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Buch- und Filmbesprechungen in NEXUS 110

Reviews / BücherNeuland | Tanja Gräff | Notizen aus der Pathologie | Demozid | Wetiko | Heimische Heil- und Vitalpilze | Homo Carnivorus | Seltsame Szenen im
Canyon der Rockstars


Seltsame Szenen im Canyon der Rockstars

David McGowan
Omnivers Verlag
367 Seiten
ISBN: 978-3-03972-001-9
€ 27,–

Hinweis der Redaktion: Das Buch ist bei uns im Shop erhältlich.

Laurel

Für Menschen, die sich als wahre Musikfans bezeichnen – und das gilt nicht nur für solche im Alter von 70 Jahren oder mehr –, ist der Hippie-Sound der Sixties und frühen Seventies nach wie vor unerreicht. Sie trauern der damaligen psychedelischen Musik (und allen anderen Genres, die damals erfunden wurden) sowie der bis heute quer durch alle Boomer-Medien zelebrierten „Gegenkultur“ nach und versuchen, deren angebliche Werte nach wie vor hochzuhalten.

Das Buch „Seltsame Szenen im Canyon der Rockstars“ des amerikanischen Autors David McGowan ist bestens dazu geeignet, sämtliche Illusionen, die sich um die Musik dieser Zeit ranken, zu zerstören. McGowan führt uns in seinem Werk – dessen erste drei Kapitel übrigens in NEXUS 34 – 36 erschienen sind – in den Laurel Canyon, eine Wohngegend von Los Angeles, in der sich plötzlich und „ganz zufällig“ in den 1960er-Jahren junge Männer und Frauen aus der ganzen Welt zusammenfanden, um aus dem Nichts zu Stars der Musikszene zu werden. Und das, obwohl der Laurel Canyon damals bereits seit 40 Jahren eine exklusive Kolonie für Prominente aus Hollywood war, die dort ihren nicht für die Klatschspalten bestimmten Neigungen nachgehen konnten. Macht nichts … weil die erwähnten jungen Herrschaften trotz der begehrten Immobilien des Canyons bald in Häusern und großzügigen Anwesen unterkamen, um dort ihre Karrieren zu beginnen.

Wie der Autor aus durchweg öffentlichen Quellen ermitteln konnte, beherrschten viele dieser künftigen Stars nicht einmal oder bestenfalls rudimentär ihre Instrumente; manche von ihnen waren sogar so arme Schlucker, dass sie nicht einmal ein Instrument besaßen. Aber auch das macht nichts … weil sie dennoch bald Plattenverträge in der Tasche hatten und ihre Songs die Charts anführten. Da störte es auch niemanden, dass die ersten Platten der Bands aus dem Laurel Can­yon von bewährten Studiomusikern eingespielt wurden – wenn man der Formation The Monkees (deren Mitglieder übrigens auch im Laurel Canyon wohnten) vorwirft, eine synthetische Band gewesen zu sein, gilt das daher genauso für Musikgruppen wie The Doors, The Mamas & The Papas, Buffalo Springfield, Love und wie sie alle heißen.

Letztlich ging es – auf diese Vermutung steuert David McGowan in seinem Werk zu – vor allem da­rum, eine Pseudo-Gegenkultur ins Leben zu rufen, die mit Love & Peace, psychedelischen Sounds, jeder Menge Drogen und Mystik bzw. Okkultismus das politische Poten­zial der Protestgeneration schwächen, pervertieren oder gleich zerstören sollte (was ja auch gelungen ist).

Die bedeutenden Vertreter dieser Szene, so weist der Autor nach, hatten über ihre Eltern oder in ihrem eigenen Lebenslauf beste Verbindungen zum berüchtigten militärisch-industriellen Komplex der USA. So war Jim Morrison beispielsweise Sohn jenes Admirals, der wahrscheinlich den Tonkin-Zwischenfall – Auslöser des US-Engagements im Vietnamkrieg – inszenierte; Frank Zappa Sohn eines Spezialisten für chemische Kriegsführung; John Phillips (Mamas & Papas) Sohn eines hochdekorierten Marines und selbst Zögling einer Militärakademie; David Crosby Waffenfetischist und (ebenso wie Jimi Hendrix) nach eigenen Aussagen für Spezialeinheiten des Militärs tätig usw.

Dass sich diese Leute, die in vielen Fällen der besseren US-Gesellschaft entstammten, plötzlich so gegen das Establishment wandten, deutet darauf hin, dass hinter der „spontan entstandenen“ Szene eine unsichtbare Hand steckte, möglicherweise die CIA, die ja auch für die massenhafte Verbreitung von LSD sorgte. Andere von McGowan angeführte Indizien dafür, dass nicht alles so eitel Wonne war, wie wir es immer noch von Pop-Historikern vorgesetzt bekommen, sind der Hang zu Okkultismus und Satanismus – der eventuell auch hinter der unverhältnismäßig hohen Anzahl von Todesfällen im Laurel Canyon stand, die verdächtig oft als Selbstmorde oder Unfälle zu den Akten gelegt wurden.

Außerdem wäre da noch die Verbindung vieler der erwähnten Musiker und der mit ihnen befreundeten „Young Turks“ aus Hollywood (u. a. Peter Fonda, Jack Nicholson, Dennis Hopper, Sharon Tate) mit der „Family“ des berüchtigten Charles Manson. Der Autor erwähnt auch, dass sich auf dem höchsten Hügel des Laurel Canyon, dem Lookout Mountain, schon Jahrzehnte vor der Invasion der späteren Hippie-Idole eine streng geheime Militärbasis der Air Force befand, dass es im Canyon jede Menge brutaler Morde, eine rege Kinderporno-Szene und Mafia-Aktivitäten gab, und dass das Ausmaß der Laster und Perversionen, die sich dort ausbreiteten, mit den degeneriertesten Auswüchsen Hollywoods mithalten konnte. Aber das, wie er nicht müde wird zu betonen, ist wahrscheinlich „alles nur Zufall“.

Man muss nicht alle von McGowan hergestellten Zusammenhänge nachvollziehen können, um „Seltsame Szenen im Canyon der Rockstars“ als hochinteressante Lektüre zu empfinden, die den Leser in eine bisher verborgene Alternativwelt der Popkultur entführt. Daher: unbedingte Empfehlung!

ph

Tanja Gräff: Ein ungeklärter Fall

Claire Sandberg
tolino media
556 Seiten
ISBN: 978-3-75791-123-2
€ 29,99

Tanja Graeff

Seit Jahrzehnten gehört zum Standardprogramm des öffentlichen Fernsehens die Sendung „Aktenzeichen XY … ungelöst“, mit deren Hilfe unzählige Kriminalfälle im deutschsprachigen Raum gelöst werden konnten. Doch was ist, wenn trotz mehrmaliger Thematisierung ein Verbrechen nicht aufgeklärt werden kann? Das war bei der vermissten Tanja Gräff der Fall, deren Geschichte bei „Aktenzeichen XY … ungelöst“ im September 2007 und im März 2011 behandelt wurde, ohne eine verwertbare Spur zutage zu fördern.

Nach Auffassung der Autorin des vorliegenden Buchs wurden bei der Suche mittels nachgestellter Film­szenen fahrlässig oder gar bewusst falsche Angaben über Örtlichkeiten, Uhrzeiten und personelle Konstellationen gemacht. Ihre Vorwürfe über die gezielte Täuschung des Fernsehpublikums belegt die Privatermittlerin mit langen Zitaten aus der 900 Ordner starken Verfahrensakte sowie zahlreichen Zeugengesprächen.

Am 7. Juni 2007 verschwand die rothaarige Studentin Tanja Gräff nach dem Besuch des Sommerfestes der Trierer Fachhochschule spurlos. Umgehend begann eine beispiellose Such­aktion mit einer regen Beteiligung der Bevölkerung. Trotz des Einsatzes von mehreren Polizeihundertschaften, Spürhunden, Hubschraubern und Wärmebildkameras konnte Tanja Gräff nicht aufgefunden werden. Noch Jahre später hingen in Trier und Umgebung Plakate und Straßenbanner mit dem Konterfei der jungen Frau.

Im Januar 2015 wurde der Leserbrief eines pensionierten Kripobeamten der Soko FH in einer regionalen Tageszeitung veröffentlicht, der öffentlich behauptete, dass eine Handvoll Verantwortlicher die Ermittlungen zur „Spur 38 Spitzbart“ verhinderten. Wie Recherchen der Autorin belegen, handelt es sich bei diesem „Spitzbart“ um den Sohn eines Richters, der in der Tatnacht als letzter Mann mit Tanja Gräff gesehen wurde und in Begleitung eines „FDPlers“ war. Interessanterweise wurde dieses Duo jedoch bei den folgenden Ermittlungen auffällig umgangen und ein Phantombild des Spitzbarts nicht veröffentlicht.

Durch Zufall wurden Tanjas sterbliche Überreste am 11. Mai 2015 bei Rodungsarbeiten entdeckt, an einem Plateau am Fuß des Roten Felsens, rund einen Kilometer vom Festgelände. Unvorstellbar: Der frei zugängliche Fundort befand sich keine 20 Meter von einem bewohnten Hochhaus entfernt und in unmittelbarer Nähe zum Parkplatz einer Studentenverbindung. Damit war das Polizeiversagen bei der inszenierten Suche offenkundig. Doch schnell wurde das Tatgeschehen in Richtung Unfall respektive Suizid ohne Fremdeinwirkung gedreht und das Verfahren 2017 offiziell eingestellt. Fraglich ist in diesem Zusammenhang die Aussagekraft eines psychologischen Gutachtens, das rund zehn Jahre nach dem Tod des gesuchten Opfers nur anhand der Ermittlungsakten erstellt wurde. Bezeichnenderweise wurde der am Fundort aufgefundene zerrissene Gürtel von Tanja Gräff von der Trierer Staatsanwaltschaft gegenüber der Öffentlichkeit verschwiegen. Und für einen angeblichen Sturz aus 40 Metern Höhe entlang einer schroffen Felswand blieben die Knochen von Schädel, Armen und Beinen untypischerweise unversehrt.

Mit ihrer umfangreichen Recherchearbeit verfolgt die Verfasserin drei Ziele: Während das Buch eine Anklageschrift gegen das fehlerhafte Vorgehen der Trierer Ermittlungsbehörden ist, dient die Arbeit auch der Ehrenrettung von Tanja Gräff und liefert ein Plädoyer für die Wiederaufnahme des Ermittlungsverfahrens. Weiter regt die Dokumentation dazu an, über den konkreten Fall hinaus über den Verbleib verschwundener Kinder und junger Frauen nachzudenken. Nach der beunruhigenden Lektüre drängt sich der unangenehme Verdacht auf, dass einige vermeintlich unaufklärbare Fälle in der Bundesrepublik von den zuständigen Verantwortlichen in Wirklichkeit gar nicht aufgeklärt werden sollen.

Hinter dem Pseudonym Claire Sandberg verbirgt sich die saarländische freie Journalistin Beate Lehr-Metzger, die mit ihrem Team seit Jahren an diesem Skandal dran ist. Eine geraffte Einführung in die Kriminalgeschichte gibt es auf der von der Autorin betriebenen Internetseite Tanja-Gräff.de, auf der bis heute Hinweise eingereicht werden können.

sb

Notizen aus der Pathologie: Das imperial-suizidale Syndrom der Deutschen

Knut Kleesiek
Manuscriptum
365 Seiten
ISBN: 978-3-948075-47-7
€ 26,–

Pathologie

Ausländische Beobachter haben sich oftmals über den widersprüchlichen Volkscharakter der Deutschen gewundert: Einst strotzten sie vor nationalem Pathos und erklärten anderen Ländern kurzerhand den Krieg, heute verleugnen sie ihre nationalen Interessen und öffnen ihre Grenzen schrankenlos. Mal wollen die Deutschen die ganze Welt erobern, mal wollen sie die ganze Welt bei sich zu Hause aufnehmen. Beide überzogenen Reaktionen haben indes den Untergang des politischen Gemeinwesens zur Folge. In seinem vorliegenden Werk seziert Knut Kleesiek die gesellschaftliche Struktur Deutschlands – seine Diagnose fällt unerbittlich aus: Für Kleesiek leiden die Deutschen als Kollektiv an einer bipolaren Psychose, die der Autor als „imperial-suizidales Syndrom“ bezeichnet. Dieses zweiphasige Syndrom zieht sich seit 1871 durch die deutsche Geschichte.

Im Grunde genommen kann man die ideellen Grundlagen des desillusionierten Pathologen als synthetische Mutation bezeichnen, denn hier übernimmt ein im Kern Nationalkonservativer den ideologischen Werkzeugkasten der sogenannten antideutschen Linken. Beklagt Kleesiek den meta­physischen Materialismus und den mangelnden Widerstand der Deutschen gegen den drohenden nationalen Exitus, so erkennt er auch, dass die bundesdeutsche Politik und ihre Wähler naiv davon ausgingen, dass die Einwanderer „so werden würden wie sie selbst“. Doch die vermeintlich grenzenlose Toleranz gerät schnell an ihre Grenzen.

Seine Kritik an der Migrationspolitik, die mittlerweile den Staatshaushalt mit 50 Milliarden Euro im Jahr belastet, bewegt sich im rechtskonservativen Rahmen. Eindringlich warnt der Verfasser vor der Aufgabe des Nationalstaates und vor dem ethnisch-kulturellen Untergang des deutschen Volkes infolge der sukzessiven Verdrängung durch nichteuropäische Massenzuwanderung. Die heutigen Hybridformen zwischen Christentum und Kulturmarxismus sowie das ideologische Bündnis zwischen radikalen Linken und Großkonzernen werden analytisch erfasst.

Doch in manchen Passagen fällt der Autor hinter seinen selbst gewählten wissenschaftlichen Anspruch zurück. Denn weder wurde der autoritäre Sozialismus der DDR nach der Wiedervereinigung zur Staatsideologie der Bundesrepublik, noch lässt sich ein Siegeszug des trotzkistischen Bolschewismus in der westlichen Hemisphäre feststellen. Das wäre in etwa so falsch, als würde man rechtskonservative AfD-Wähler pauschal als Nationalsozialisten titulieren. Werden jedoch die gegenwärtigen Prozesse unter unpassenden historisierenden Oberbegriffen subsumiert, gerät die Analyse unweigerlich in eine Schieflage und mögliche Lösungsansätze können nicht eruiert werden.

Knut Kleesiek ist Professor für klinische Chemie respektive Pathobiochemie im Ruhestand und war zeitweilig Präsident der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin. Aufschlussreich ist daher das längere Kapitel zur Coronapolitik, die nach seiner Auffassung von tiermedizinischen und irrationalen Vorgaben geleitet war. Nicht der Schutz besonders anfälliger Bevölkerungsgruppen habe im Fokus der staatlichen Zwangsmaßnahmen gestanden, sondern die Durchsetzung eines globalen moralischen Narrativs. Während die geforderte Impfung von gesunden Menschen selbst aus schulvirologischer Sicht unsinnig war, wurde die Verteilung des in Deutschland hergestellten Impfstoffs aus dem Drang nach nationaler Unterordnung der Europäischen Union überlassen.

In seinem Fachbereich gilt Kleesiek als Koryphäe, der sich mit Hunderten publizierten medizinischen Beiträgen profilierte. Welche Konsequenzen aus Kleesieks psychiatrischem Befund zu ziehen sind, muss die Leserschaft selbst entscheiden. Lakonisch versichert der emeritierte Professor: „Mit dem Patienten stirbt die Krankheit.“

sb

Demozid: Will eine selbst ernannte Elite die Menschheit reduzieren?

Peter Orzechowski
Kopp Verlag
304 Seiten
ISBN: 978-3-86445-955-9
€ 22,99

Demozid

Die Untersuchungen Orzechowskis in diesem Werk sind zweifelsohne wichtig, und auch ich würde die Frage im Untertitel wie er mit einem klaren Ja beantworten – doch lässt seine Argumentationsweise und -qualität oft zu wünschen übrig. Zu Beginn führt der Autor zahlreiche Zitate an, die die These der gezielten Bevölkerungsreduktion unterstützen, auch die sogenannten Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen rückt er in den Fokus der Aufmerksamkeit. So weit, so gut und richtig.

Seinen Behauptungen aber, diese Ziele würden eigentlich etwas ganz anderes bedeuten als das, was sie oberflächlich zu sein scheinen, mangelt es an argumentativer Kraft. Auch wenn seine Aussage im Kern wahr sein mag, wird er einen Neuling oder Skeptiker so nicht überzeugen können. Vielmehr hat Orzechowski ein Buch für Menschen geschrieben, die ihr Weltbild bestätigt sehen wollen – ein Weltbild übrigens, das von einer ideologischen Voreingenommenheit zeugt, die auch in alternativen Kreisen leider omnipräsent ist:

Wenn Orzechowski beispielsweise Krieg als Mittel zur Bevölkerungsreduktion erörtert, artet das schnell zu einer Streitschrift gegen die NATO und „den Westen“ aus. Letztgenanntem macht er fortwährend – implizit und explizit – schwerste Vorwürfe, während er gleichzeitig Russland als Opfer stilisiert, das friedfertiger kaum sein könnte. Verlautbarungen von russischen Vertretern nimmt er unhinterfragt für bare Münze, während er westlichen Persönlichkeiten unlautere Motive unterstellt. Warum? In nur einem einzigen Satz am Kapitelende spannt er dann den Bogen zum Thema Entvölkerung, was den Eindruck erweckt, die Westeuropäer, Amerikaner und ihre Verbündeten wären für alle Probleme auf dieser Welt verantwortlich. Mit Verlaub: Das ist keine differenzierte Analyse, sondern Stimmungsmache – und sie bläst ins selbe Horn wie die Propaganda von russischer und chinesischer Seite.

So hinterlassen Orzechowskis Ausführungen zu China den Eindruck, als wäre das Land der Mitte eine grundsätzlich friedfertige Lokalmacht, die einseitig unter den kriegslüsternen westlichen Nationen zu leiden hat. Man muss das als unausgewogene und grob lückenhafte Darstellung bewerten. Spätestens wenn der Autor mit dem Begriff „russische Militäraktion“ die Propagandaterminologie Russlands hinsichtlich des Ukrainekrieges übernimmt, oder wenn er Klaus Schwab, dessen wirtschaftliche Vorstellungen eindeutig sozialistischer Natur sind, als „Rasputin des Kapitalismus“ bezeichnet, muss klar sein, dass „Demozid“ dem Anspruch einer sachlichen Untersuchung der Eingangsfrage in weiten Strecken nicht gerecht wird.

Erlauben Sie mir, einige Beispiele zu nennen, die meine Bewertung untermauern: In Schwabs Weltwirtschaftsforum waren neben den üblichen Verdächtigen auch stets zahlreiche Chinesen und Russen zugegen. Der in den alternativen Medien so verhasste Henry Kissinger ist Schwabs Schirmherr und Lehrer in Harvard gewesen – gleichzeitig wurde Schwab als einer von sehr wenigen Ausländern mit der „China Reform Friendship Medal“ durch Xi höchstselbst geehrt, während es von Kissinger heißt, er sei der einzige Ausländer, von dem ein Porträt in der Zentralen Parteischule der KPCh in Peking hänge. Im Januar 2012 titelte die New York Times über einem Bild von Putin und Kissinger: „Putin begrüßt seinen ‚alten Freund‘ Kissinger, um zu fachsimpeln.“ David Rockefeller wiederum bezeichnete einst das „soziale Experiment in China unter der Führung des Vorsitzenden Mao“ – er meinte die Kulturrevolution mit mehreren Millionen Toten – bewundernd als „eines der bedeutendsten und erfolgreichsten der Geschichte“. Die Gräben bestehen allem Anschein nach also bloß an der Oberfläche, um das altbewährte Teile-und-herrsche-Spiel zu befeuern.

Wer in der heutigen Zeit in geopolitischen Fragen Kritik übt, muss differenziert kommunizieren, weil große Teile der Leserschaft reflexartig in ein Lagerdenken verfallen werden – das gilt genauso für die, die meinen, kritisch und alternativ zu denken. Auch der Autor scheint diesem Lagerdenken anheimgefallen zu sein, weshalb ich das Buch nicht als geeignete und neutrale Lektüre empfehlen kann, wenn es um die Untersuchung der aufgegriffenen Fragestellung geht.

fp

Wetiko: Das Geistvirus heilen, das unsere Welt heimsucht

Paul Levy
Neue Erde
384 Seiten
ISBN: 978-3-89060-818-1
€ 32,–

Wetiko

Wetiko ist ein Begriff der amerikanischen Ureinwohner. Er bezeichnet ein böses Virus, das in die menschliche Gedankenwelt eindringt, dort Selbstsucht provoziert und sich von ihr ernährt. Paul Levy hat diesen uralten Begriff aufgenommen und in seinem Buch versucht, das virale Böse in unserer modernen Welt zu diagnostizieren.

Wetiko gleicht einem archetypischen Schatten: Es befeuert Eifersucht, Gier, Aggression, Angst, Wut, Machthunger, Egoismus und ähnliche Zustände im menschlichen Geist. Levy beschreibt das Konzept eines viralen Bösen, wie es auch in der Kabbala, der christlichen Mystik, im hawaiianischen Kahuna-Schamanismus und in den Arbeiten von Carl Gustav Jung skizziert ist. Die paranoide Gedankenwelt eines Philip K. Dick diskutiert er ebenso wie die parasitären Seelenfresser von Colin Wilson. Wie der Autor außerdem zeigt, resoniert auch die Beschreibung des Bösen in den Schriften visionärer Denker wie Sri Aurobindo, Nikolai Berdjajew und Renè Girard tief mit der Idee des Wetiko.

Menschen, die von Wetiko besessen sind, zeigen wenig Interesse am Wohlergehen ihrer Mitmenschen. Wie Levy an vielen Beispielen zeigt, tarnt sich das Virus äußerst effektiv – wir nehmen es nur selten wahr, wenn es unser Verhalten subtil verändert. Die dunklen Kräfte attackieren Ziele, die eine Bedrohung für sie darstellen, beispielsweise menschliche Tugenden wie Mitgefühl, Achtsamkeit, Vergebung, Dankbarkeit und Demut.

Im dritten Buchabschnitt zeigt der Autor noch auf, dass Wetiko und Corona in einer merkwürdigen Beziehung stehen; er charakterisiert Corona als Symbol für eine viel tiefer gehende Infektion.

Levy zeigt auf, dass Heilung erst möglich ist, wenn wir die kollektive Psychose erkennen, die das Wetikovirus induziert. Er insistiert, dass wir bald keine Welt mehr haben werden, wenn wir diese pandemische mentale Krankheit nicht wahrnehmen. Er ist überzeugt, dass Wetiko ebenso wie das Coronavirus sein eigenes Heilmittel enthält.

Leider ziehen einige Teile des Buchs die Aufmerksamkeit des Lesers weg von möglichen Lösungen, zu sehr dominiert die Beschreibung des globalen Bösen in seinen vielen Facetten. In jedem Fall ist das Buch jedoch eine außergewöhnliche Quelle, die über den Zustand einer im Kollektivwahn gefangenen Welt informiert. Und es zeigt auch, dass wir das Licht wiederfinden können, wenn wir Wetiko als das erkennen, was es ist.

ks

Heimische Heil- und Vitalpilze: 20 Pilze für Küche und Hausapotheke

Gerit Fischer
Mankau-Verlag
158 Seiten
ISBN: 978-3-86374-710-7
€ 12,–

Vitalpilze

Wenn nach regenreichen Tagen im Herbst die Sonne scheint, schießen über Nacht die Pilze aus dem Boden. Aber das, was wir über der Erde sehen, ist nur ein winziger Teil: Es sind die Fruchtkörper, die wir als kulinarische Köstlichkeit verehren und gemeinhin als Pilz bezeichnen. Das wahre Leben der Pilze findet im Geheimen statt. Unterirdisch oder in toten Bäumen breiten sie sich heimlich aus – manchmal über Kilometer hinweg.

Kein Lebewesen ist im Verlauf der Geschichte so unterschiedlich beurteilt worden wie der Pilz. Im Mittelalter glaubte man, Pilze seien keine Lebewesen. Später wurden sie den Pflanzen zugeordnet, heute sind sie neben Pflanzen und Tieren als eigenes Reich anerkannt. Zusammen mit den Bakterien stellen Pilze die Zersetzerorganismen im Stoffkreislauf unserer Ökosysteme dar; sie sind die Recyclingspezialisten unserer Wälder. Eine weitere Schlüsselrolle haben Pilze als Symbiosepartner inne: Die meisten unserer Bäume leben mit Pilzen in einer Lebensgemeinschaft, von der beide profitieren. Derzeit sind 120.000 Pilzarten bekannt; man nimmt jedoch an, so die Autorin, dass es insgesamt 1,5 Millionen Arten gibt. Damit existieren mehr Pilz- als Pflanzenarten.

Dieses Buch unterscheidet sich von den vielen Pilzbüchern auf dem Markt insofern, als dass es Pilze nicht nur als etwas Essbares, sondern auch als Heilmittel vorstellt – viele stärken das Immunsystem, wirken antiviral und antibakteriell. 20 Pilze vom Austernpilz bis zum Zunderschwamm sind in die enge Auswahl eingeflossen. Es sind allesamt Pilze, die in unseren heimischen Wäldern zu finden sind. Die Autorin präsentiert sie mit ihren biologischen Merkmalen sowie ihren überlieferten Heilwirkungen und behandelt den gesamten Prozess ihrer Verwendung: vom Auffinden, Erkennen und Sammeln über die jeweiligen Eigenarten und ihre Zubereitung bis hin zur heilkundlichen Anwendung in Form von Ölen, Salben, Tees und Tinkturen.

Das alles liest sich einfach, doch ist die Welt der Pilze eine sehr komplizierte, vor allem, wenn es um das Erkennen eines genießbaren Pilzes geht. Viele essbare Pilze haben giftige Doppelgänger – zwar gibt es brauchbare Bestimmungsbücher, doch kann das die Hilfe eines erfahrenen Pilzsammlers nicht ersetzen. Ist man auf diesem Gebiet unkundig, so sollte man eine geführte Pilzwanderung planen und sich nur auf drei oder vier Pilze konzentrieren, die man zweifelsfrei erkennt. Pilze sind faszinierende Wesen, doch braucht es viel Übung und Wissen, um sich in ihrer Domäne sicher bewegen zu können. Das Buch unterstützt diesen Weg, ohne jährliche Praxis vor Ort im Wald geht das allerdings kaum.

aka

Homo Carnivorus: Warum wir Fleisch essen (sollten)

Elias Gudwis
IDEA Verlag
512 Seiten
ISBN: 978-3-88793-289-3
€ 23,–

Carnivorus

Mit seinem Buch „Homo Carnivorus“ leistet Elias Gudwis einen wichtigen Beitrag zu einer der hitzigsten Debatten überhaupt – der um die menschliche Ernährung. Der Titel verrät, dass Gudwis sich grundsätzlich für eine Ernährungsweise ausspricht, die Fleisch als einen ernährungsphysiologischen Grundpfeiler beinhaltet. Fleisch habe seit jeher eine essenzielle Rolle in der menschlichen Ernährung gespielt und tue dies bis heute – eine Aussage, die im aktuellen Zeitgeist fast schon als politischer Beitrag zu werten ist, da Fleischkonsum auf allen Ebenen der Gesellschaft regelrecht verteufelt wird.

Was das Buch besonders empfehlenswert macht, ist der Fakt, dass Gudwis, der nach eigenen Aussagen über neun Jahre hinweg eine vegane Ernährung gepflegt hat, keineswegs dogmatisch an die Sache herangeht. Vielmehr widmet er den ersten Buchteil einer ausführlichen Darlegung und Erläuterung wissenschaftstheoretischer Grundlagen. In diesem Zusammenhang stellt er fest, dass der Großteil der bis zum heutigen Zeitpunkt publizierten Studien auf dem Gebiet der Ernährungswissenschaften als unbrauchbar klassifiziert werden muss, da das jeweilige Studiendesign kaum belastbare Schlussfolgerungen zulässt. Unterm Strich, so sagt er, sind die meisten Forschungs­ergebnisse kaum mehr als Spekulationen, die einen seriösen bis absolutistischen Anstrich erhalten (und deren vor Interessenkonflikten strotzende Autoren am Ende des Buchs ebenfalls beleuchtet werden). Auf dieser wackeligen Grundlage werden Ernährungsempfehlungen an Hunderte Millionen von Menschen herausgegeben.

Im Hauptteil legt Gudwis dar, dass wir als karnivore Jäger klassifiziert werden müssen: So ist unsere Anatomie perfekt auf das Werfen ausgelegt und die Ausrichtung und Fähigkeit unserer Augen auf das tiefenscharfe und fokussierte Sehen – typisch für jagende Raubtiere. In Bezug auf die ernährungsphysiologischen Aspekte und ihre Auswirkung auf die Gesundheit lässt der Autor aufgrund der begrenzten Aussagekraft von verschiedenen Studien­typen grundsätzlich Vorsicht walten und hält sich mit finalen Aussagen zurück, was ich bei der Lektüre als sehr positiv empfand. Er scheut sich jedoch nicht zu sagen, dass die belastbare Studienlage signifikant darauf hindeutet, dass der Verzehr von tierischen Produkten, allen voran Fleisch, sich förderlich auf die menschliche Gesundheit auszuwirken und sogenannten Zivilisationskrankheiten vielmehr vorzubeugen scheint, als sie zu verursachen. Das liege mitunter daran, dass Fleisch fast die gesamte Bandbreite an für den Menschen essenziellen Mikro- und Makronährstoffen abdeckt – und das zugleich in einer weitaus bioverfügbareren, also für den Körper besser verwertbaren Form, als das bei den meisten pflanzlichen Nahrungsmitteln der Fall ist.

Der Autor untersucht auch die ökologische und die ethisch-moralische Dimension der Ernährung. Hier beleuchtet er neue, interessante und relevante Aspekte, die eine ganzheitliche Neubewertung des Themas nötig erscheinen lassen – auch für mich, der ich mich mehrjährig vegan ernährt und diesen Standpunkt bisweilen radikal vertreten habe. Da vor allem die moralische Dimension dazu neigt, starke emotionale Regungen zu provozieren, und die Ausführungen von Gudwis den hiesigen Rahmen sprengen würden, verbleibe ich mit einer ausdrücklichen Lese­empfehlung. Es handelt sich hier um eine sehr wertvolle ganzheitliche Beleuchtung der Aspekte menschlicher Ernährung, die sowohl Neulingen zugutekommt als auch jenen, die sich auf dem Gebiet bereits umfangreich gebildet haben.

fp

Neuland

Charles Fort
Kopp Verlag
288 Seiten
ISBN: 978-3-86445-958-0
€ 9,99

Neuland

Nach dem großartigen „Buch der Verdammten“ ist ein weiteres von Charles Forts legendären Büchern auf Deutsch erschienen, die das Genre der „Forteana“ begründeten. Es heißt „Neuland“, ist zu einem sehr günstigen Preis erhältlich und beweist aus heutiger Sicht vor allem eines: Fort war ein großer Dichter, dem es gelang, seine Abrechnung mit der Mainstreamwissenschaft in surreal anmutende Argumentationsketten voller Seitenhiebe, sarkastischer Anmerkungen und überraschender Erkenntnisse zu verpacken.

Was Fort in „New Lands“, wie das vor genau 100 Jahren erschienene Werk im Original heißt, zu sagen hat, entspricht natürlich dem damaligen Wissensstand, lässt aber dennoch Schlüsse auf den heutigen Zustand der etablierten Wissenschaft zu. Der 1874 geborene Amerikaner Charles Fort verbrachte seine Zeit am liebsten in Bibliotheken, wo er hoch angesehene Fachpublikationen ebenso sorgfältig studierte wie den Chronikteil der internationalen Tagespresse. Ihm ging es stets darum, die von der „seriösen“ Forschung ignorierten Phänomene zu sammeln und zu dokumentieren – und sie dann den anerkannten wissenschaftlichen Theorien gegenüberzustellen.

In „Neuland“ befasst er sich vor allem mit Phänomenen, die vom Himmel kommen oder mit Himmels­erscheinungen zu tun haben. Er beginnt sein Werk jedoch mit einer Abhandlung über die etablierte Astronomie der damaligen Zeit und der vorangegangenen Jahrhunderte, indem er die Fehler dieser „im Mittelalter stecken gebliebenen Wissenschaft“ aufdeckt und sich gnadenlos über sie lustig macht. Da haben Forscher angeblich genau berechnet, wo und wann ein neuer Planet oder ein wiederkehrender Meteoritenschauer am Himmel auftauchen muss – nur: Da ist nichts. Erblickt man die Himmelskörper dann jedoch zu ganz anderen Zeitpunkten und an völlig anderen Orten, gibt es immer jemanden, der sich als ihr Entdecker brüstet, während zahlreiche Apologeten erklären, warum die falschen Berechnungen doch richtig waren. Fehlgeleitete Theorien werden durch unkorrekte mathematische Manöver unterstützt und umgekehrt. Entfernungsangaben zu Planeten unterscheiden sich um viele Millionen Kilometer – und auch das mit der Geschwindigkeit des Lichts erscheint Fort gar nicht so sicher, wie er durchaus witzig anmerkt: „Wir hingegen vertreten die Ansicht, dass Licht keine Geschwindigkeit hat. Entweder sieht man etwas oder man sieht es nicht.“ Eben. Das erinnert an den österreichischen Physiker Ernst Mach (1838 – 1916), nach dem die Schallgeschwindigkeit benannt ist und der nicht an Atome glaubte. Bei Diskussionen darüber merkte er daher gern an: „Hab’n S’ eins g’sehn?“

Natürlich wissen wir heute mehr als Fort (oder Mach) damals über Sterne, Planeten und Atome, aber nach der Lektüre von „Neuland“ stellt sich die Frage: Wissen wir das alles wirklich, nur weil es uns Harald Lesch als unumstößliche Tatsache im Hauptabendprogramm vorsetzt – oder bestätigt auch in der Gegenwart nur ein Physiker einen Astronomen, ein Mathematiker einen Exoplanetenforscher etc. pp.?

Folgen wir daher Charles Fort, wenn er schreibt: „Hört ein Astronom von etwas Neuem und nicht Anzweifelbarem am Himmel, erkrankt er an schwer zu unterdrückenden Gleichungen. Symbole bedrängen ihn und suchen nach Ausdruck. Ihn befällt der Wahn eines Menschen, der Automobile, Eisenbahnen, Fahrräder, schlichtweg alle Dinge anhalten möchte, um sie zu vermessen; der Spatzen, Fliegen und allen Menschen, die an seiner Tür vorbeikommen, mit einer Messlatte hinterherläuft. Das soll wissenschaftlich sein, kann aber auch monomanisch sein.“

Nach dem „neoastronomischen“ Teil geht der Autor dann zu seinem „extra­geografischen“ Arbeitsfeld über und dokumentiert in bewährter Art und Weise vom Himmel fallende Dinge, am Firmament beobachtete Städte, unerklärliche, von lauten Geräuschen aus den Wolken begleitete Erdbeben, Lichter auf dem Mond, außerirdische Flugkörper und alle möglichen anderen rätselhaften Phänomene, die von der Wissenschaft verdammt wurden (und werden), weil sie ihr nicht ins Konzept passen.

Wer also „Das Buch der Verdammten“ schon mochte, wird von „Neuland“ ebenfalls angetan sein.

ph

Rezensenten

aka – Angelika Katterbach

fp – Fynn Peter

ks – Klaus Scharff

ph – Peter Hiess

sb – Sascha Bach