ihrer Methoden vertraut. Nie hätten sie eine Erfindung wie den Windhund so leichtfertig abgetan, wie Sullivan es getan hatte, wenn alle Beweise darauf hindeuteten, daß der Feind eine solch bahnbrechende Technologie entwickelte. Die Berichte wären zumindest in einer Verarbeitungsdatei gelandet. Wären die Funde im Laufe der Zeit nicht bestätigt worden, wäre die Akte nach und nach heruntergestuft worden. Erst dann wären die Agenten vor Ort angewiesen worden, keine diesbezüglichen Nachforschungen mehr anzustellen.

Sullivans an die Untersucher gerichtete Ermahnung, künftig die Suche nach einer Technologie einzustellen, die eine Hauptkomponente der Foo-Fighter-Sichtungen darstellte, einem Rätsel, das den Geheimdienst der USAAF im Winter 1944/45 vollkommen in Anspruch nahm, war, nun – ungewöhnlich.

Sofern man nicht einen Foo-Fighter aufgestöbert hatte und die Sache in aller Heimlichkeit fortsetzen wollte.

Es kam noch besser. Ich gelangte zu dem Bericht, der das letzte Zielobjekt beschrieb, das untersucht worden war: das Institut für Elektrophysik „Hermann Göring“ im bayerischen Landsberg am Lech. Wie viele der anderen, wirkte auch er zunächst harmlos, bis man zu den Anmerkungen gelangte, wo es hieß:

„Experimente, die teils auch auf dem Flugplatz bei Pensing, neun Kilometer nördlich (Richtung München), abgehalten werden. Aktivitäten: Forschung in den Bereichen Treibstoff, Flugzeuge, unbemannte Flugzeuge, Fernsteuerung.“

Hier war eine Einrichtung, die alle Aktivitäten, die Vescos Feuerball-Drohne kennzeichneten, in einem einzigen Programm verband: ein unbemanntes, ferngesteuertes Flugzeug, das die Motoren und elektrischen Systeme der alliierten Bomber lahmlegte. Und die Tatsache, daß die Forschungsarbeiten auf einem Flugplatz stattfanden, deuteten darauf hin, daß sich die Versuche bereits in einer fortgeschrittenen Phase befanden, als die Lusty-Analysten schließlich auf den Plan traten.

Ich starrte noch einige Minuten auf den Bildschirm und durchforstete den Text nach weiteren bestätigenden Details. Ich fand keine, und zudem wurde meine Zeit knapp.

Ich photokopierte, soviel ich konnte, bedankte mich bei der Archivistin und machte mich auf den Weg nach draußen. Mein Taxi wartete schon mit laufendem Motor, und seine Scheibenwischer kämpften gegen den Regen an. Ich warf meine Taschen neben mich auf die Rückbank und lehnte mich zurück. Gedanken über einen Bereich der Waffentechnologie, die anscheinend über ein halbes Jahrhundert lang unter Verschluß gehalten worden war, schwirrten mir im Kopf herum.

Erst, als ich mich schon auf dem Rückflug befand, konnte ich wieder klar denken.

Was hatte ich eigentlich nun über die Operation Lusty erfahren?

Daß die Deutschen an Technologien gearbeitet hatten, die das, was offizielle Berichte über ihre Errungenschaften auf dem Gebiet der Luftfahrt während des Zweiten Weltkriegs sagten, weit übertrafen?

Das sicherlich.

Daß die Deutschen ein Flugzeug entwickelt hatten, das die Foo-Fighter-Sichtungen durch die Piloten der Alliierten erklären mochte?

Möglicherweise.

Daß die Deutschen Antigravitationstechnologien entwickelt hatten – und daß diese nach dem Krieg den Amerikanern in die Hände gefallen waren?

Leider nicht.

Darüber hinaus hatte ich erfahren, daß die Akte Lusty schon Mitte der 1960er freigegeben worden war, mehrere Jahre, bevor Vescos Buch „Intercept – But Don’t Shoot“ erschienen war. Ein Skeptiker mochte behaupten, daß Vesco seinen Bericht einfach auf der Grundlage dieses Dokuments erfunden hatte.

Ich hatte gehofft, indem ich mich an ein paar grundlegende Ermittlungsmethoden hielt, greifbare Beweise für eine revolutionäre Antriebstechnologie zu finden, die bislang übersehen worden waren.

Doch so einfach war es natürlich nicht.

Trotz all der Geschichten gab es keine konkreten Belege dafür, daß die Deutschen eine fliegende Untertasse gebaut oder auch nur entworfen hatten. Niemand hatte bislang auch nur einen Beweis für einen Antigravitationsantrieb gefunden, der vor Gericht Bestand gehabt hätte.

Es gab noch einen kleinen Nachtrag zu der Geschichte um die Deutschen, und er stammte ausgerechnet aus Kanada. Damals schien er in keinerlei Zusammenhang zu meinen Ermittlungen zu stehen, doch sollte er sich später mit solcher Macht Gehör verschaffen, wie ich es kurz nach meiner Rückkehr aus Washington nicht für möglich gehalten hätte. Zurückblickend nannte ich ihn die „Silverbug-Affäre“.

Im April 1959 enthüllte das US-Verteidigungsministerium im Rahmen von Anhörungen vor dem Weltraum-Ausschuß im US-Kongreß, es arbeite gemeinsam mit der Avro Canada an der Entwicklung einer „fliegenden Untertasse“. Gemäß John Macauley, dem stellvertretenden Leiter der Abteilung Forschung und Konstruktion im Pentagon, sollte das Flugobjekt „sowohl unmittelbar über die Erdoberfläche gleiten als auch die Flughöhe herkömmlicher Flugzeuge erreichen“ können. Hier wurde erstmals öffentlich bekannt, daß die Avro an einer Flugscheibe, dem „Avrocar“, bastelte, die das geistige Kind eines genialen britischen Ingenieurs namens John Frost war, der kurz nach dem Krieg nach Kanada übergesiedelt war.

Die Aktivitäten rund um das Avro-Projekt waren geheimnisumwoben. Erstmals durchgedrungen war das Projekt bereits 1953, als der Toronto Star berichtete, das Unternehmen Avro arbeite an einer „fliegenden Untertasse“, die senkrecht starten und landen könne und Geschwindigkeiten bis zu 2.400 Stundenkilometern erreiche. Angeblich waren auch britische und US-amerikanische Wissenschaftler beteiligt. Sowohl die kanadische Regierung als auch Avro spielten die Berichte herunter.

Diese Reaktion wurde verständlich, als das Avrocar schließlich aus dem Schatten trat. Ein Blick auf den Prototyp genügte, um zu wissen, daß er niemals Überschallgeschwindigkeit erreichen würde. Testflüge hatten bewiesen, daß er wertlos war.

Das kraftlose, instabile Avrocar unternahm seinen ersten freien Flug im Dezember 1959 und überstand tapfer noch weitere zwei Jahre, in denen Frost und sein Team versuchten, seine Mängel zu beheben.

Als Ende 1961 der Vertrag mit den USA über das Projekt auslief, war das Avrocar noch immer nicht in der Lage, mehr als ein paar Meter vom Boden abzuheben. Die finanzielle Förderung des weltweit ersten offiziellen Flugscheiben-Programms wurde eingestellt, und so verschwand das Avrocar in der Versenkung – wenn auch für den Geschmack der kanadischen Luftfahrtindustrie nicht schnell genug, die seitdem bemüht war, sich von diesem Projekt zu distanzieren. Dort wie auch andernorts war das Projekt zu einem Synonym für Mißerfolg geworden, zu einem Witz der Luftfahrtszene.

Dennoch war denkbar, daß dies von Anfang an der Zweck des Ganzen war.

Aus Unterlagen, die erst kürzlich freigegeben worden waren, ging hervor, daß von 1952 bis 1961, als das Avrocar fallengelassen wurde, eine Gruppe von ausgewählten Wissenschaftlern, der „Spezialprojektgruppe“ von Avro, unter der Leitung von John Frost an einer Reihe von streng geheimen Projekten gearbeitet hatte, die genau das behandelten, was durch den Toronto Star 1953 ans Licht gekommen war.

Die Dokumente enthüllten, daß die Spezialgruppe – angefangen bei „Projekt Y“, das auch als „Manta“ bekannt war, über „Projekt 1794“ bis hin zu „Projekt PV 704“ – Technologien für eine ganze Sippe von fliegenden Untertassen getestet hatte, deren anvisierte Leistung die aller anderen Düsenjäger in den Schatten stellen sollte. Den Daten über das Projekt 1794 – der Plan für einen Abfangjäger in Form einer perfekten Scheibe – zufolge hätte dieser Jäger in einer Höhe von 100.000 Fuß Geschwindigkeiten bis Mach 4 erreichen sollen. Die besten Kampfflugzeuge, die damals gebaut wurden, erreichten gerade einmal Mach 2.

Am 2. Dezember 1954 versuchte der kanadische Handelsminister C.D. Howe Spekulationen über die Existenz eines Flugscheiben-Programms von Avro abzuwiegeln, indem er einräumte, die kanadische Regierung habe zwar zwischen 1952 und 1953 tatsächlich Studien über scheibenförmige Flugzeuge gefördert, sei inzwischen aber davon abgerückt.

Es stellte sich heraus, daß das stimmte – zumindest bis zu einem gewissen Punkt. Tatsächlich war es so, daß der von Avro stammende Entwurf, der inzwischen „Projekt Y2“ hieß, von der US-Luftwaffe aufgekauft worden war und den neuen Decknamen „Projekt Silverbug“, Projekt Silberkäfer, erhalten hatte.

Da die US-Presse die USAF unter Druck setzte, den Inhalt des Programms – das zwar streng geheim war, jedoch auch dieses Mal durchgesickert war – bekanntzugeben, gab diese 1955 den einfachen Kommentar ab, man habe einen „Vertrag mit der Avro Company geschlossen, um an einem Entwurf für einen neuen Flugzeugtypen zu forschen und diesen weiterzuentwickeln“. Das war alles.

Die Unterlagen der US-Luftwaffe, die erst Mitte der 1990er freigegeben wurden, zeigten, wie revolutionär das Konzept war, das dem Projekt Silverbug/Y2 zugrunde lag.

„Der Bauplan für das Projekt Y2 verbindet eine Reihe von Verbesserungen, die aus der Anwendung mehrerer bahnbrechender Ideen in grundlegenden Bereichen erwachsen sind.“ Darunter war ein „Radialturbinentriebwerk von enormem Ausmaß, das – in die Flugzeugzelle integriert – einen einzigen runden, flachen Flügel ergibt, der seiner Erscheinung nach einem großen Diskus gleicht.“

Das Flugobjekt war demnach, anders gesagt, ein riesiges flaches Strahltriebwerk, bei dem die heiße Abluft, die es antrieb, aus Ritzen rund um den Rand austrat. Durch den gezielten Austritt des Düsenstrahls mußte der Silberkäfer in der Lage gewesen sein, auch bei hoher Geschwindigkeit spontan in jede beliebige Richtung auszuschwenken, Wendungen von 180 Grad zu fliegen oder wie eine kullernde Münze durch die Luft zu taumeln – all das, ohne den Piloten großartig zu beeinflussen, weil die Gravitationskräfte durch den regulierbaren Schub gemindert wurden.

Das klang ganz nach dem Flugkörper, der den Geheimdienst der US-Luftwaffe nach der ersten Welle von UFO-Sichtungen 1947 so gepiesackt hatte.

Eine solche radiale Gasturbine war mir zuvor nur im Deutschland des Zweiten Weltkriegs begegnet.

Nach der Schande des Avrocar-Programms hatte sich die Avro-Spezialprojektgruppe aufgelöst, und die meisten ihrer genialen Köpfe waren von verschiedenen US-Flugzeugherstellern und staatlichen Forschungseinrichtungen eingekauft worden. Die bemerkenswerteste Ausnahme hiervon stellte John Frost dar, das Ausnahmegenie, das die Flugscheiben-Projekte inspiriert hatte. Kurz nachdem sich das Unternehmen Avro im April 1962 aufgelöst hatte, wanderte er nach Neuseeland aus und ließ sich in Auckland nieder. Nachdem er so euphorisch für die kanadische und US-amerikanische Luftwaffe an der Entwicklung streng geheimer und höchst unkonventioneller Flugkörper mitgewirkt hatte, entschied Frost sich nun für die relative Anonymität, die er in einer Anstellung als Ingenieur bei der Air New Zealand fand. Er sprach kaum über seine Arbeit am Avrocar und erwähnte auch nie die Projekte, die hinter dem Avrocar gestanden hatten und bei denen es um Überschall-Flugscheiben gegangen war. Er starb im Oktober 1979 im Alter von 63 Jahren an einem Herzinfarkt.

Kurz nachdem ich aus Washington zurück war, rief ich Frosts Sohn Tony an. Ich hatte ihn in Auckland ausfindig gemacht. Dabei geholfen hatte mir eine kleine Schar von Wissenschaftlern, die allesamt über erstklassige Zeugnisse aus der Luftfahrtbranche verfügten und ganze Arbeit geleistet hatten, um die Geschichte um Avro zusammenzupuzzeln – die wahre Geschichte, in der echte Hochleistungs-Flugscheiben vorkamen, die weit entfernt waren vom phantastischen Charakter ihrer deutschen Gegenstücke.

„Mein Vater hat sich über seine Arbeit sehr bedeckt gehalten“, erzählte mir Tony Frost. „Alles, was ich über das weiß, was er in Kanada getan hat, habe ich von Leuten erfahren, die mit ihm zusammengearbeitet haben. Die Spezialprojektgruppe war eine Zeitlang die geheimste Gruppe ihrer Art sowohl in Kanada als auch in den USA, aber warum ihre Aktivitäten so lange im dunkeln bleiben mußten, ist mir nach wie vor ein Rätsel.“

In der kurzen Pause, die daraufhin entstand, strengte mein Verstand sich an, die Lücken zu füllen. War das schwerfällige Avrocar eine vorsätzliche Täuschung gewesen, um die Flak von dem tatsächlichen, aber geheimen Ziel der Spezialprojektgruppe abzulenken – von der Erschaffung eines Überschall-Abfangjägers, der senkrecht starten und landen konnte?

War die Arbeit an den Überschall-Flugscheiben vielleicht in den USA unter strengster Geheimhaltung fortgeführt worden, nachdem Avro seine Tore geschlossen hatte? War schon die Gestalt und Form der Untertasse an sich etwas, das es unter Verschluß zu halten galt?

Obwohl durch das Avro-Programm nicht vollständig geklärt wurde, inwieweit die USA 1947 über den scheibenförmigen Flugkörper Bescheid wußten, erklärte es doch eine Menge.

Zum einen hatte Avro bewiesen, daß es die von Menschen gebauten fliegenden Untertassen tatsächlich gab. Sie hatten definitiv existiert.

Zum anderen war die Bezeichnung, wenn man die Radialturbine gegen ein noch exotischeres Triebwerk austauschte – gegen ein Antriebssystem, wie T.T. Brown es beispielsweise entworfen hatte –, durchaus treffend.

In der Welt der konventionellen Luftfahrt war das Testen einer neuen Flugzeugzelle, in die ein bereits erprobter Motor eingesetzt war, ein Standardprozedere. Doch traf das auch auf das Avro-Programm zu? Benutzten die Amerikaner die Kanadier nur, um schnell noch die Aerodynamik der Untertasse zu verbessern, bevor man dieser auch noch ein brandneues Triebwerk verpassen würde – ein Triebwerk in der Art, wie Trimble und seine Kollegen es 1956 bereits angedeutet hatten?

Oder war die Wirklichkeit viel prosaischer? War das Avro-Programm zur Entwicklung der Überschall-Flugscheibe vielleicht nur deshalb all die Jahre vertuscht worden, um denen, die ihr Geld in einen Fehlschlag investiert hatten, die Peinlichkeit zu ersparen?

Auf diese Fragen gab es wohl keine Antwort, daher fragte ich Tony Frost statt dessen, wie sein Vater auf seine revolutionären Ideen gekommen war.

Beinahe beiläufig erzählte er mir, daß man vor kurzem im kanadischen Nationalarchiv auf eine Akte gestoßen sei, aus der hervorgehe, daß sein Vater 1953 nach Westdeutschland gereist sei. Dort traf sich Frost, in Begleitung von britischen und kanadischen Geheimdienstoffizieren, in einer kanadischen Regierungseinrichtung mit einem deutschen Luftfahrtingenieur, der behauptete, er habe an einer Maschine gearbeitet, die große Ähnlichkeit mit dem scheibenförmigen Flugkörper gehabt habe, der auf dem Reißbrett bei Avro entstanden war. Der Deutsche sagte, das Projekt sei 1944/45 an einem Ort nahe dem tschechischen Prag durchgeführt worden und die Untertasse sei nicht nur tatsächlich gebaut, sondern auch probegeflogen worden. Er berichtete Frost, daß sowohl die Pläne als auch die Maschine selbst während der letzten Kriegswochen zerstört worden seien.

Inwiefern Frost diese Informationen nutzte, ist nicht bekannt. Wie schon über die Überschall-Flugscheiben von Avro, sprach er auch hierüber nie – weder mit seiner Familie noch mit anderen.

Ich spürte förmlich, wie die geschichtlichen Daten mich auf altbekanntes Gebiet zurücklotsten: Wenn die Kanadier und die Briten die aus Deutschland stammende Flugscheibentechnologie tatsächlich verdunkelt haben sollten, so kam dies dem von Vesco beschriebenen Szenario gefährlich nahe.

Aber Tony Frost hatte Jahre mit dem Versuch verbracht, die geheime Lebensgeschichte seines Vaters zusammenzusetzen, und dennoch war er der Wahrheit nicht nähergekommen.


Kommentare

Kommentar von Fred (14. April 2013, 15:51 Uhr)

Aber nicht " ALLES " fiel in Ihre Hände:! Es gibt noch einige Stollen in einem Tal in der nähe von Berlin???

Fred


Kommentar von Don (07. Mai 2013, 23:49 Uhr)

Wo sollen diese sein? Selber schon mal da gewesen?


Kommentar von Don (07. Mai 2013, 23:50 Uhr)

Wo sollen diese sein? Selber schon mal da gewesen?


Kommentar von fred (30. März 2014, 20:00 Uhr)

~ lies mal was " Von Speer "!