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Das Geheimnis um den Mitchell-Hedges-Kristallschädel

Der Bericht über den Fund des berühmten Mitchell-Hedges-Kristallschädels im Jahr 1924 in der alten Maya-Stadt Lubaantun ist wahrscheinlich nur eine Erfindung, die ein Ränkespiel verbergen soll.


Bei den meisten großen Funden ist der Zeitpunkt ihrer Entdeckung bekannt. Nicht so beim Mitchell-Hedges-Kristallschädel, obwohl nun neue Informationen ans Licht gekommen sind. Der erste Besitzer des Schädels, der englische Abenteurer Frederick A. „Mike“ Mitchell-Hedges, schreibt in seiner Autobiographie: „Es gibt Gründe dafür, warum ich nicht enthülle, wie ich in seinen Besitz gelangt bin.“ – und tatsächlich hat er es nie getan.

Seine Adoptivtochter Anna, die den Schädel von ihrem Vater nach dessen Tod 1959 erbte, teilte Mikes Heimlichtuerei nicht. Sie behauptete, dass sie den Schädel an ihrem 17. Geburtstag, also am 1. Januar 1924, in der Maya-Stadt Lubaantun in Belize (früher Britisch-Honduras) gefunden habe. Wenn das wahr ist, wirft es die Frage auf, warum ihr Vater sich so sehr dagegen sträubte, diesen eher banalen und unschuldigen Fund zu enthüllen.

Die „Lubaantun-Version“ ist die meist akzeptierte und am häufigsten zitierte Geschichte. Der Ort des angeblichen Fundes, Lubaantun, gehört nicht zu den berühmtesten Maya-Ruinen, allerdings nur deshalb, weil sie weitab der üblichen Touristenwege liegt. Der Name bedeutet „Ort der gefallenen Steine“, und die Lage der Stadt wurde den britischen Kolonialbehörden zum ersten Mal Ende des 19. Jahrhunderts angezeigt. 1903 beauftragte der Gouverneur von Britisch-Honduras Dr. Thomas Gann mit der Begutachtung der Stätte. Gann kam zu dem Ergebnis, dass Lubaantun eine wichtige Stätte des Maya-Reiches war.

Die nächsten Ausgrabungen fanden im Jahr 1915 statt und wurden von dem Harvard-Professor R. Merwin geleitet. Er legte drei Gedenksteine frei, auf denen drei Männer abgebildet waren, die ein Ballspiel spielten; außerdem entdeckte er auch das Spielfeld, auf dem das Spiel ausgetragen worden war.

Gann kehrte 1924 für weitere Ausgrabungen dorthin zurück, dieses Mal in Begleitung von F. A. Mitchell-Hedges, dessen Tochter Anna und Lady Richmond Brown, seiner Lebensgefährtin und Geldgeberin. Es heißt, dass Anna trotz zwei vorangegangener Ausgrabungen den oberen Teil des Kristallschädels in einer Art Altar gefunden haben soll. Drei Monate später fand man in der Nähe auch den Unterkiefer.

Obwohl Anna Mitchell-Hedges diese Geschichte wiederholt erzählte – mit geringen, aber bedeutsamen Unterschieden –, gab es einige Forscher, die ihrer Version keinen Glauben schenken mochten. Daher behaupten einige, Mitchell-Hedges selbst habe den Schädel bereits einige Zeit zuvor gefunden und ihn dann versteckt, damit Anna ihn an ihrem 17. Geburtstag finde. Andere meinen, Anna habe den Schädel gar nicht gefunden, während ein weiterer Bericht besagt, dass die Einheimischen beinahe hysterisch wurden, als man ihnen den Schädel zeigte.

In ihrem Buch „The Message of the Crystal Skull“ (1989) berichten Alice Bryant und Phyllis Galde, dass einige der örtlichen Nachfahren der Maya zu tanzen anfingen, während andere den Schädel als Reliquie verehrten. In kürzester Zeit wurde ein Altar errichtet, auf dem der Schädel ruhte. Angeblich – wieder einmal – stellte die örtliche Ausgrabungsmannschaft die Arbeit an den Ausgrabungen für drei Tage ein, um zu feiern. Offensichtlich verwirrte die Verehrung, die die Bevölkerung dem Schädel entgegenbrachte, Mitchell-Hedges, der nicht wusste, wie er sich verhalten und was er tun solle. Anscheinend wollte er den Schädel der örtlichen Bevölkerung sogar schenken, vorausgesetzt, dass sie die Arbeit an den Ausgrabungen wieder aufnähmen, was darauf hinweist, dass er den finanziellen Wert des Schädels nicht besonders hoch einschätzte, oder dass er das Wohl der Expedition und der örtlichen Bevölkerung über etwaige finanzielle Interessen stellte. Angeblich stimmten die Arbeiter zu und kehrten am darauffolgenden Tag an die Arbeit zurück.

Wenn dieser Bericht stimmt, dann bewahrte nicht nur Mitchell-Hedges Stillschweigen über den Fund: Auch alle anderen Teilnehmer der Expedition, darunter Dr. Thomas Gann, schwiegen. Nach seiner Rückkehr verfasste Gann einen ausführlichen Bericht über seine Reisen. Die Veröffentlichung ist äußerst interessant, wenn auch nur deshalb, weil Anna auf keinem der Bilder zu sehen ist, was nach Ansicht einiger Leute bedeuten könnte, dass sie gar nicht – wie behauptet – in Lubaantun war. Sicherlich war es nicht üblich, mit seiner 17-jährigen Tochter in diese Gegend zu reisen, aber es war auch nicht notwendigerweise ungewöhnlich, wenn man bedenkt, dass ihr Vater ein berühmter Forschungsreisender war und im Gegensatz zu vielen anderen wusste, wo Gefahr drohte. Doch am bemerkenswertesten ist, dass der Fund des Kristallschädels – eines einzigartigen Artefakts, ob man den Schädel nun für besonders wertvoll hielt oder nicht – mit keinem Wort in Ganns Bericht erwähnt wird.

Gann schwieg nicht als Einziger über den Fund des Schädels: Auch die anderen Teilnehmer wie Lady Richmond Brown oder Captain Joyce, die beide ebenfalls jeweils einen Bericht über die Expedition verfassten, verloren darüber kein Wort. Zu diesem Problem befragt, antwortete Anna Mitchell-Hedges, Captain Joyce habe die ganze Geschichte um den Schädel gekannt, aber wie ihr Vater mit niemandem darüber reden wollen.

Es gibt einen wenig zitierten guten Grund dafür, warum Gann über einen solchen Fund schweigen sollte. Wenn man den Schädel während der Ausgrabung gefunden hätte, wäre er automatisch in den Besitz der Geldgeber übergegangen, und Mitchell-Hedges hätte dieses Artefakt nie behalten können. Aber auch wenn das Ganns Schweigen in den 1920ern erklärt, bleiben trotzdem noch einige Fragen offen: Warum war es so umstritten, dass der Schädel an Annas 17. Geburtstag gefunden wurde, und warum weigerte sich Mitchell-Hedges auch 30 Jahre später noch, darüber zu reden?

Wem gehört der Kristallschädel?

Um wirklich verstehen zu können, warum diese Heimlichtuerei offenbar nötig war, muss man sich näher mit Mike Mitchell-Hedges selbst befassen. Wenig bekannt ist, dass in Mitchell-Hedges‘ Autobiographie „Danger, My Ally“ auf den Schädel verwiesen wird, allerdings nur in der englischen Ausgabe. Tatsächlich sind dem Schädel in der englischen Ausgabe, veröffentlicht von Elek Books Ltd. in London 1954, gerade einmal 13 Zeilen gewidmet; später wurden sie aus der amerikanischen Ausgabe, die 1955 von Little, Brown & Co. veröffentlicht wurde, herausgestrichen. Die alles entscheidende Frage dabei ist, warum diese Zeilen gestrichen wurden. Beobachter merkten an, der amerikanische Verleger hätte den Autor eher gebeten, mehr darüber zu schreiben, als alles zu streichen.

Zuerst soll die englische Ausgabe betrachtet werden, die ein Kapitel mit dem Titel „The Skull of Doom and a Bomb“ enthält. Darin befindet sich ein ganzseitiges Bild, dem Mitchell-Hedges hinzufügte:
„Wir nahmen auch den unheimlichen ‚Schädel der Verdammnis‘ [1948] mit [nach Afrika], über den schon viel geschrieben worden ist. Es gibt Gründe dafür, warum ich nicht enthülle, wie ich in seinen Besitz gelangt bin. Der ‚Schädel der Verdammnis‘ besteht aus reinem Bergkristall. Nach Aussagen von Fachleuten muss eine Generation nach der anderen jeden Tag ihres Lebens daran gearbeitet haben, um in 150 Jahren mit Sand aus einem riesigen Bergkristall den perfekten Schädel zu schmirgeln. Er ist mindestens 3.600 Jahre alt und wurde der Legende nach vom Hohepriester der Maya zur Durchführung esoterischer Kulthandlungen benutzt. Angeblich folgte der Tod auf dem Fuße, wenn er ihn mit Hilfe des Schädels beschwor. Er wurde als Verkörperung des Bösen beschrieben. Ich möchte gar nicht erst versuchen, dieses Phänomen zu erklären [sic].“

Auf den ersten Blick scheinen diese Zeilen nicht so kontrovers zu sein, dass man sie aus der amerikanischen Ausgabe streichen müsste, ausgenommen eine Kleinigkeit: Dass Mitchell-Hedges immer sagte, er werde nicht verraten, wie er an den Schädel gekommen war: „Es gibt Gründe dafür, warum ich nicht enthülle, wie ich in seinen Besitz gelangt bin.“ Für jeden Verleger, und vor allem für die jeweilige Rechtsabteilung, war dieser Satz ein rotes Tuch, und sicher entschied der amerikanische Verleger, den Autor zu fragen, warum er solche Details nicht preisgeben wolle. Nachdem er es erfahren hatte, beschloss der Verleger anschließend zweifellos, den ganzen Abschnitt herauszunehmen, damit erst gar keine Fragen auftauchen und so keine Probleme für den Verleger und vor allem den Autor entstehen konnten.

Der Streit um den Ursprung des Schädels ließ Skeptiker behaupten, dass Mitchell-Hedges den Schädel erst im Jahr 1943 bei einer Sotheby’s-Auktion in London ersteigerte. Wie gewöhnlich reduzieren die Skeptiker dabei einen vielschichtigen Bericht auf eine Theorie, die sich gut verkaufen lässt, und lassen wichtige Aspekte außer Acht, die dagegen sprechen.

Bekanntermaßen befand sich der Schädel im Jahr 1936 im Besitz von Sydney Burney, einem alten Schulfreund von Mitchell-Hedges, als die Zeitschrift Man in ihrer Juli-Ausgabe (Vol. 36) zwei Artikel über ihn veröffentlichte. Der erste Artikel, verfasst von Dr. G. M. Morant, lautet: „Morphological Comparison of Two Crystal Skulls“ (S. 105-7), auf den Adrian Digbys: „Comments on the Morphological Comparison of Two Crystal Skulls“ (S. 107-9) folgt. In diesem Artikel merkt Digby an, er könne die Geschichte des Schädels lediglich bis Januar 1934 zurückverfolgen. Er habe sich aber 1936 in Burneys Besitz befunden.
Ob Burney den Schädel nun wirklich „besaß“ oder ihn nur für Mitchell-Hedges aufbewahrte, geht aus dem Artikel nicht hervor. Aber man weiß, dass Burney ihn bis 1943 hatte, bevor sein Sohn ihn bei Sotheby’s zur Auktion stellte. Im Auktionskatalog vom 15. Oktober 1943 wird der Schädel als Objekt 54 aufgeführt: „eine hervorragende lebensgroße Skulptur eines menschlichen Schädels“, 174 mm lang, beschrieben wie folgt:

„Der Unterkiefer ist abnehmbar, die Details sind wirklichkeitsgetreu nachgebildet und der Handwerker gab den Augenhöhlen, dem Jochbein und den Wurmfortsätzen am Schläfenbein ihr naturgetreues glabellar-okzipitales Aussehen.“

Die Beschreibung erwähnt auch die Tatsache, dass „dieser großartige Schädel“ im Juli 1936 Thema eines „interessanten Artikels“ im Man-Journal gewesen sei. Mitchell-Hedges hat ihn offenbar für 400 Pfund ersteigert (die Einzelheiten des Handels bei Sotheby’s sind verschollen), und in einem auf den 22. Dezember 1943 datierten Brief an seinen Bruder schreibt er:

„Vielleicht hast du in der Zeitung gelesen, dass ich neulich einen Kristallschädel ersteigert habe, der sich zuvor in der Sydney-Burney-Sammlung befand.“

Die Versteigerung des Schädels, der Mitte der 1970er Jahre auf mehr als 500.000 US-Dollar geschätzt wurde, stellt eine sonderbare Episode in seiner Geschichte dar. Für Skeptiker ist sie der Beweis, den sie brauchen, um zu behaupten, sowohl der Vater als auch die Tochter hätten darüber gelogen, wie sie in den Besitz des Schädels gekommen waren. Aber warum sollte Mitchell-Hedges vertuschen wollen, dass er den Schädel bei einer öffentlichen Auktion gekauft hatte, und stattdessen behaupten, dass er nie enthüllen würde, wie er ihn erworben habe?

Rechtsexperten haben darauf hingewiesen, dass nach heutiger Gesetzeslage gar kein Zweifel daran bestehe, wem der Schädel gehöre, wenn er bei einer Auktion erworben wurde: Mitchell-Hedges sei der rechtmäßige Besitzer, egal, wie er in seinen Besitz gelangte. Daher ist es möglich, dass die Skeptiker die tatsächliche Bedeutung der Versteigerung missverstanden haben. In der Tat sprach Mitchell-Hedges zum ersten Mal in den späten 1940ern von dem Schädel, wohl aber vor allem deshalb, weil er sich von 1943 an befreit und in der Lage fühlte, offen darüber zu sprechen, da er wusste, dass er ihn nun rechtmäßig besaß und niemand ihm den Schädel mehr streitig machen konnte – unwahrscheinlicher ist, dass dies ein Beweis dafür sein könnte, dass er den Schädel tatsächlich erst 1943 erwarb.

Außerdem haben die Skeptiker es versäumt, sich damit zu befassen – geschweige denn zu beantworten –, wie Burney in den Besitz des Schädels gekommen war. Digby erklärte 1936, er wisse es nicht und könne die Spur des Schädels nur bis Januar 1934 zurückverfolgen. Das aber ist zehn Jahre nach dem angeblichen Fund durch Anna Mitchell-Hedges in Lubaantun.

Anna Mitchell-Hedges, die 2007 verstarb, behauptete immer, Burney hätte den Schädel nur als Darlehen von ihrem Vater erhalten, bis er das, was er Burney schuldete, zurückzahlen könne. Das Argument der Skeptiker: „Wenn der Schädel tatsächlich nur ein Darlehen war, wieso hat er ihn dann nicht einfach zurückgekauft?“, ist hier nicht logisch, denn selbst wenn es um einen Kauf gegangen wäre, hätte Mitchell-Hedges das direkt mit seinem Freund aushandeln können, anstatt den Schädel zu ersteigern.

Nach Anna Mitchell-Hedges war es aber tatsächlich so, dass Burney den Kristallschädel unerklärlicherweise zur Auktion freigegeben hatte. Da er sich mit Burney nicht in Verbindung setzen konnte, stand Mike am nächsten Morgen um 05:00 Uhr auf und fuhr nach London, um sein Eigentum zurückzuerlangen. Sotheby’s teilte ihm mit, dass Burneys Sohn der Verkäufer war; und als sie sich weigerten, das Objekt von der Versteigerung zurückzuziehen, sah Mitchell-Hedges ein, dass er sein Eigentum am einfachsten zurückbekommen würde, wenn er den Schädel kaufte. In dieser Version ist es eher nebensächlich, dass die rechtmäßige Eigentümerschaft des Schädels nun endgültig geklärt war.

Der wahrscheinlich beste Beweis, dass Mitchell-Hedges den Schädel schon vor 1943 besaß, stammt von Patsy Wilcox, Besitzerin der Pension „The Watchers“ in Polperro (Cornwall), die 1999 in einem Interview sagte, Mitchell-Hedges und seine Tochter hätten in den frühen 1930er Jahren mehrere Monate in ihrem Haus zugebracht und einen höchst außergewöhnlichen Kristallschädel dabei gehabt, den sie in einem Schrank in einem der gemieteten Zimmer aufbewahrt hätten.

Nehmen wir also – sozusagen als Arbeitshypothese – an, dass Mitchell-Hedges schon vor der Versteigerung von 1943 in den Besitz des Schädels gelangte, wie er selbst ja auch immer behauptet hatte. Dann bleibt die Frage: Wie? Wir wissen, dass er nie enthüllen wollte, wie er den Schädel bekam – was erfahrungsgemäß bedeutet, dass es da einen Punkt gibt, der sich nur schwer erklären lässt.

War Mitchell-Hedges ein Spion des britischen Geheimdienstes?

Eine genaue Betrachtung seiner Autobiographie deckt – fast wie ein Lügendetektortest – auf, dass Mitchell-Hedges über eine bestimmte Zeit in seinem Leben gelogen hat. Er erzählt, wie er 1913 ankündigte, nach Mexiko gehen zu wollen, als er für Mike Meyerowitz, einen Diamantenhändler in New York, arbeitete. Im November 1913 befand er sich bereits in einem kleinen Dorf ein paar Meilen hinter der mexikanischen Grenze, wo er von den Truppen des Generals Pancho Villa unter dem Verdacht der Spionage gefangen genommen und vor den General gebracht wurde.

Laut diesem Bericht muss Mitchell-Hedges einer der glücklosesten Menschen überhaupt gewesen sein. Doch sein Schicksal wandelte sich bald, denn der General glaubte Mitchell-Hedges, als dieser abstritt, ein Spion zu sein. Und tatsächlich trat er daraufhin für zehn Monate der Armee Villas bei.
Bereits hier klingt die Geschichte ziemlich unglaubwürdig, aber es gibt tatsächlich Menschen, die außergewöhnlich viel Pech haben, und Mitchell-Hedges mag an einer Art Stockholm-Syndrom gelitten haben. Andererseits – wenn man das Undenkbare denkt –, könnte er nicht nach Mexiko gegangen sein, um sich dort gefangen nehmen zu lassen, um so viel Zeit wie möglich in nächster Nähe des großen mexikanischen Revolutionärs zu verbringen? Voraussetzung dafür ist, dass man annimmt, dass Mitchell-Hedges nicht auf Abenteuer aus war – also kein Indiana Jones –, sondern eher ein James Bond, der von seiner Regierung geschickt worden war, um die mexikanische Revolution auszuspähen.

Beobachter behaupten, Mitchell-Hedges habe während dieser Zeit gelogen – das Hauptmerkmal eines jeden Geheimdienstagenten. Villa führte 15 Kämpfe in der Zeit, in der Mitchell-Hedges angeblich bei ihm war, aber in „Danger, My Ally“ wird keiner dieser Kämpfe erwähnt. Warum sollte er die Einzelheiten von Ereignissen auslassen, von denen seine Leserschaft mehr als beeindruckt wäre?

Dennoch sind sich alle darüber einig, dass Mitchell-Hedges die Wahrheit gesagt hat, als er erklärte, Villa persönlich gekannt zu haben, eine Schlussfolgerung, die auf seiner Einschätzung des Generals in dem Buch beruht. Mitchell-Hedges erwähnt ein Gefecht, einen Angriff im Morgengrauen auf Laredo (Texas), bei dem Mitchell-Hedges höchstpersönlich das Leben des Generals und das seiner Männer rettete. Doch tatsächlich ist der ganze Vorfall eine Erfindung: Es gab nie ein Gefecht bei Laredo. Warum also hat Mitchell-Hedges diese falsche Behauptung aufgestellt, die jeder sofort als solche durchschauen und ihn als Lügner entlarven kann?

Eine weitere Lüge ist seine Beschreibung, wie er Villas Armee wieder verließ. In dem Kapitel „Prisoner of Pancho Villa“ in seiner Autobiographie schreibt Mitchell-Hedges:

„Also hatte ich wohl oder übel keine andere Wahl; aber als die Wochen verstrichen, wurde meine Lage immer hoffnungsloser. Letztlich unternahm die Regierung der Vereinigten Staaten entschiedene Schritte, und General Pershing marschierte mit 60.000 Soldaten an die Grenze zu Mexiko [die meisten Quellen sprechen nur von 12.000 Soldaten]. Ich wusste, dass ich unmöglich an einer militärischen Operation gegen die Amerikaner teilnehmen konnte […]“

Wie logisch und begreiflich das auch erscheinen mag: Pershing marschierte nicht im Jahr 1914 an die Grenze, als Mitchell-Hedges sich dort aufhielt. Dieser Marsch fand erst 1916 statt, lange nachdem Mitchell-Hedges schon wieder zu Hause war.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass man darin übereinstimmt, dass Mitchell-Hedges Villa wohl wirklich gekannt hat, dass er aber darüber lügen musste – oder wollte –, wie genau er Villa kennen gelernt hatte. Warum? Hier müssen wir hinzufügen, dass Mitchell-Hedges 1914 wieder in England war, und als er 1915 ein Schiff nach New York nahm, noch am gleichen Abend an Bord niemand anderem als Meyerowitz begegnete! Wieder erzählte Mitchell-Hedges, er wolle nach Mittelamerika gehen, aber Meyerowitz überredete ihn, als sein Angestellter in New York zu bleiben. So war Mitchell-Hedges 1915 genau wieder da, wo er schon zwei Jahre zuvor gewesen war, so als ob sein ganzes mexikanisches Abenteuer nie passiert sei – was einige Skeptiker wohl tatsächlich gern daraus schlussfolgern möchten.

Doch der Gedanke, Mitchell-Hedges sei ein Spion gewesen, ist nicht nur bloße Spekulation. Zurück in New York machte Meyerowitz Mitchell-Hedges mit Lieb Bronstein, also Leo Trotzki, bekannt. Die beiden zogen sogar zusammen, als Bronstein in finanziellen Schwierigkeiten steckte. In dem Kapitel „The Man from the East Side“ in seiner Autobiographie schreibt Mitchell-Hedges:

„Eines Tages gegen Ende des Jahres 1919, als ich auf einem Kurzurlaub in England war, erhielt ich einen geheimnisvollen Brief auf Regierungspapier, gekennzeichnet mit ‚Streng geheim‘, der mich dazu aufforderte, Sir Basil Thompson, dem Geheimdienstchef, einen Besuch abzustatten, sobald es mir möglich sei. Neugierig geworden ging ich gleich am nächsten Tag in sein Büro.“

Mitchell-Hedges wurde gebeten, nach Russland zu gehen, weil er Trotzki kannte, aber nach eigener Aussage lehnte er diese Mission ab. Obwohl er diese spezielle Mission anscheinend nicht angenommen hat, geht aus seiner Autobiographie nicht genau hervor, was danach geschah, weshalb er möglicherweise doch nach Russland gegangen sein könnte – vielleicht nicht seine erste Mission.

Nachdem er, ob nun als Privatperson oder Mitarbeiter des Geheimdienstes Seiner Majestät, die mexikanische Revolution beobachtet hatte, wurde er mit Sicherheit gebeten, die russische Revolution zu beobachten. Was sollen wir aus seinen wiederholten „Kurzurlaub[en] in England“ schließen? Könnten sie nicht Einsatzbesprechungen gewesen sein?

Das Geheimnis um Ambrose Bierce

Seine mexikanische Odyssee wird noch interessanter, wenn man beachtet, dass Mitchell-Hedges anscheinend beschlossen hat, einen wichtigen Namen in seiner Autobiographie nicht zu nennen: Ambrose Bierce. Unser Abenteurer versäumte zu erwähnen, dass Villa im November 1913, also in dem Monat, als sich Mitchell-Hedges in unmittelbarer Nähe des Generals aufhielt, auch Bierce‘ Bekanntschaft machte, der seine Operation als „Beobachter“ begleitete und also auch in der Nähe des Generals war. Das heißt, Bierce und Mitchell-Hedges müssen sich getroffen haben.

Bierce war ein bekannter Schriftsteller und es mutet seltsam an, dass Mitchell-Hedges seinen Namen gar nicht erwähnte, weder in seiner Autobiographie noch anderswo. Aber das ist noch nicht alles: Kurz darauf verschwand Bierce unter mysteriösen Umständen, und ab einem gewissen Punkt wurden die Theorien über seinen Tod fast genauso berühmt wie die über John F. Kennedys Ermordung und den Tod von Prinzessin Diana und gipfelten in einer Reihe von Büchern, die zu diesem Thema geschrieben wurden.

Wir wissen, dass sich Bierce‘ Spur mit einem Brief vom 26. Dezember aus Chihuahua verliert, als er bei Villas Armee war. Einige glauben, dass er während der Belagerung von Ojinaga am 11. Januar 1914 umkam, aber verschiedene andere Theorien, von denen jede einzelne ebenso unbestätigt bleibt, sind auch im Umlauf. Wenn man seiner Autobiographie glaubt, hatte Mitchell-Hedges Zugang zu Villas innerstem Kreis und hätte deshalb einen Augenzeugenbericht über Bierce‘ Verschwinden abgeben können. Das wäre ein großartiges Verkaufsargument für seine Autobiographie gewesen, aber ein weiteres Mal entschied sich Mitchell-Hedges für absolutes Stillschweigen.

Was die Sache noch interessanter macht, ist, dass Ambrose Bierce im Sommer 1913 beschloss, nach Mexiko zu gehen – zur selben Zeit, in der auch Mitchell-Hedges dorthin unterwegs war. Im Oktober 1913 kam Bierce nach New Orleans, wo Mitchell-Hedges als Kellner arbeitete, angeblich um die nötigen Mittel zu verdienen, um nach Mexiko zu kommen. Die Entscheidung, Geld als Kellner zu verdienen, ist ziemlich bemerkenswert, denn Mitchell-Hedges war als erstklassiger Poker-Spieler bekannt, der jede Summe, die er benötigte, einfach hätte gewinnen können, anstatt zu kellnern – es sei denn, es durfte nicht allzu sehr nach James Bond aussehen, wenn er nach Mexiko ging.

Was soll man schließlich davon halten, wenn Bierce in einem auf den 13. September 1913 datierten Brief an Mrs. J. C. McCrackin, eine alte Freundin, schreibt: „Ja, ich soll zu einem ganz bestimmten Zweck nach Mexiko gehen, den ich gegenwärtig aber nicht enthüllen darf.“ War Bierce etwa auch – wie einige daraus schlossen –, auf einer Geheimdienstmission, oder suchte er nach etwas anderem? Bierce, der bekannte Schriftsteller und Journalist, interessierte sich auch für Zauberei. Mexiko war natürlich voller Schamanen und magischer Riten, die man dort studieren konnte, wie es Gordon Wesson und einige andere noch bis weit ins 20. Jahrhundert hinein tun sollten.

Ein Autor, Sibley S. Morrill, bezeichnete in seinem Buch „Ambrose Bierce, F. A. Mitchell-Hedges, and the Crystall Skull“ (1972) den Zeitraum von 1913 bis 1914, als Mitchell-Hedges bei Villa war, als die Zeit, in der er am wahrscheinlichsten den Schädel erhielt. Ohne genauer darauf einzugehen, fügte er hinzu, dass „einige hohe Beamte der mexikanischen Regierung der inoffiziellen Meinung sind, dass Mitchell-Hedges den Schädel in Mexiko erhielt“ und dass er illegal außer Landes geschafft worden war.
Dieses Szenario könnte erklären, warum Mitchell-Hedges nie verriet, wie er an den Schädel gekommen war, und auch, warum seine Tochter es für klug gehalten haben mag, den Fundort des Schädels in ein anderes Land, nämlich Belize (früher Britisch-Honduras), zu verlegen.

Aber das würde auch andeuten, dass Mitchell-Hedges den Schädel gerade zu der Zeit erhielt, als Bierce verschwand. Tatsächlich ist es bemerkenswert, dass niemand je Mitchell-Hedges gefragt hat, ob er wisse, wie Bierce verschwunden sei, aber vielleicht liegt der offensichtliche Grund dafür in seiner Autobiographie, die er spät in seinem Leben schrieb und die meisten Leser davon abhalten sollte, zwei und zwei zusammenzuzählen, bevor er starb.

Die Möglichkeit, dass Mitchell-Hedges den Schädel in Mexiko bekam, ist die plausibelste Schlussfolgerung – wenn auch nur deshalb, weil sie zu der Zeit, über die er gelogen hat, sowie auch zu seiner Weigerung passt, die Umstände des Fundes zu enthüllen. Ein wahrscheinliches Szenario dafür könnte dann also sein, dass, da Villas Soldaten oft Dörfer und große Farmen plünderten und mit der örtlichen Bevölkerung Handel trieben, jemand ihn Villa und seinen Soldaten verkauft oder einfach gegeben hat – und/oder Mitchell-Hedges.

Das würde nicht nur gut in das Bild passen, warum Mitchell-Hedges die Wahrheit nie enthüllen wollte und erkannte, dass er die Geschichte um die Auktion im Jahr 1943 brauchte, um rechtmäßiger Eigentümer des Schädels zu werden, sondern auch zu Morrills Informationen von mexikanischen Beamten über den Ursprung des Schädels. Aber wieder scheint es, als würde das plausibelste Szenario von einer noch spektakuläreren Wahrheit übertroffen.

 

Hinweise in „The White Tiger“

„Sakrileg“ ist ein Roman, den viele Leser für wahr hielten; aber manchmal benutzen Autoren (zum Teil, weil sie es müssen) die Fiktion, um einen Stoff zu verarbeiten, von dem sie wissen, dass sie ihn nicht im Rahmen eines Sachbuches enthüllen könnten. Wenig bekannt ist, dass Mitchell-Hedges einen Roman namens „The White Tiger“ (erschienen 1931) geschrieben hat, der das Thema der Kristallschädel behandelt.

Der Roman handelt von Weißer Tiger, dem Anführer der mexikanischen Indios, der, wie sich herausstellt, ein Engländer ist, der mit seinem Leben in England unzufrieden war und deshalb nach Mexiko ging. Früh im Buch erzählt die Hauptfigur, er habe Weißer Tiger getroffen, als er Gespräche mit dem mexikanischen Präsidenten führte, wobei der Häuptling ihm sein Tagebuch überließ, das er dann als diesen Roman veröffentlichte. Einige Orte, die in dem Tagebuch erwähnt werden, habe er allerdings verändert.

Im interessantesten Teil des Buches erzählt Weißer Tiger, wie er zum Anführer der Indios gewählt wurde – eine Position, die eine Initiation verlangte, bei der ihm unter anderem der geheime Schatz der Azteken in einer verschollenen Pyramidenstadt gezeigt wurde.

Weißer Tiger, der nun ihr König ist, wird der Schatz gezeigt, bei dem sich auch „Kristallköpfe“ – Mehrzahl – befinden, die in einem unterirdischen Höhlenkomplex versteckt sind:

„Aber das Beste sollte erst noch kommen. Als sie in den Tempel gingen, führte ihn der Priester feier­lich zu einer der massiven Wände und legte eine Hand auf eigentümliche Art in einen scheinbar soliden Felsblock. Durch die Berührung rollte er langsam zurück und gab eine Treppenflucht frei, die sie hinuntergingen. Die Lampe, die der Priester trug, warf unheimliche Schatten in die Dunkelheit. Sie stiegen zahllose Stufen hinab in den Bauch der Erde, bis der Priester wieder gegen den offenbar soliden Fels drückte, der ihnen den Weg versperrte. Fast lautlos bewegte sich der Stein wie auf geölten Scharnieren und vor ihnen gähnte ein langer Tunnel. Sie betraten ihn und gingen eine weitere Treppenflucht hinunter. Der Priester berührte die Wand ein drittes Mal und ein riesiger Stein rollte zur Seite.

Dann sah Weißer Tiger im schwachen Licht der Laterne, dass er sich in einer gewaltigen Höhle befand, die direkt in den nackten Fels getrieben worden war. Vor ihm lag hoch aufgetürmt der Schatz der Azteken in einem heillosen Durcheinander. Goldkelche, Schüsseln, Krüge und anderes Geschirr in jeder Größe und Form; riesige Platten und seltsame Ornamente glänzten matt. Es gab keine wertvollen Steine, aber viele seltene Chalchihuitl, so etwas wie Jadeitschmuckstücke [sic]. Die Masken aus Obsidian und herrlich eingelegte Muscheln lagen auf einem Haufen mit aus soliden Kristallblöcken geschnittenen Köpfen. Die Legende hatte beim Schatz der Azteken nicht übertrieben. Weißer Tiger stand fast grenzenloser Reichtum zur Verfügung.

Das ganze Blutvergießen, die Vergewaltigungen und widerwärtigen Foltern, die die bemitleidenswerten Azteken durch die Hände der spanischen Conquistadores hatten erleiden müssen, hatten aus ihnen nicht das Geheimnis dieses versteckten Ortes herauspressen können. Sie hielten den Eid, den sie ihren Göttern geschworen hatten, und starben lieber, als dass die verhassten Eroberer einen Nutzen hatten [sic]. Mit diesem gewaltigen Vermögen könnte ein Mann sich zu jeder Höhe aufschwingen, sich jedem Luxus hingeben, jeden Titel erwerben und einer der Erhabensten der Welt werden. Aber die Indios verfügten ganz richtig, dass diese Dinge für den Weißen Herrn nicht von Bedeutung seien und dass der Schatz nur zu ihrem Wohle benutzt werden dürfe.“

In dieser einen Passage findet sich eine Reihe von Szenen – fast genau wie die Eröffnungssequenz in dem Film „Indiana Jones – Jäger des verlorenen Schatzes“ –, die einen annehmbaren Rahmen dafür bieten, wie Mitchell-Hedges den Kristallschädel gefunden (oder erhalten) haben könnte, und warum er nicht über die Umstände sprechen wollte, unter denen er ihn gefunden hatte.

Tatsächlich finden wir im Roman ein Motiv dafür, warum Anna Mitchell-Hedges es für klug gehalten haben mag, den Fundort des Schädels von Mexiko nach Belize zu verlegen: Auch die Hauptfigur in „The White Tiger“ hat die Schauplätze in seinem Roman verlegt – eine beliebte Methode, um die Leute davon abzuhalten, die Spur weiterzuverfolgen und so die Wahrheit zu entdecken.

Schließlich kursiert noch ein Gerücht um den Schädel, laut dem der damalige mexikanische Präsident, Porfirio Díaz, angeblich ein geheimes Schatzlager besaß, in dem sich auch zwei Kristallschädel befunden haben sollen, die irgendwie ihren Weg zu Pancho Villa fanden. Zwei dieser Schädel sollen sogar auf seinem Schreibtisch gestanden haben. Obwohl das Gerücht nie bestätigt wurde, ist es doch gerade deshalb eine bemerkenswerte Geschichte, weil „The White Tiger“ mit einer Szene im Büro des mexikanischen Präsidenten eröffnet, wo die Hauptfigur Weißer Tiger trifft.

In Anbetracht dessen, dass er derjenige ist, der in „The White Tiger“ später Kristallschädel in einem Höhlenkomplex sieht, kann man sich nur fragen, ob das Gerücht, der Roman und die Wahrheit nicht vielleicht doch Hand in Hand gehen.

Bemerkenswerterweise bezieht Morrill sich nirgendwo auf den Roman „The White Tiger“, obwohl er ihn anscheinend kannte. Außerdem ergeben einige von Morrills veröffentlichten Schlussfolgerungen nur dann einen Sinn, wenn man sie im Zusammenhang des Romans sieht. Zum Beispiel hebt Morrill hervor, dass Mitchell-Hedges sich oft von den Expeditionen, an denen er teilnahm, absetzte und sich allein in den Dschungel aufmachte. Daher mutmaßt Morrill, er habe nach einer Höhle gesucht.

Obwohl diese Schlussfolgerung anhand der von Morrill zu diesem Thema bis dato vorgelegten Beweise völlig ungerechtfertigt erscheint, ergibt eine solche „Spekulation“ durchaus Sinn, wenn man sie im Zusammenhang von „The White Tiger“ betrachtet: Mitchell-Hedges benutzte vielleicht das Tagebuch von Weißer Tiger und machte sich auf die Suche nach der Höhle, die diesen unglaublichen Schatz beherbergt, und hat sie möglicherweise sogar gefunden – und mit ihr die „Kristallköpfe“.

Die Skeptiker hassen an Mitchell-Hedges, dass er leidenschaftlich gern forschte und Beweise für eine untergegangene Zivilisation finden wollte, von deren Existenz er überzeugt war. Sicherlich ist der Kristallschädel von allen bekannten Artefakten der beste Beweis dafür, dass unsere Vorfahren weit mehr Kenntnisse und Fähigkeiten besaßen, als Archäologen – vor allem in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – den „primitiven Indios“ zugestehen wollten.

Heute kommt langsam ans Licht, dass die „primitiven Indios“ viel weiter entwickelt waren, als man bisher angenommen hat, und nun schreibt man ihnen sowohl Fachwissen über Pflanzen und medizinische Behandlungen zu als auch Anbautechniken, die unter anderem mit einer genialen Düngemethode den Ackerboden mit Kohlenstoff anreicherten – der so entstehende Boden ist bekannt als terra preta (siehe den entsprechenden Artikel auf www.philipcoppens.com). Heute geht man davon aus, dass sie ausgezeichnete Metallbearbeiter waren – und in nicht allzu ferner Zukunft findet man vielleicht auch Beweise für ihre Kristallbearbeitungstechniken.

In jedem Fall verfügt der Schädel, ob er nun ein Beweis für eine untergegangene Zivilisation oder geniale Handwerkskunst ist, über einen interessanten Widerspruch: Denn Mitchell-Hedges ging zwar mit dem Artefakt weg, konnte aber nie erzählen, wie er es erlangt hatte – vielleicht, weil er zur Geheimhaltung verpflichtet war.

Wer also war Weißer Tiger? Es besteht die Möglichkeit, dass die Figur Mitchell-Hedges selbst darstellt oder darstellen soll, aber das erscheint nicht besonders wahrscheinlich. Obwohl Mitchell-Hedges viel Zeit in Mittelamerika verbrachte, war er nicht ausreichend integriert, um von den Indios als Anführer angesehen zu werden.

Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass es sich bei einem anderen Engländer so zugetragen hat, und dass dieser „englische König“ seinem Landsmann Mitchell-Hedges von seinen Abenteuern erzählte, als ihre Wege sich kreuzten.

Ein letzter Schritt muss noch gemacht werden – vielleicht ein Schritt zu weit, aber er darf trotz allem nicht unerwähnt bleiben. Obwohl „The White Tiger“ zum Teil autobiographisch ist, ist klar, dass Mitchell-Hedges jede Figur mit einem Stück von sich selbst ausstattete – einschließlich Weißer Tiger. Weißer Tiger ist ein Mann, der verschwand und dann der Anführer der mexikanischen Indios wurde. Angeblich kannte Mitchell-Hedges ja tatsächlich einen Mann, der verschwunden war: Ambrose Bierce. Verschwand er, um ein Häuptling zu werden?

So ungeheuerlich sich das auch anhören mag, muss Bierce, der ja ein beschlagener Magier war, anders als Mitchell-Hedges mehrmals mit den örtlichen Indios zusammengetroffen sein, sodass er leicht zu ihrem schamanischen Anführer hätte werden können. Sogar wenn Bierce tatsächlich „nur“ das Wissen der mexikanischen Indios erforschen wollte – wie Gordon Wasson und so viele andere nach ihm – findet sich hier auch ein weiterer möglicher Hinweis darauf, warum Mitchell-Hedges sich dazu entschied, über Bierce‘ Verschwinden Stillschweigen zu bewahren.

Die Suche nach der Wahrheit sollte immer Vorrang haben vor Aufschneiderei oder Selbstbeweihräucherung. Wie Indiana Jones stieß Mitchell-Hedges vielleicht tatsächlich auf ein vergessenes Königreich des Kristallschädels, aber anders als in dem Film „Jäger des verlorenen Schatzes“ konnte er es ans Licht bringen und der Welt ein Artefakt präsentieren, das die Menschheit immer noch fasziniert.


Kommentare

Kommentar von Andreas Markmann (20. Januar 2014, 19:57 Uhr)

Das ist mein Kristallschädel er ist die Kopie meines Schädels und ich hätte ihn gerne zurück


Kommentar von Karin El Rhazi (15. September 2015, 20:03 Uhr)

Bei dem Autor Phillip Coppens bedanke ich mich für die ausführliche Recherche und Darstellung um die Herkunft des Kristall-Schädels von Mitchell-Hedges.


Kommentar von jörg (08. Februar 2016, 18:31 Uhr)

Sehr geehrte Damen und Herren, die Schädel haben wohl grosse Gewichtung in der Anleitung der Mayas nur sieht niemand die Anleitung hierfür was ziemlich traurig ist.Wir nehmen den Maya Kalender die meisten meinen es sei ein Kalender aber wenn man hin schaut erkennt man die Anleitung.