NEXUS Magazin: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/der-untergang-des-amerikanischen-imperiums-und-seiner-wirtschaft
„Kreative Finanzierungsmodelle“ mit Credit Default Swaps und Derivatehandel haben die Vereinigten Staaten und fast den gesamten Rest der Welt an den Rand der wirtschaftlichen Katastrophe gebracht – und das Scheitern des Kapitalismus aufgezeigt.
„Ich glaube, dass Banken unsere Freiheit stärker gefährden als stehende Heere.“
Thomas Jefferson (1743–1826), Präsident der Vereinigten Staaten
Amerika liegt im Sterben. Es zerstört sich selbst und reißt den Rest der Welt mit in den Abgrund. Der durch die Subprime-Immobilienkrise ausgelöste Kurssturz verschleiert die wahre Ursache für den Zusammenbruch. Konkrete Fakten wie zum Beispiel wertlose, geplatzte Hypotheken werden als „reale“ Ursachen für das Massaker vorgeschoben. Dabei handelt es sich jedoch um einen Mythos. Das Finanzsystem konnte nur deshalb in dieser Größenordnung kollabieren, weil es ausschließlich aus heißer Luft bestand.
Das Bankgewerbe hat Versicherungs-Wettgeschäfte in „Credit Default Swaps“ und riskante Glücksspieleinsätze in „Derivate“ umbenannt. Geldverwalter und Bankdirektoren drehten der ganzen Welt ihre Schwindelgeschäfte an, so wie einst die Quacksalber des 18. Jahrhunderts. Im Oktober 2008 war der Finanzmarkt eine Billiarden-Dollar-Industrie (das sind 1.000 Billionen US-Dollar), deren Details kaum mehr jemand verstand.
Amerika wurde nur noch von falschen Hoffnungen aufrechterhalten – und bricht jetzt zusammen wie ein Kartenhaus.
Es begann Anfang des 20. Jahrhunderts. 1907 lancierte der New Yorker Privatbankier J. P. Morgan das Gerücht, dass eine ungenannte, aber große Konkurrenzbank kurz vor dem Bankrott stünde. Das war zwar eine Lüge, doch viele Menschen eilten dennoch an die Schalter, um ihr Geld abzuheben – nur für den Fall, dass es ihre Bank wäre, der der Zusammenbruch bevorstand. Durch die massiven Abhebungen verloren die Banken ihre Bargeldeinlagen und waren gezwungen, ihre Darlehen einzufordern. Um den Banken ein Einkommen zu verschaffen, mussten die Leute nun ihre Hypothekenkredite zurückzahlen und gingen dabei pleite. Die Panik des Jahres 1907 löste einen Bankencrash aus, der zur Gründung der US-Notenbank Federal Reserve führte – ein privates Bankenkartell, das sich den Anstrich einer unabhängigen Regierungsorganisation gibt. Der Coup einer Bankierselite, die die Kontrolle über die gesamte Branche übernehmen wollte, war somit erfolgreich.
Seit das System durch den Federal Reserve Act aus dem Jahr 1913 Gesetzeskraft erlangte, darf die Notenbank den USA Geld leihen und zur Verfügung stellen – aber natürlich mit Zinsen. Je mehr Geld die Federal Reserve druckte, desto mehr „Einkünfte“ erwirtschaftete sie für sich selbst. Sie musste also immer mehr Schulden erzeugen, um am Leben bleiben zu können. Sie konnte den Geldbestand Amerikas nach Belieben drucken und seinen Wert lenken. Um die Bewertung der Währung steuern zu können, musste allerdings die Inflation unter Kontrolle gehalten werden.
Innerhalb von nur fünf Jahren verdoppelte die Federal Reserve den amerikanischen Geldbestand. 1920 forderte sie dann einen hohen Prozentsatz ihrer Darlehen ein, und mehr als 5.000 Banken gingen über Nacht pleite. Ein Jahr später erhöhte die Federal Reserve das Geldvolumen um 62 Prozent, nur um 1929 wieder eine Unmenge Darlehen zurückzufordern. Das führte zur Wirtschaftskrise von 1929, die diesmal mehr als 16.000 Banken zum Aufgeben zwang und einen Börsensturz mit Wertverlusten von 89 Prozent auslöste. Die privaten und bestens geschützten Bankinstitute innerhalb des Federal-Reserve-Systems konnten die ruinierten Banken für einen Bruchteil ihres Wertes aufkaufen, und das Land stürzte in die „Große Depression“.
Im April 1933 erließ Präsident Roosevelt eine Verfügung, mit der sämtliches Gold der Bürger konfi sziert wurde. Wer sich weigerte, sein Gold abzugeben, dem drohten zehn Jahre Gefängnis. Am Ende desselben Jahres wurde der Goldstandard abgeschafft. Die Banknoten, die bisher gegen Gold einlösbar gewesen waren, wurden zum „gesetzlichen Zahlungsmittel“. Gold konnte nun auch nicht mehr gegen Bargeld eingetauscht werden.
1971 gab Präsident Nixon den Goldstandard endgültig auf, wodurch der Handel zum international festgesetzten Goldpreis von 35 US-Dollar unmöglich wurde. Von diesem Zeitpunkt an bestimmte die amerikanische Regierung den Wert des Dollars – weil er ja ohnehin „so gut wie Gold“ war. Da es kein Wertmaß mehr für ihn gab, wurde er zum weltweiten Zahlungsmittel. Schatzanweisungen (Wertpapiere mit kurzer Laufzeit) und Staatsanleihen (meist mit langer Laufzeit) ersetzten Gold als Wertanlage, sind aber nichts als Schuldscheine der amerikanischen Regierung, für die der Steuerzahler aufkommt. Zudem war Gold von den Meldesystemen für finanzielle Transaktionen ausgenommen, weshalb seine Bewegung nicht verfolgt werden konnte – im Gegensatz zu den treuhänderischen (das heißt auf Vertrauen basierenden) Geldsystemen der westlichen Welt. Das war nicht im besten Interesse der USA.
Nach der Großen Depression scheuten Privatbanken noch davor zurück, Eigenheimkredite zu vergeben, also gründete Roosevelt Fannie Mae (die Federal National Mortgage Association). Das war eine staatseigene Hypothekenbank, die Bundesmittel zur Finanzierung von Hypothekenkrediten für erschwingliche Häuser und Wohnungen zur Verfügung stellte. 1968 privatisierte Präsident Johnson Fannie Mae, und ein Jahr später wurde Freddie Mac (Federal Home Loan Mortgage Corporation) als Konkurrenzgesellschaft gegründet. Beide Institute kauften Hypotheken von Banken und anderen Kreditgebern und verkauften sie an neue Investoren weiter.
Der wirtschaftliche Aufschwung nach dem Zweiten Weltkrieg hatte dazu geführt, dass die Vereinigten Staaten reich an Geld und Vermögenswerten waren. Amerikaner konnten sich sämtliche modernen Annehmlichkeiten leisten und exportierten ihre Industriegüter in alle Welt.
Als militärisch-industrieller Komplex profitierten die USA immer mehr vom Krieg und entwickelten sich schneller als jedes Imperium zuvor zur Supermacht. Dabei vergaßen die Vereinigten Staaten jedoch, dass – historisch gesehen – jedes Imperium nach seinem Aufstieg einen ebenso steilen Fall erlebt.
Nach dem Vietnamkrieg setzte in den USA ein wirtschaftlicher Niedergang ein. Trotz des Verlusts von Arbeitsplätzen und zunehmender Verlagerung der Produktion ins Ausland waren die Menschen unwillig, ihren hohen Lebensstandard aufzugeben. Selbsttäuschung und das Gefühl, einen Anspruch auf Luxus zu haben, führten dazu, dass die Amerikaner bis zur Erschöpfung weiterkonsumierten.
1987 ereignete sich an einem einzigen Tag [dem 19. Oktober] ein Börsensturz um ganze 22 Prozent. Schuld daran waren hochriskante Termingeschäfte, auch „Derivate“ genannt.
1989 führte die Savings & Loan Crisis [Sparkassenkrise] dazu, dass Präsident George H. W. Bush 142 Milliarden Dollar Steuergelder dazu verwendete, die Hälfte der Sparkassen zu retten. Um dieses Ziel zu erreichen, erhielt Freddie Mac den Auftrag, Subprime-Hypotheken (also riskante, „suboptimale“ Kredite) an einkommensschwache Familien zu vergeben.
Im Jahr 2000 platzte der „irrationale Überschwang“ der Dotcom-Spekulationsblase. 50 Prozent aller Hightech-Firmen gingen bankrott und vernichteten damit fünf Billionen Dollar, die das Resultat künstlich aufgeblähter Börsenbewertungen gewesen waren.
Nach dieser Krise hielt Notenbank-Chef Alan Greenspan die Zinssätze so niedrig, dass sie unter der Inflationsrate lagen. Wer einen Teil seines Einkommens sparte, verlor somit Geld – das ging bis zu negativen Sparzinssätzen.
Bereits während der 1990er Jahre hatten die Werbeagenturen auf Hochtouren gearbeitet. Die Konsumenten sollten sich mehr und mehr Luxus leisten und das alles mit billigen, problemlos verfügbaren Krediten finanzieren. Viele Menschen nahmen eine zweite Hypothek auf ihre Immobilien auf und bezahlten damit ihre Kreditkartenrechnungen. Je mehr die Amerikaner einkauften, desto tiefer verschuldeten sie sich. Doch solange sie noch ein Haus besaßen, fühlten sie sich sicher. Sie hielten ihre Eigenheime fälschlicherweise für ihr Kapital: Immobilien würden unbegrenzt im Wert steigen, also konnte man sie immer wieder neu beleihen, wenn man Geld brauchte. Auch die Finanzbranche glaubte, dass die Immobilienkurse nur steigen könnten – und sollten sie doch einmal fallen, dann würde die Notenbank schon die Zinssätze senken und so die Kurse wieder steigen lassen. Man war allgemein der Ansicht, dass bei diesem System jeder nur gewinnen könne.
Greenspans niedrige Zinssätze ermöglichten es jedem Bürger, sich ein Eigenheim zu leisten. Selbst wenn Arbeiter mit Mindestlohn ein Haus für eine halbe Million Dollar erwerben wollten, konnten sie die Immobilie zu 100 Prozent durch Kredite fi nanzieren. Die Hypothekengeldgeber wussten genau, dass diese Arbeiter ihre Kredite auf Dauer nicht zurückzahlen würden können.
Dennoch wurden derart viele Subprime-Kredite vergeben, dass Investmentfirmen und Kreditinstitute schließlich einen neuen Plan schmiedeten: Sie bündelten die praktisch wertlosen Immobilienkredite und verkauften sie als solide amerikanische Kapitalanlagen an andere Länder, die diese Machenschaften nicht durchschauten. So konnten die Amerikaner weiterhin der Maßlosigkeit frönen und ihr Geld für Konsumartikel aller Art ausgeben, während nichtsahnende Ausländer dies alles finanzierten.
Banken verleihen seit jeher mehr Geld, als sie tatsächlich zur Verfügung haben. Ihren Gewinn machen sie mit den Zinsen. Je mehr die Bank verleiht, desto mehr Zinsen kassiert sie – sogar wenn sie selbst keinen Cent im Tresor hat. Die Vergabe von Geld, das man gar nicht besitzt, entwickelte sich zum einträglichen Gewerbe. Hypothekenbanken und Investmentfirmen nahmen sogar Geld auf internationalen Kapitalmärkten auf, um die Subprime-Hypothekenkredite (die zum Teil höher waren als der Wert der Immobilie) finanzieren zu können. Einige der Kreditgeber verliehen Summen in der zehnfachen Höhe ihres eigenen Unternehmenswerts.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 forderte George W. Bush die Nation auf, Geld auszugeben – und genau das tat sie auch während der folgenden Kriegszeit. Die US-Regierung nahm Kredite in beispielloser Höhe auf, um nicht nur ihren „Krieg gegen den Terror“ im Nahen Osten (der mit vier Billionen Dollar kalkuliert war), sondern auch Steuersenkungen finanzieren zu können – obwohl sie die Steuern eigentlich hätte erhöhen müssen. Zudem senkte Bush die Mindestreserven bei Fannie Mae und Freddie Mac von 10 auf 2,5 Prozent. Damit konnten die beiden Institutionen nun noch mehr Geld zu Schnäppchenzinsen verleihen und mussten nur einen Bruchteil der Summe als Einlage haben. Das führte dazu, dass Banken bald das 30-Fache ihres Unternehmenswertes als Kredite vergeben konnten.
Es war eine „Orgie der Maßlosigkeit“, wie ein Volkswirtschaftler schrieb. Ausgerechnet während eines Krieges waren die Ausgaben ungeheuerlich hoch. Dabei hatte es während der gesamten Menschheitsgeschichte nie ein Land gegeben, das einen Krieg führte, ohne wirtschaftliche Opfer – Haushaltskürzungen, Steuererhöhungen und konjunkturelle Rezessionen – bringen zu müssen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass alle Investoren ihr Geld gleichzeitig zurückfordern würden (wie das schon 1929 geschehen war), nahm zu. Um Garantien für die hochriskanten Hypotheken zu liefern, schufen die Finanzunternehmen nun „Versicherungspolicen“ für genau jene Subprime-Investitionen, die sie selbst verkauft hatten, und nannten diese neue Anlageform Credit Default Swaps (CDS, Kreditderivate zum Handeln von Ausfallrisiken). Mit dieser Bezeichnung konnte man die gesetzliche Reglementierung normaler Versicherungspolicen umgehen; CDS-Papiere wurden nicht reglementiert.
Die Finanzinstitute gingen also „auf Nummer sicher“ und verkauften scheinbar hochwertige Papiere, um die Schrott-Anlagen zu schützen. Mit anderen Worten: Man konnte Nebenwetten darauf abschließen, dass jene Wertpapiere, die eigentlich im Wert steigen sollten, eventuell doch einen Kursverfall erleiden würden. Im Oktober 2008 wurden CDS-Papiere im Gesamtwert von 62 Billionen Dollar gehandelt, mehr als der Wert sämtlicher Wertpapiermärkte der Welt zusammengenommen. Diese Wetten besaßen absolut keinen realen Wert und stellten keine Investitionen dar. Sie waren nichts als Finanzinstrumente, die „Derivate“ genannt wurden – ein Spiel mit hohem Einsatz, aus dem Nichts geschaffene Nicht-Werte oder, wie Warren Buffett sie bezeichnet hat, „finanzielle Massenvernichtungswaffen“. Der Derivatehandel war mehr als eine Billiarde Dollar „wert“, also mehr als die Wirtschaft der gesamten Welt. (Im September 2008 belief sich das globale Bruttoinlandsprodukt auf 60 Billionen Dollar.)
Alan Greenspan hatte den Handel mit derivativen Finanzinstrumenten, der in den 1990er Jahren noch als möglicherweise illegale Praktik hinterfragt wurde, legalisiert. Danach dauerte es nicht lange, bis Hedgefonds eine eigene Branche wurden, deren Manager Wetten auf dem Derivatemarkt abschlossen und nach Herzenslust damit Glücksspiel betrieben. Das fiel ihnen deshalb so leicht, weil sie ja mit Geld hantierten, das sie gar nicht hatten. Die Unternehmen, die derartige Geschäfte betrieben, wirkten zwar nach außenhin wie Banken, doch all die Hedgefonds, Aktienfonds und Derivatebroker hatten im Falle eines Leistungsverzugs keinen Zugriff auf staatliche Darlehen. Wenn die Schuldner ihre Zahlungen einstellten, konnten die Hedgefonds kein Geld „aus dem Nichts“ schaffen. Wer also ein Sicherungsgeschäft auf das Steigen oder Fallen eines Wertpapiers abgeschlossen hatte, konnte bei Gewinnen oder Verlusten nicht abkassieren.
Der Derivatemarkt war die größte Branche der Welt geworden, an der sämtliche Finanzgiganten mitverdienten: Bear Stearns, Lehman Brothers, Citigroup und AIG.
Doch nun begannen die Immobilienbesitzer, die ihre Kreditrahmen längst ausgeschöpft hatten, mehr und mehr in Zahlungsverzug zu geraten. Sie mussten nicht nur die laufenden Kosten für ihre Häuser zahlen, sondern auch sämtliche Schulden, die sie im Lauf der Jahre gemacht hatten: Autos, Kreditkartenrechnungen, Studienkredite, Arztrechnungen und ihre Eigenheimkredite. Sie hatten sich Geld ausgeliehen, um für Lebensmittel und sprunghaft angestiegene Krankenversicherungsbeiträge aufkommen zu können – und das alles nur, weil sie ihren Lebensstil den größeren Häusern und Autos anpassen mussten. Sie schuldeten ihre Kredite um und merkten bald, dass die anfangs niedrigen Raten für die neuen Kredite rasch anstiegen. Der Durchschnittsamerikaner schuldete ein Viertel seines Jahreseinkommens den Kreditkartenfirmen.
2008 fi ngen die Immobilienpreise in den USA rapide zu fallen an. Hypotheken verloren plötzlich an Wert. Im September waren die Produktionsaufträge durchschnittlich um 4,5 Prozent zurückgegangen. Lagerbestände begannen sich zu stapeln, die Arbeitslosigkeit stieg rapide an, und die Zwangsvollstreckungen aus Hypotheken hatten um 121 Prozent zugenommen – in Kalifornien sogar bis zu 200 Prozent.
Die Finanzriesen sahen sich gezwungen, den Handel mit den hypothekenbesicherten Wertpapieren einzustellen, da ihre Verluste bereits jetzt unübersehbar waren.
Die Investoren begannen ihre Mittel zurückzuziehen. Im März musste die Investmentbank Bear Stearns, die sich stark auf Hypotheken-Portfolios spezialisiert hatte, als Erste aufgeben. So wie schon im 20. Jahrhundert stürzte sich das Bankhaus J. P. Morgan sofort auf die Beute und übernahm Bear Stearns für eine Spottsumme. Ein Jahr zuvor waren Bear-Stearns-Aktien noch für 159 Dollar gehandelt worden; nun konnte sich J. P. Morgan mit zwei Dollar pro Aktie einkaufen. Im September brach Washington Mutual zusammen – die größte Bankenpleite der Finanzgeschichte. Wieder war J. P. Morgan zur Stelle und zahlte nur 1,9 Milliarden Dollar für Aktivposten, die mit 176 Milliarden Dollar zu Buche standen. Der große Ausverkauf hatte begonnen.
Freddie Mac und Fannie Mae – die börsennotierten Unternehmen, die für 80 Prozent der Hypothekenkredite zuständig waren – büßten über den Sommer still und leise beinahe 90 Prozent ihrer Jahresbewertung ein. Gemeinsam zeichneten sie zwar für die Hälfte der ausstehenden Kreditsummen verantwortlich, waren jedoch für jeden Dollar Kapitalrücklage mit 80 Dollar verschuldet.
Um ihr Überleben zu sichern, wurden Freddie Mac und Fannie Mae von der US-Notenbank übernommen. Am 7. September 2008 wurden sie „unter Obhut der Regierung gestellt“ – ein Vorgang, der im Rest der Welt als „Verstaatlichung“ bekannt ist. Doch die Amerikaner haben eben ein Problem mit der Vorstellung einer staatlich betriebenen Branche, die mit Steuergeldern finanziert wird.
In Wahrheit hatte die Regierung jedoch eine unbeschränkte Kreditlinie gewährt. Die Transaktion wurde nicht vom Finanzamt, sondern von der Notenbank durchgeführt, also musste sie auch nicht vom Kongress bewilligt werden. Das Finanzamt versteigerte zwar anschließend Schatzanweisungen, um Geldmittel für die Notenbank zu beschaffen, doch es war der Steuerzahler, der für diese Rettungsaktion aufkam. Die Bankiers hatten mit ihren Hedging- und Derivate-Spekulationen Milliarden Dollars aus dem System abgezapft und dadurch das Austrocknen der Interbankkredite herbeigeführt, was schließlich zum völligen Erliegen des Interbankenmarkts führte.
Die Übernahme wurde der Öffentlichkeit als staatlich finanzierter Rettungsfonds in der völlig willkürlichen Höhe von 700 Milliarden Dollar präsentiert. Damit war das Problem aber keineswegs gelöst. Nicht ein einziger Nationalökonom durfte seine Ansichten zum Thema vor dem US-Kongress vertreten. Und das staatliche Darlehen erfüllt nur die Aufgabe, den Mythos vom funktionierenden Bankensystem aufrechtzuerhalten.
Man muss davon ausgehen, dass der angerichtete Schaden nicht 700 Milliarden, sondern eher fünf Billionen Dollar betragen wird – der Gesamtwert sämtlicher von Freddie Mac und Fannie Mae vergebenen Hypothekenkredite. Der Rettungsfonds diente nur dazu, der Billiarden Dollar schweren Derivate-Branche aus der Patsche zu helfen, die ansonsten mehr als eine Billion Dollar für ihre faulen Hypotheken-CDS (Credit Default Swaps) hätte ausbezahlen müssen. Laut Finanzminister Henry Paulson sei der Fonds notwendig gewesen, um die amerikanische Nation vor den Folgen einer „Immobilien-Korrektur“ zu retten. Doch er fügte hinzu, dass auch die vom Steuerzahler finanzierte 700-Milliarden-Dollar-Übernahme weitere Banken-Zusammenbrüche und schließlich einen Börsencrash nicht verhindern würde.
Eigentlich hat Paulson also den Kongress erpresst, indem er unter der falschen Flagge eines notwendigen Gesetzesentwurfs einen Coup der Bankierselite durchzog, um zu verhindern, dass alle Dämme brachen. Wie fast ein Jahrhundert zuvor war es also wieder einmal gelungen, den Reichtum von einer Klasse zur anderen durchzureichen.
Kaum hatte Paulson seine prophetischen Worte ausgesprochen, begannen andere Finanzinstitute zu implodieren, gefolgt vom globalen Finanzsystem – das in weiten Teilen das vielgepriesene US-Bankensystem zum Vorbild hatte.
Im September erwarb die Notenbank, deren Kreditlinie jetzt ja gesichert war, für 85 Milliarden Dollar einen 80-prozentigen Anteil an AIG, der weltgrößten Versicherungsgesellschaft. AIG hatte die meisten Credit Default Swaps verkauft und stand nun am Rande des Bankrotts, weil das Unternehmen mit seinen nicht vorhandenen Sicherheiten keine Auszahlungen machen konnte.
Im Oktober ging schließlich ganz Island bankrott, weil das Land in wertlose amerikanische Subprime-Hypothekenkredite investiert hatte. Die europäischen Banken standen ebenfalls vor dem Zusammenbruch, da sie alle gleichzeitig versuchten, ihre künstlich aufgeblähten US-Wertpapiere loszuwerden, um mit dem Erlös zinsgünstige Kredite zurückzahlen, bevor der Zinssatz steigen konnte.
Dabei hatten die Zeichen schon in den vorangegangenen Monaten auf Sturm gestanden. So war etwa Countrywide, die größte Hypothekenbank der Vereinigten Staaten, konkursreif und wurde am 1. Juli 2008 verkauft. Auch die große englische Bank Northern Rock musste verstaatlicht werden; in London hatte man sich ja schon lange die „kreativen Finanzierungsmodelle“ der Wall Street zum Vorbild genommen. Die Autoindustrien von Japan und Korea erlebten einen Umsatzeinbruch von 37 Prozent, da das Weltwirtschaftswachstum schrumpfte.
Auch Pakistan stand kurz vor dem Aus. Die Finanzreserven des Landes beliefen sich auf ganze drei Milliarden Dollar – gerade ausreichend, um den Lebensmittel- und Ölbedarf eines Monats zu decken. Pakistan versuchte sogar die Zahlungen an Saudi-Arabien für die täglich benötigten 100.000 Barrel Öl hinauszuzögern. Unter Präsident Musharraf, der sein Amt im letzten Augenblick niederlegte, verlor die pakistanische Währung 25 Prozent ihres Werts, bei einer Infl ationsrate von 25 Prozent.
In der Zwischenzeit waren die Energiekosten weltweit gestiegen. Der Ölpreis erreichte im Sommer (auf der nördlichen Hemisphäre) einen Höchstpreis von fast 150 Dollar pro Fass. Die gestiegenen Kosten wurden mittels angehobener Preise für Heizung, Treibstoff, Transport und Konsumgüter umgehend an die Endverbraucher – also die kleinen Hausbesitzer – weitergegeben, die sich ohnehin schon fi nanziell verausgabt hatten. Bereits zuvor waren 30 Prozent des Ölpreises jedoch auf Wall-Street-Spekulationen zurückzuführen gewesen; das drohende Platzen der Spekulationsblase erhöhte diesen Anteil während der Sommermonate auf 60 Prozent. Kaum war die Finanzkrise eingetreten, fiel der Ölpreis auch schon – von 147 Dollar pro Barrel im Juni auf 61 Dollar. Das war ein deutlicher Beweis dafür, dass 60 Prozent des Ölpreises auf Spekulationsgeschäften beruhten.
Der plötzliche Preisverfall zeigte auch deutlich, wie wenig Kontrolle die OPEC während der vergangenen paar Jahre über den in die Höhe schießenden Ölpreis gehabt hatte. Die Verantwortung dafür lag fast vollständig bei Saudi-Arabien. Als die OPEC (Organisation erdölexportierender Länder) im September 2008 durch eine Drosselung der Produktion den hohen Ölpreis halten wollte, wandte sich Saudi-Arabien gegen diesen Schritt, obwohl das Land dadurch seine eigenen Einkünfte verminderte.
Bald beschloss auch Europa, sich von der amerikanischen Maßlosigkeit nicht mehr in den finanziellen Ruin treiben zu lassen. Vielleicht hatte das „Alte Europa“ ja auch einfach genug vom Diktat der USA. Schließlich waren auch die Vereinigten Staaten bei den Darlehen, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg an beinahe völlig zerstörte europäische Staaten gegeben hatten, zu keinerlei Kompromissen bereit gewesen.
Am 13. Oktober 2008 einigten sich die einst gespaltenen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union auf eine unilaterale Rettungsmaßnahme im Umfang von 2,3 Billionen Dollar – mehr als dreimal so viel wie in den USA, und das für eine Katastrophe, die allein Amerika verursacht hatte.
Mitte Oktober fi elen Dow Jones, NASDAQ und S&P 500 auf einen Tiefstand, der sämtliche Kurssteigerungen des vorangegangenen Jahrzehnts auslöschte. Greenspans Pyramidensystem, mit dem aus dem Nichts leichtverdientes Geld geschaffen werden sollte, hatte zu sagenhafter Überschuldung, überhöhten Immobilienpreisen und unglaubwürdigen Börsenbewertungen geführt, die nur unter der Voraussetzung zustande kommen konnten, dass niemals alle Investoren gleichzeitig ihr Geld abheben würden. Doch jetzt brach dieses System mit rasender Geschwindigkeit zusammen, und es zeichnete sich keine Lösung am Horizont ab.
Präsident Bush erklärte, dass die Bürger seines Landes sich keine Sorgen machen sollten, da „die USA das attraktivste Land für Investoren aus aller Welt“ seien.
Am meisten unter der Finanzkrise werden allerdings jene Männer und Frauen leiden, die das Land nach dem Zweiten Weltkrieg wirtschaftlich wieder aufgebaut und auf ihre jetzt – im Rentenalter – fälligen Pensionen gespart haben. Diese Menschen hatten bereits in den Kriegsproduktionsjahren entscheidend mitgearbeitet und die Waffen für den globalen Konflikt hergestellt.
Während des Kalten Krieges galt die UdSSR als stets gegenwärtiger Feind, und der militärisch-industrielle Komplex wuchs weiter. Amerika macht nur in Kriegszeiten Profite. Doch Russland wird nicht dulden, dass durch die Aufrüstung mit ballistischen Raketen ein neuer Kalter Krieg entsteht. Und der Nahe Osten musste mitansehen, wie sein langjähriger Bündnispartner USA sich zum schlimmsten Albtraum für die Region entwickelte, sowohl in militärischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Alle diese Nationen werden sich früher oder später weigern, den Dollar weiterhin als Weltwährung zu stützen.
Die Weltwirtschaft steht heute nicht mehr unter amerikanischer Kontrolle, und die Vereinigten Staaten sind beim Rest der Welt tief verschuldet.
Die USA werden nicht mehr verlangen können, dass ihnen ihr größter Nahost-Öllieferant Einsicht in seine Bankgeschäfte gewährt, damit alles schön transparent, korruptionsfrei und ohne Verbindung zu terroristischen Organisationen abläuft. Sie werden nicht mehr mit Konsequenzen drohen können, da sie selbst gerade den schlimmsten Fall krimineller Korruption in der gesamten Menschheitsgeschichte geliefert haben. Das Schwindelgeschäft hätte gar nicht besser laufen können: Man verkaufte Unmengen risikoreicher Wertpapiere, ging damit baden und ließ die Regierungen für den Schaden aufkommen – und das alles auf Kosten des Steuerzahlers, der nie auch nur einen Cent des „gemeinsamen“ Reichtums gesehen hatte.
Für diese Krise gibt es keine Lösung. Ihre Auswirkungen breiten sich aus wie eine ansteckende Krankheit.
Ironischerweise sind die islamischen Banken am wenigsten von der Krise betroffen. Sie waren weitgehend vor dem Zusammenbruch geschützt, weil das islamische Bankwesen den Vermögenserwerb durch Glücksspiel (aber auch durch Alkohol, Tabak, Pornographie oder Rüstungsaktien) untersagt und den An- und Verkauf von Schulden ebenso verbietet wie Zinswucher. Dazu kommt, dass die Scharia-Kreditwesengesetze es nicht gestatten, in Unternehmen zu investieren, die mit mehr als 30 Prozent ihres Werts verschuldet sind.
„Islamische Bankinstitute sind per se nicht bankrott gegangen, weil sie mit materiellen Wirtschaftsgütern handeln und das Risiko selbst tragen“, sagt Dr. Mohammed Ramady, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der King Fahd University of Petroleum & Minerals.
„Der islamische Bankensektor ist zwar auch Teil der Weltwirtschaft, hatte jedoch weniger mit risikoreichen Subprime-Hypothekendarlehen zu tun. Am ehesten ist noch Dubai mit seiner hohen Auslandsverschuldung von der Liquiditätskrise betroffen. Der negativste Effekt der Krise ist jedoch ein Vertrauensverlust in die regionalen Börsen.“
Die arabischen Ölstaaten, so Dr. Ramady, „überdenken derzeit ihre Finanzanlagen im Ausland“ und treiben stattdessen innerstaatliche Projekte voran.
Im Mai 2000 hielt der saudi-arabische islamische Bankier Seine Hoheit Dr. Nayef bin Fawaaz ibn Sha’alan eine Reihe von Wirtschaftsvorträgen in den Golfstaaten. Damals, so hatten seine Recherchen ergeben, belief sich der Gesamtwert arabischer Investitionen in den USA auf 1,5 Billionen Dollar. Dieses Geld befi nde sich praktisch in Geiselhaft, also sollten die regionalen Investoren es von den internationalen Börsen abziehen und lieber in Sachwerte auf den arabischen und islamischen Märkten investieren, meinte der Experte. „Stecken Sie Ihr Geld aber auf keinen Fall in Wertpapiere“, fügte er hinzu.
„Die Börsen können von außen manipuliert werden, wie wir erst in jüngster Vergangenheit auf dem arabischen Markt gesehen haben, wo sich Billionen Dollars in Luft auflösten.“
Anschließend sprach er die Warnung aus, dass das amerikanische Wirtschaftssystem mit seiner steigenden Schuldenlast, dem wachsenden Defizit und den laufenden Zinsen für seine Verschuldung kurz vor dem Zusammenbruch stünde.
„Sobald die Schulden und Defi zitzahlungen fällig werden, geben die Amerikaner einfach neue Schatzanweisungen aus und decken damit die neuen Anleihen, mitsamt Zinsen und einem noch höheren Defizit.“
Aus diesem Teufelskreis gibt es keinen Ausweg. Die USA dürfen ihre Schulden nicht einfach aufkündigen, weil sie dann bei niemandem mehr Geld aufnehmen könnten. Ein Ausbruch aus dem System hätte den totalen Zusammenbruch der amerikanischen Wirtschaft zur Folge – im Gegensatz zum partiellen (wenn auch gewaltigen) Finanz-Crash des Jahres 2008.
„Das islamische Bankwesen sichert stets den Wohlstand des Einzelnen, schiebt jedoch Eigennutz und Gier einen Riegel vor“, sagte Dr. Al-Sha'alan. „Es vereint die besten Seiten von Kapitalismus und Sozialismus, aber ohne deren negative Eigenschaften, an denen diese beiden Ideologien unweigerlich scheitern mussten.“ Außerdem seien Europa und Japan den USA nicht verpflichtet oder Rechenschaft schuldig, da sie ja heute keinen Schutz mehr vor der Sowjetunion bräuchten.
„Der grundlegende Unterschied zwischen der islamischen Wirtschaft und dem kapitalistischen System ist der, dass im Islam aller Besitz Gott gehört – und der einzelne Mensch nur Verwalter des Besitzes ist“, erklärt der saudische Bankier. „Besitz ist ein Mittel zum Zweck, kein Ziel an sich. Im Kapitalismus ist es genau umgekehrt: Geld gehört dem einzelnen Menschen und ist ein erstrebenswertes Ziel. Vor allem in Amerika wird Geld verehrt wie Gott.“
Mit einem Wort: Der Zusammenbruch der gesamten Weltwirtschaft wird das Resultat der finanzpolitischen Arroganz sein, mit der die USA für sich andere Spielregeln beanspruchen, als sie dem Rest der Welt zugestehen. Die Zunahme „kreativer Finanzierungsmodelle“ hat dem amerikanischen Volk ein falsches Gefühl der Sicherheit gegeben. Heute sieht es so aus, als stünde der Kapitalismus selbst vor dem Ende.
Der Versuch der gewaltsamen Demokratisierung muslimischer arabischer Staaten hat die Vereinigten Staaten beinahe in den Bankrott getrieben. Der Kalte Krieg ist vorbei, und die USA haben nichts mehr zu bieten – keine Exporte, keine Produktion, wenige Bodenschätze und keine funktionierende Dienstleistungsgesellschaft.
Jene Märkte, die sich der amerikanischen Wirtschaftspolitik am vehementesten widersetzt haben, indem sie ihre Direktinvestitionen in den USA herunterschraubten, werden die Krise am besten überstehen und als Sieger daraus hervorgehen. Aber auch sie werden einen hohen Preis dafür zahlen müssen.
Der vorliegende Artikel erschien ursprünglich am 23. Oktober 2008 unter dem Titel „Death of the American Empire“ auf der Website Global Research unter www.globalresearch.ca.
Na, dann ... nutzen wir die Chance zur Ablösung der Wirtschaftsvormacht, die ja eh nur ergaunert wurde!!! Ade, Amerika. Ein Land ohne Geschichte und eigene Kultur ist doch zum Untergang verdammt. Besinnung auf die guten alten Werte ... gibt es leider nicht.