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Am 9. Januar 2020 meldete ZEIT online, dass die deutschen Behörden im Fall Anis Amri wegen möglicher Falschaussagen von Beamten des Landes- und Bundeskriminalamts sowie eines Oberstaatsanwalts beim Bundesgerichtshof ermitteln.
Höchste Zeit … Am 19. Dezember 2016 war Amri mit einem Lastwagen (dessen polnischen Fahrer er vorher erschossen hatte) in den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz gerast und hatte dabei 12 Menschen ermordet und 67 verletzt. Seitdem sind mehr als drei Jahre vergangen, doch der Fall ist noch lange nicht vollständig aufgeklärt. Fest steht, dass der Terrorist Teil des IS-Netzwerks war, dessen Mitglieder größtenteils im Zuge der Flüchtlingswelle seit 2015 nach Europa einsickerten; fest steht auch, dass der Tunesier Amri nach seiner Tat entkommen konnte und vier Tage später in einer italienischen Stadt von der Polizei erschossen wurde. Der Autor Stefan Schubert konnte für sein Werk über die Hintergründe des Weihnachtsmarktattentats Einsicht in geheime Ermittlungsakten nehmen, mit hohen Polizeibeamten, Terrorspezialisten und Geheimdienstlern sprechen und durch aufmerksame Recherche die Widersprüche in offiziellen Aussagen und Bekanntmachungen entlarven.
Der Skandal beginnt mit der Tatsache, dass Anis Amri den deutschen und anderen europäischen Behörden schon lange vor dem Attentat bekannt war, er sich aber trotzdem ungehindert (wenn auch unter intensiver geheimdienstlicher Überwachung) in Deutschland aufhalten durfte. Dafür verwendete er 14 verschiedene Identitäten, die er wahrscheinlich auch zum Sozialbetrug nutzte.
Weiter geht es mit dem Versuch, bereits kurz nach dem Anschlag am Breitscheidplatz von amtlicher und Regierungsseite zu vertuschen, welche Mitschuld der deutsche Staat an dem Verbrechen trägt. Schubert zeigt auf, mit welchen Lügen hier bis hinauf zur Bundeskanzlerin gearbeitet wurde, wie man dem „Verdächtigen“ (dessen Täterschaft längst feststand) dadurch die Flucht ermöglichte und dass die Festnahme des IS-Terroristen aktiv verhindert wurde, obwohl sich dadurch das Blutbad am Breitscheidplatz hätte vereiteln lassen.
Und schließlich stellt sich heraus, dass interessierte ausländische Geheimdienste, wahrscheinlich allen voran die CIA, hinter der Affäre stecken, weil sie über Amri und seine europäischen IS-Kontakte die Hintermänner der Terroristen in Afrika ausforschen wollten. Prompt ordnete der heilige Obama bereits im Januar 2017 einen „Vergeltungsschlag“ an, bei dem zwei libysche IS-Camps in Grund und Boden gebombt wurden.
„Anis Amri und die Bundesregierung“ liest sich mit seinen kaltgestellten Terrorermittlern, verbrecherischen V-Männer, Terrorzellen auf deutschem Boden und verlogenen Politikern erfreulicherweisenichtwie ein spannender Agentenkrimi, sondern wie ein gut recherchiertes, faktenreiches und nur manchmal recht trocken geschriebenes Sachbuch. Dass die üblichen Verdächtigen Stefan Schubert trotzdem als Verschwörungstheoretiker schmähen, verwundert nicht – sollte den Autor ob der Qualität seiner Arbeit aber nicht wirklich treffen.
Stefan Schubert
Kopp Verlag
240 Seiten
ISBN: 978-3-86445-645-9
€ 19,99