NEXUS Magazin: https://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/atommuell-ade-browns-gas-und-andere-verfahren-zur-dekontamination
1974 erhielt der Elektroingenieur Yull Brown das Patent für einen speziellen Gasgenerator, mit dem es ihm gelang, durch alkalische Elektrolyse Wasser in geladene Wasserstoff- und Sauerstoffmoleküle sowie Hydroxyl-(OH-)Radikale aufzuspalten. Das als Browns Gas bekannt gewordene Gemisch hat Eigenschaften, die mit der bekannten Physik unzureichend zu erklären sind. In China sind Anwendungen mit dem Gas bestens erforscht, patentiert und vermarktet ... nur im Westen kauert es in einer Nische. Eine der vielen interessanten Anwendungen des Gases ist die Dekontamination von Atommüll. Wäre es nicht Zeit, eines der hässlichsten Probleme moderner Energiegewinnung zu lösen?
Von Browns Gas hörte ich zum ersten Mal in einem Interview mit Duncan Roads, dem Verleger des englischen NEXUS-Magazins.1 Er sprach über die besten Artikel, die er in mehr als 36 Jahren veröffentlicht hatte, und erwähnt darin einen über Browns Gas aus dem Jahr 2017.2 Obwohl sich der Artikel ausschließlich mit den gesundheitlichen Vorzügen befasste, wusste Roads auch von der Verwendung zur Dekontaminierung von Atommüll zu berichten.
Da ich mich seit beinahe 40 Jahren aktiv für eine Kampagne zur Reinigung der Atommülllagerstätte Hanford in Ost-Washington engagiere, war ich verblüfft zu hören, dass Browns Gas – auch als HHO, Oxyhydrogen, Hydroxygas oder in Deutschland und Skandinavien als Knallgas bezeichnet – nur eines von insgesamt neun begutachteten preiswerten Verfahren darstellt, um Atommüll zu dekontaminieren.
Im Jahr 1800 entdeckte der britische Chemiker und Erfinder William Nicholson als Erster, dass man mithilfe der Hydrolyse „Oxyhydrogen“ gewinnen konnte, das erste für die Schweißerei einsetzbare Gasgemisch.3
1974 erhielt der aus Bulgarien stammende Elektroingenieur Yull Brown neue Patente für seine später als „brownscher Gasgenerator“4 bekannt gewordene Erfindung, mit der es ihm gelang, mittels alkalischer Elektrolyse Wasser in geladene Wasserstoff- und Sauerstoffmoleküle sowie Hydroxyl-(OH-)Radikale aufzuspalten.
Nach seinem Umzug nach Australien entwickelte und produzierte er dort 1954 die Anwendungen für seine Generatoren. Auf Wunsch der chinesischen Regierung verlegte er in den 1990er-Jahren die Produktion in die Volksrepublik China.5 Das inspirierte die chinesischen Hersteller dazu, für ihre Schweißbrenner vorzugsweise Browns Gas anstatt Acetylen zu verwenden. Außer zum Schweißen und Löten nutzten die Chinesen Browns Gas schon früh für Zwecke wie Wasserentsalzung, Entsorgung und Beseitigung von Giftmüll, Produktion von Pharmazeutika und Materialhärtung. 1996 luden die Chinesen Yull Brown erneut ein, um sich ein brownsches Gassystem für den Einsatz in Automobilen bauen zu lassen.
Derzeit werden die meisten brownschen Gasgeneratoren in China hergestellt, in erster Linie für Schweiß- und Lötanwendungen, Gesundheitszwecke und zur Verbesserung der Treibstoffeffizienz bei Fahrzeugen. Derzeit findet man auf dem Onlinemarkt um die 4.000 in China hergestellte Modelle brownscher Gasgeneratoren von rund 70 Anbietern. Die Preise bewegen sich zwischen 78 und 42.000 Dollar.6
1992 sahen sich Beamte des amerikanischen Energieministeriums auf Verlangen des Kongressabgeordneten Berkley Bedell in Ontario/Kalifornien eine Demonstration an, bei der mithilfe einer brownschen Gasfackel die Radioaktivität von Cobalt-60 in wenigen Minuten um 96 Prozent gesenkt wurde.7
In den USA und anderen westlichen Ländern gilt laut Wikipedia, Nature und Popular Mechanics die Verwendung von Oxyhydrogen oder Browns Gas als „grenzwissenschaftlich“ – ganz anders in China und Südkorea, wo Browns Gas nach wie vor ein großes Forschungsthema ist. Dabei geht es hauptsächlich um Gesundheitsanwendungen, aber auch um die Verbesserung der Kraftstoffeffizienz und die Reduzierung der Feinstaubemissionen bei mit fossilen Brennstoffen betriebenen Fahrzeugen sowie die Entsorgung toxischer und nuklearer Abfälle.
Zu den zahlreichen begutachteten Studien aus China, die sich mit brownschen Gasgeneratoren für Diesel- und Benzinmotoren zur Verbesserung der Verbrennung und Kraftstoffeffizienz befassen, zählen die beiden Arbeiten, die 2015 im Journal of Jiangsu University 8 und 2016 in Energy Technology 9 erschienen sind. Es gibt auch zwei Studien aus Jordanien aus den Jahren 2010 10 und 2011 11 sowie eine aus Pakistan aus dem Jahr 2020 12.
Da die Feinstaubbelastung (Smog) in zahlreichen chinesischen Städten ein gefährliches Niveau erreicht hat, untersuchen mehrere Forscher die Doppelrolle, die brownsche Gasgeneratoren spielen können, indem sie gleichzeitig den Feinstaubausstoß (durch effizientere Verbrennung) reduzieren und die Kraftstoffeffizienz verbessern. Dazu wurde 2014 13 eine Arbeit in Indien veröffentlicht, zwei erschienen 2022 im Journal of Cleaner Production 14 und in Processes 15, sechs weitere zwischen 2021 und 2023 im Journal of Hydrogen Energy 16.
Koreanische Studien aus den Jahren 2004 und 2005 befassen sich auch mit der Verwendung von Browns Gas zur Vitrifizierung von Feststoffabfällen.17 In einer Studie aus dem Jahr 2008 18 geht es um die Verwendung von Browns Gas zur sicheren Vitrifizierung von Asbest und in einer Studie aus dem Jahr 2012 19 um die Verwendung zur umweltverträglichen Müllverbrennung.
Die meisten brownschen Gasgeneratoren, die in China und andernorts hergestellt und verkauft werden, sind für gesundheitliche Anwendungen bestimmt. Nach multizentrischen klinischen Studien 20 hat der staatliche chinesische Gesundheitsdienst für Atemwegserkrankungen 21 das Inhalieren von Browns Gas zur Behandlung von durch Covid-19 bedingter Pneumonie freigegeben. Eine 2021 im European Medical Journal erschienene Arbeit erklärt die theoretischen Grundlagen für die Effektivität dieser Behandlung.22
Eine chinesische Studie 23 aus dem Jahr 2021 befasst sich mit der Behandlung von chronischen obstruktiven Lungenerkrankungen mit Browns Gas und eine Arbeit der Universität Salzburg 24 aus dem Jahr 2020 untersucht die Behandlung verschiedener chronischer Krankheiten mit Browns Gas.
Die bisherige begutachtete Forschung zur Dekontaminierung von Atommüll mithilfe von Browns Gas beschränkte sich auf die theoretische Erklärung der Auslösung von Transmutationsvorgängen, doch es wird sich auf jeden Fall lohnen, diese Technologie näher zu untersuchen. Am 24. August 1991 berichteten chinesische Forscher am nuklearen Komplex Baotou über ein Experiment, bei dem die Radioaktivität einer Cobalt-60-Probe mithilfe von Browns Gas um mehr als 50 Prozent verringert werden konnte.25 Zwar gibt es vereinzelte Berichte, zum Teil von Brown selbst, über neuere chinesische Forschungen zur Rolle von Browns Gas bei der Neutralisierung radioaktiver Nukleotide, doch hat sich die chinesische Regierung bisher geweigert, sie zu veröffentlichen.
1999 führte Mark Porringa, der Chefingenieur der Atomic Energy of Canada Limited, nach dem Protokoll von Yull Brown ein Experiment mit einer radioaktiven Probe von Americium-241 durch, einem schwachen Alphastrahler mit einer Halbwertszeit von 461 Jahren. In weniger als einer Minute sank das Strahlungsniveau von über 70.000 cpm auf weniger als 6.000 cpm.
In ihrer 2018 vorgestellten Arbeit führten Dr. Andrew Michrowski, PhD und Mark Porringa stichhaltige Argumente dafür ins Feld, dass der Mechanismus der Transmutation – ein Prozess, bei dem die Atomkerne so verändert werden, dass sie in der Folge neue, nicht radioaktive Isotope produzieren – für die Reduzierung der Radioaktivität durch Browns Gas sorgt.26
O-Heung Guk stellte einen potenziellen Mechanismus dafür vor, wie die Exposition gegenüber Browns Gas Transmutationen auslösen kann (unter anderem durch die Freisetzung von π-Strahlen). Seine Arbeit wurde 1999 im Journal of Materials Processing Technology 27 und 2001 in einer Veröffentlichung der Korean Society for Atmospheric Environment 28 publiziert.
2019 äußerte sich Slobodan Stankovic von Swiss Oxyhydrogen Energy zustimmend zu dieser Theorie und stellte seine experimentellen Erkenntnisse über die Rolle von Oxyhydrogenplasma bei der offenkundigen Synthese neuer Elemente29 (das heißt Transmutation) auf der 22.Jahreskonferenz derInternational Society for Condensed Matter Nuclear Science vor.
Wenngleich keine Methode so umfangreich erforscht wurde wie die mit Browns Gas, kann die Planetary Association for Clean Energy (PACE) in Ottawa noch mit weiteren neun Dekontaminierungstechnologien für Atommüll aufwarten, die alle auf Transmutation beruhen. Browns Gas lässt sich nur auf homogene Feststoffe, beispielsweise Metalle, anwenden, nicht jedoch auf Schlackenstoffe und Flüssigkeiten, aus denen Atommüll häufig besteht. Da die Isolierungsprozedur der aufwendigste Schritt ist, sollte man in Erwägung ziehen, Browns Gas in Kombination mit anderen Niedrigenergietechnologien anzuwenden, die eine Transmutation auslösen können.
Von den neun Methoden scheinen die folgenden am erfolgversprechendsten (wenn man den begutachteten Forschungsergebnissen folgt):
Die Entsorgung von Atommüll stellt für alle Länder, die über Atomwaffen verfügen oder Atomenergie nutzen, ein ernsthaftes Problem dar. Betroffen sind auch Länder des pazifischen Beckens, die durch Japans aktuelle Pläne zur Entsorgung von radioaktivem Kühlwasser aus Fukushima im Pazifischen Ozean bedroht sind.36
In den USA wird der in Atomkraftwerken anfallende radioaktive Müll (der überwiegend aus abgebrannten Brennstäben besteht) an immer mehr Reaktorstandorten in trockenen Behältern in Gewölben gelagert. Es gibt auch ein Zwischenlager im Idaho National Environmental and Engineering Laboratory in der Nähe von Idaho Falls.
Der Atommüll aus ehemaligen amerikanischen Atomwaffenfabriken ist jedoch weitaus problematischer. Laut Angaben der Website Chemical and Engineering News 37 lagern mehr als eine Viertelmillion Kubiktonnen hochradioaktiven Abfalls in der Nähe aktiver und ehemaliger Atomwaffenfabriken. Der teilweise jahrzehntealte Müll wartet darauf, künftig in – derzeit nicht einsatzbereiten – unterirdischen Gewölben dauerhaft entsorgt zu werden. Da keine Lagerstätten zur Verfügung stehen, beginnen die Behälter immer mehr zu lecken, je älter sie werden.
Im Fall des Atomkomplexes in Hanford im östlichen Washington treten aus etwa einem Drittel der vergrabenen Behälter mit flüssigem radioaktiven Müll sechswertiges Chrom und Strontium-90 aus und gelangen ins örtliche Grundwasser, das laut Angaben der Bundesumweltschutzbehörde ungehindert in den Columbia River einströmt.38 Dieser Fluss dient als wichtige Wasserquelle zur Feldbewässerung und erfreut sich großer Beliebtheit bei Freizeitanglern.
Wie Chemical and Engineering News meldet, steht der Hanford-Komplex kurz davor, den Müll in einer vom Energieministerium (DOE) finanzierten, mehrere Milliarden Dollar teuren Vitrifizierungsanlage zu verglasen. Wie das DOE verspricht, wird die seit 2002 im Bau befindliche Anlage noch in diesem Jahr „anfangen“, den Vitrifizierungsbetrieb aufzunehmen. Angesichts der bisherigen Verzögerungen und Verteuerungen darf dies bezweifelt werden. Nach den für Hanford geltenden Vorgaben muss der Atommüll mit feuerfestem Glas ummantelt und dann in Kanister aus Edelstahl eingebracht werden. Doch obwohl bereits Milliarden von Dollar für die Vitrifizierungsanlage in Hanford ausgegeben wurden, steht noch nicht einmal die Zusammensetzung des Glasmaterials fest und wird weiterhin erforscht. Auch bleiben wichtige Fragen unbeantwortet, beispielsweise, welche Glaskomposition die höchste Menge an Atommüll aufnehmen kann, wie gut sie sich für die Vitrifizierung eignet und wie lange sie an einer Lagerstätte der Korrosion widerstehen kann.
Die begutachteten Forschungsarbeiten, die sich für eine Lagerung als Technologie der Wahl für die Atomabfallwirtschaft aussprechen, sind noch rarer als die Arbeiten, die Transmutationstechnologien befürworten. Mit anderen Worten: Die Entscheidung, Atommüll zu „lagern“ anstatt zu „dekontaminieren“, ist politisch und nicht wissenschaftlich motiviert.
Auch wenn es noch weiterer Forschung bedarf, ehe Browns Gas und andere Transmutationstechnologien effektiv eingesetzt werden können, gestaltet diese politisch gesteuerte Entscheidung alle Bemühungen, Forschungsgelder für neuartige Dekontaminierungstechnologien von Atomlobbygruppen oder staatlichen Regulierungsbehörden zu erhalten, doch extrem schwierig.
Auch wenn die auf Browns Gas basierende Technologie als „Außenseitermethode“ etikettiert wird, liegt der tatsächliche Grund für den Widerstand darin, dass es sich nicht um eine westliche Technologie handelt, denn Amerikas größtem wirtschaftlichen Konkurrenten gehören die meisten geistigen Eigentumsrechte für deren Anwendungen.
Auf jeden Fall ist die Weigerung der westlichen Regierungen, die zahlreichen begutachteten Technologien anzuerkennen, die für eine kostengünstige und effektive Dekontaminierung von Atommüll sorgen könnten, eine Riesentragödie für die Zivilbevölkerung. Denn mit jedem neuen Reaktor steigt deren Risiko, den durch Misswirtschaft lebensbedrohlich gewordenen Atomabfällen ausgesetzt zu werden.
Thema vertiefen
NEXUS brennt schon länger für Browns Gas – alle bisher veröffentlichten Artikel finden Sie in unserer E-Paper-Sammlung „Best of NEXUS(1)“. Der Frage nach dem Pro und Kontra von Atomkraft sind wir in unserem „Kampf der Narrative“ in Heft 92 nachgegangen (online unter https://bit.ly/kdn-atomkraft), während der Artikel „Kernkraft – das Geschäft mit der Angst“ in Heft 52 die kuriose Frage stellt, wie gefährlich radioaktive Strahlung wirklich ist.
Thank you for the reminder that this technology exists, and needs to move forward. As in most areas of LENR, the biggest difficulty is not the physics, but is the political / funding / power-struggles / status-quo